2004/09/29 Bildungsdokumentation - Widerstand der Eltern und Schüler wächst
Datenerfassung zur Bildungsevidenz verletzt weiterhin die Privatsphäre der Schüler und Eltern - Breiter Widerstand von Elternorganisationen und Schulen - Staat ist kein Garant für sichere Datenverwendung - Alle bildungsstatistischen Ziele könnten ohne Sozialversicherungsnummer erreicht werden - Ziel ist der Aufbau einer umfassenden Bevölkerungsevidenz - Wohnungs- und Einkommensevidenz sind die nächsten Schritte
Datenerfassung zur Bildungsevidenz verletzt weiterhin die Privatsphäre
Auch im neuen Schuljahr werden von den Schülern und Eltern eine Fülle persönlicher Daten erhoben. Zum Zwecke einer mehr als 60-jährigen persönlichen Zuordnung werden die Daten gemeinsam mit der Sozialversicherungsnummer erhoben.
Damit ist es bis weit nach der Pension möglich, zu jedem Menschen herauszufinden, welche Schulen, sogar welche Schulveranstaltungen er besucht hat, welchen Förderunterricht er in Anspruch genommen hat und wann und wie oft er von der Schule verwiesen wurde. Selbst die Inanspruchnahme einer Nachmittagsbetreuung oder die Tatsache der Teilnahme am Religionsunterricht bleibt lebenslang gespeichert.
Immer wieder versucht Frau Bundesminister Gehrer mit zwei falschen Behauptungen den EU-weit einzigartigen Bruch der Privatsphäre zu rechtfertigen. Es würden keine Namen gespeichert und die SV-Nummer wird nur verschlüsselt gespeichert.
Hans G. Zeger, Obmann ARGE DATEN: "Die behauptete 'Verschlüsselung' der SV-Nummer ist bloß ein billiger Taschenspielertrick. Tatsächlich wird die Nummer nur EDV-mäßig kodiert, sodass man jederzeit unter Bekanntgabe einer SV-Nummer alle Bildungsdatensätze zu dieser Person abrufen kann. Die Speicherung des Namens ist schon aus EDV-technischen Gründen überflüssig, da sich dieser im Laufe der Jahre, etwa bei Heirat, ändern kann, die SV-Nummer aber lebenslang gleich bleibt."
Breiter Widerstand von Elternorganisationen und Schulen
Immer mehr Schüler, Eltern, aber auch Elternvereine und Familienverbände protestieren gegen diese unverschämte Datenerfassung und Überwachung. Wir hatten darüber schon mehrmals berichtet.
Auch viele Schulen sehen durch diesen Eingriff in die Privatsphäre die Schulgemeinschaft empfindlich gestört und sind nicht bereit, den 'Datenklau' für Minister Gehrer zu spielen.
Hans G. Zeger: "Die ARGE DATEN appelliert an alle Schuldirektoren, keinen Druck auf Eltern und Schüler auszuüben, die die Sozialversicherungsnummer nicht bekannt geben wollen."
Eltern sollen Verpflichtung zur Bekanntgabe der SV-Nummer beeinspruchen
Allen Eltern, denen die Privatsphäre ihrer Kinder ein Anliegen ist, haben die einfache und rechtlich zulässige Möglichkeit, die Bekanntgabe der Sozialversicherungsnummer vorerst zu beeinspruchen. In einem Verwaltungsverfahren wird dann entschieden, ob die Bekanntgabe tatsächlich notwendig ist. Der Antrag kann formlos erfolgen, ist an den Schulerhalter zu richten und kann bei der Schule abgegeben werden. Kosten fallen keine an, auch eine Verwaltungsstrafe wegen Verweigerung der SV-Nummer kann nicht verhängt werden, da die Nummer nicht verweigert wird, sondern nur eine rechtliche Klärung verlangt wird.
Sofern die Sozialversicherungsnummer schon bekannt gegeben wurde, kann die Verwendung auch nachträglich widerrufen werden. Weigert sich die Schule die Nummer zu löschen, kann die Datenschutzkommission und letztlich der Verfassungsgerichtshof angerufen werden.
Sowohl bei einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, als auch bei einer EU-Beschwerde wegen Missachtung der EG-Richtlinie Datenschutz (einem EU-Vertragsverletzungsverfahren) stehen die Erfolgsaussichten sehr gut.
Die ARGE DATEN hat dazu schon einige Musterverfahren gestartet, benötigt jedoch für den erfolgreichen Abschluss finanzielle und personelle Unterstützung.
Bildungsstatistische Ziele ohne Sozialversicherungsnummer erreichbar
Selbst die Statistik Austria, immer wieder ein vehementer Befürworter ausufernder Datenerfassung, räumt ein, dass alle bildungsstatistischen Aufgaben auch ohne Verwendung der Sozialversicherungsnummer erreicht werden könnten. Die Verwendung von Schulnummern würde bei weitem ausreichen, die notwendigen Finanzplanungsdaten für die Ausstattung der Schulen zu erhalten.
Staat ist kein Garant für sichere Datenverwendung
Tatsächlich ist jedoch die Bildungsevidenz, gemeinsam mit der Bürgerkarte und der Meldeevidenz nur der Pilotversuch für wesentlich weiterreichendere Evidenzen.
Im Sommer dieses Jahres wurden, von rund 140.000 Beschäftigten, ohne deren Wissen die detaillierten Gehaltsdaten ermittelt. Dies war der Probegalopp für den flächendeckenden Aufbau einer Einkommensevidenz. Auch hier wurde die Sozialversicherungsnummer als Schlüssel verwendet.
Kurzfristig vorgesehen sind noch eine zentrale Gesundheitsevidenz, ebenfalls mit der Sozialversicherungsnummer als Schlüssel, eine Arbeitsplatzevidenz und eine Wohnungsevidenz, die auch die Details der Ausstattung aller Wohnungen enthalten soll.
Sind diese Evidenzen einmal aufgebaut, reicht eine hauchdünne Parlamentsmehrheit, um die Daten zusammen zu führen und zu verknüpfen. Selbst wenn diese Mehrheit nur kurzfristig bestehen würde, wäre der Verlust der Privatsphäre aller österreichischen Bürger nicht mehr rückgängig zu machen.
Bildungsevidenz - Wissen
Der Datenkatalog zur Bildungsevidenz enthält weit über hundert verschiedene Datenfelder, die pro Schuljahr vergeben werden.
Besonders bedenklich sind dabei, in Hinblick auf die Verknüfbarkeit und die lebenslange personenbezogene Abrufbarkeit:
- die Sozialversicherungsnummer : Missbrauch einer Infromation, die für Gesundheitszwecke vorgesehen ist
- verwendete Alltagssprache : hier liegt eine Verletzung des Schutzes ethnischer Informationen vor
- Teilnahme an Religionsunterricht : unzulässiger Eingriff in die Religionsfreiheit
- Teilnahme am zweisprachigen Unterricht : Bedenklich als ethnisches Faktum
- Anspruchnahme von Schulbuch und Schülerfreifahrt
- zusätzlicher Förderunterricht
- Schulbesuchsende aus disziplinären Gründen und
- schulische Nachmittagsbetreuung
- Art und Dauer von Schulveranstaltungen ,
Gerade im Bereich gesundheitlicher, ethischer, religiöser und rassischer Daten sieht die EG-Richtlinie Datenschutz sehr strenge Löschungsvorschriften vor, die durch die Bildungsdokumentation missachtet werden.
|