Bildungsevidenz - Die Rechte der Schüler und Eltern
Der Artikel beschreibt, welche Schritte in welcher Reihenfolge gegen den Missbrauch der persönlichen Daten durch die Bildungsevidenz unternommen werden können - Neben der Weigerung, die Sozialversicherungsnummer bekannt zu geben, kann auch die Verwendung schon bekannt gegebener Daten untersagt werden - Offener Brief an alle Schuldirektionen
Immer wieder erhält die ARGE DATEN Anfragen zur Bildungsevidenz. Die Tatsache, dass teils sensible Daten von Schülern über Jahrzehnte gespeichert werden sollen, sorgt offenbar für große Verunsicherung bei Schülern, Eltern und teilweise auch Lehrern.
Die ARGE DATEN hat für einige Ihrer Mitglieder bereits Verfahren eingeleitet und auf ihrer Homepage unter http://www.argedaten.at/muster/ sind verschiedene Musterbriefe zum Themenkreis Bildungsevidenz abrufbar.
In der vorliegenden Hilfestellung werden die wichtigsten rechtlichen Schritte gegen den Datenmissbrauch der Bildungsevidenz zusammengefasst. Wir bitten diesen Artikel an interessierte Eltern, Schüler, Elternvereine, aber auch Schuldirektionen weiter zu verbreiten.
Zusätzlich zu dieser Hilfestellung bieten wir im Rahmen unseres Rechtshilfedienstes Verfahrensunterstützung an und können betroffene Eltern und Schüler auch vor dem Verfassungsgerichtshof vertreten.
Keine Sorgen müssen sich Eltern oder Schüler vor rechtlichen Sanktionen machen. Zwar wäre es theoretisch möglich, bei der Weigerung der Bekanntgabe persönlicher Daten eine Verwaltungsstrafe zu verhängen. Bisher wurden jedoch noch nie Verwaltungsstrafen verhängt. Bevor diese Strafen rechtsgültig werden, muss ein Strafbescheid ausgestellt werden, gegen den der Betroffene, auf Wunsch mit Hilfe der ARGE DATEN, gemeinsam mit Verfassungsjuristen im Instanzenzug beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde erheben kann.
Noch eine Ebene höher ist die ARGE DATEN bereits aktiv geworden: Mitte Februar wurde eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht. In diesem Rahmen wird in den nächsten Monaten die Vereinbarkeit des Bildungsdokumentationsgesetzes und der dazugehörigen Verordnungen auf Vereinbarkeit mit geltendem EU-Recht geprüft.
Zentrale Kritikpunkte waren auch in diesem Zusammenhang die Speicherung aller Daten in Verbindung mit der Sozialversicherungsnummer und die teilweise fehlenden Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene.
Der beschriebene Instanzenweg erfordert ein wenig Geduld bei Eltern und Schülern, doch angesichts der Gefahr einer lebenslangen Evidenzhaltung des schulischen Alltags und den enormen Missbrauchsmöglichkeiten durch Behörden und private Stellen sollte allen diese Mühe wert sein.
1. Weigerung der Bekanntgabe persönlicher Daten
Die Sozialversicherungsnummer und andere personenbezogene Daten sollten nicht einfach aufgrund einer mündlichen oder formlosen schriftlichen Aufforderung bekannt gegeben werden. In einem solchen Fall empfehlen wir die vorläufige Verweigerung der Bekanntgabe. Es sollte gleichzeitig die bescheidmäßige Ausfertigung der Aufforderung zur Datenbekanntgabe verlangt werden.
Ein Musterbrief, der an die jeweilige Situation angepasst werden kann, ist auf der Homepage der ARGE DATEN abrufbar: http://ftp.freenet.at/bil/Musterbrief-Bildungsevidenz.pdf
Grundsätzlich ist dieses Schreiben an den Schulleiter bzw. Leiter der Bildungseinrichtung zu richten, der nach Ansicht der Datenschutzkommission (seit 1. Jänner 2014 Datenschutzbehörde) in diesem Fall als Organ der Schulbehörde tätig wird.
Wiener Eltern und Schüler beachten bitte bezüglich der zuständigen Schulbehörde das Schreiben der MA56 (Städtische Schulverwaltung): http://ftp.freenet.at/bil/ma56-schreiben.pdf Für die anderen Bundesländer gilt die Zuständigkeit sinngemäß.
Wird nach der Verweigerung weiter auf Bekanntgabe der Sozialversicherungsnummer beharrt, wenden Sie sich an die ARGE Daten. Die ARGE Daten wird dann die weitere Vorgehensweise besprechen.
2. Datenschutzauskunft einholen
Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, welche persönlichen Daten tatsächlich im Zusammenhang mit der Bildungsevidenz gesammelt werden, kann eine Datenschutzauskunft beantragen. Diese ist gemäß Datenschutzgesetz und Bildungsdokumentationsgesetz kostenlos, vollständig und verständlich binnen 8 Wochen schriftlich zu erteilen. Sollte sie unvollständig sein oder gar fehlen, kann danach ebenfalls Beschwerde bei der Datenschutzbehörde erhoben werden.
Das Auskunftsbegehren ist wiederum an den Schulleiter zu richten. Dieser hat einerseits nach dem DSG 2000 Auskunft über die in der dezentralen Schülervidenz gespeicherten Daten zu erteilen. Andererseits muss der Leiter der Bildungseinrichtung nach §8 Abs. 5 Bildungsdokumentationsgesetz eine Abfrage in der Gesamtevidenz vornehmen und die Auskunft dem Betroffenen mitteilen. Zusätzlich kann das Schreiben auch direkt an das Bundesministerium für Bildung, Unterricht und Kunst gerichtet werden, das für die Führung der Gesamtevidenz verantwortlich ist.
Zum Antrag reicht unser allgemeines Auskunfstmusterschreiben, es ist jedoch gesetzlich vorgesehen, zur Abwicklung der Auskunft die Sozialversicherungsnummer als zentralen Schlüsselbegriff bekannt zu geben:
http://ftp.freenet.at/bil/Musterbrief-auskunft-bildokges.doc
Die Bekanntgabe der Sozialversicherungsnummer wird von der ARGE DATEN in diesem Zusammenhang als nicht problematisch angesehen, da die Nummer sowieso schon bei der Behörde bekannt ist (siehe oben). Dort wo sie bisher nicht bekannt war, darf die Nummer nur für den Zweck der Durchführung des Auskunftsbegehrens vewendet werden und nicht für andere Zwecke.
3. Untersagen der Verwendung personenbezogender Daten
In vielen Fällen wurden von den Eltern/Schülern schon persönliche Daten, in der Regel in Verbindung mit der Sozialversicherungsnummer, für Zwecke der Bildungsdokumentation bekannt gegeben.
Auch in diesen Fällen kann etwas gegen den Datenmissbrauch unternommen werden. Sollten die Sozialversicherungsnummer oder andere Daten bereits bekannt gegeben worden sein, kann die Löschung dieser Daten nach §27 DSG 2000 verlangt werden. Gleichzeitig sollten alle evenutell erteilten Zustimmungen zur Datenverwendung und Datenweitergabe widerrufen werden. Eine derartige Löschung bewirkt das Verbot, diese Daten für den Zweck der Bildungsevidenz zu verwenden. Andere Zwecke, die durchaus sinnvoll sein können, werden davon nicht berührt.
Dabei ist allerdings zu unterscheiden: Nach dem Bildungsdokumentationsgesetz werden einerseits bei den Schulen selbst dezentrale Schülerevidenzen geführt andererseits gibt es die Gesamtevidenz beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Grundsätzlich sollte ein Löschantrag an beide Stellen gerichtet werden.
Auch für diesen Schritt steht ein Musterbrief auf der ARGE DATEN Homepage zur Verfügung: http://ftp.freenet.at/bil/Musterbrief-widerruf-datenverwendun...
Auch in diesem Fall gilt, dass ein solcher Antrag bezüglich der Schülerevidenz an den Schulleiter bzw. Leiter der Bildungseinrichtung zu richten ist, der nach Ansicht der Datenschutzkommission in diesem Fall als Organ der Schulbehörde tätig wird.
Der Antrag auf Löschung bezüglich der Gesamtevidenz ist direkt an das Bundesministerium als Auftraggeber zu richten.
Wiener Eltern und Schüler beachten bitte bezüglich der zuständigen Schulbehörde das Schreiben der MA56 (Städtische Schulverwaltung): http://ftp.freenet.at/bil/ma56-schreiben.pdf Für die anderen Bundesländer gilt die Zuständigkeit sinngemäß.
4. Weigerung der Löschung der Daten / Beschwerde Datenschutzkommission
Wenn die Löschung der Daten vom Leiter der Bildungseinrichtung, dem Schulträger oder der Aufsichtsbehörde (z.B. Landesschulrat) abgelehnt werden, muss unbedingt eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde eingebracht werden. Der Antrag kann auch per Fax eingebracht werden.
Die übliche Vorgangsweise der Schule/Schulträger ist in den meisten Fällen, den Löschungsantrag zu ignorieren ("Kopf in den Sand") oder mit allgemein gehaltenen Gemeinplätzen abzulehnen und die Bildungsdokumentation unter Berufung auf die Gesetzeslage zu rechtfertigen.
Sollte innerhalb von acht Wochen keine Löschung zugesagt werden oder überhaupt keine Antwort erfolgen, dann ist ebenfalls Beschwerde bei der Datenschutzbehörde einzubringen.
Eine Beschwerde bei der DSK kann formlos und ohne Kosten eingebracht werden. Die DSK muss eine Entscheidung treffen, wenngleich die Geschwindigkeit der Entscheidungen manchmal zu wünschen übrig lässt.
Ein Muster für eine solche Beschwerde an die Datenschutzbehörde findet sich ebenfalls auf der Homepage der ARGE DATEN, allerdings stellt dieses Muster nur auf typische Fälle ab und muss jedenfalls für den Einzelfall adaptiert werden: DSB-Beschwerde bei Weigerung der Löschung von Daten aus der Bildungsdokumentation.
5. Die Beschwerde wird bei der Datenschutzkommission abgelehnt
Selbst wenn die Datenschutzbehörde die Beschwerde ablehnt, kann gegen diesen Bescheid eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.
Für Mitglieder der ARGE DATEN besteht nach einer Einzelfallprüfung die Möglichkeit, sich im weiteren Verfahren vertreten zu lassen.
Keinesfalls irritieren lassen sollte man sich durch ablehnende Stellungnahmen von Schulen, Landesschulräten, der Statistik Austria oder dem Unterrichtsministerium. Diese Stellen haben ein bürokratisch-technisches Interesse, in die Privatsphäre der Bevölkerung einzugreifen und jahrzehntelang die Bürger zu überwachen.
6. Was können Elternvereine tun?
Auch Elternvereinen kommt eine tragende Rolle zu. Die ARGE DATEN kennt Elternvereine, die selbst Boykottmaßnahmen gegen diesen Eingriff in die Privatsphäre organisiert haben. Es sind aber auch jene Organisationen zu respektieren, die nicht aktive Boykottmaßnahmen organisieren wollen. In jedem Fall sollte aber der Elternverein auf die Schuldirektion einwirken und dahin appellieren, dass auf Schüler und Eltern, die in berechtigter Sorge um die Unverletztheit ihrer Privatsphäre sind, kein Druck ausgeübt wird.
Es ist ein rechtsstaatliches Grundprinzip, dass Bedenken zur Verfassungsmässigkeit und der Vereinbarkeit mit EU-Recht bezüglich eines Gesetzes ernst genommen werden sollten. Bis zum Abschluss der Prüfung auf Verfassungsebene und auf europäischer Ebene sollten die Daten nicht erhoben und verwendet werden.
Die ARGE DATEN hat daher einen "offenen Brief" an die Schuldirektionen formuliert, in dem an die Schulleitung appelliert wird, engagierte Eltern und Schüler nicht unter Druck zu setzen und auf die Datenverwendung vorerst zu verzichten: http://ftp.freenet.at/bil/Offenerbrief-bildungsevidenz-schule.doc
7. Wer soll die oben beschriebenen Anträge stellen?
Theoretisch ist es ausreichend, wenn ein betroffener (volljähriger) Schüler oder ein betroffener Elternteil im Alleingang ein Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anstrebt. Möglichst viele Eltern und Schüler sollten jedoch ein Zeichen setzen. Neben den rechtlichen Möglichkeiten, verfassungswidrige Gesetze zu bekämpfen, was sehr lang dauern kann, besteht auch die Chance eines politischen Einlenkens. Je mehr Eltern ein Zeichen setzen, desto rascher wird auch die Politik erkennen, dass dieses Gesetz nicht dem Willen der Bevölkerung entspricht.
In vielen Schulen und Landesschulräten werden die massiven Proteste der Eltern und Schüler sehr genau registriert und es wird versucht, Auswege aus diesem grundrechtswidrigen Gesetz zu finden. Jeder Antrag hilft somit den Fall des Bildungsdokumentationsgesetzes zu beschleunigen.
8. Sollen Eltern/Schüler selbst Anträge stellen?
Alle Anträge können von den Betroffenen selbst durchgeführt werden. Im Rahmen der Rechtshilfe übernimmt jedoch die ARGE DATEN für Mitglieder auch die komplette Vertretung von Eltern und Schülern. Dazu ist eine entsprechende Vollmacht notwendig.
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