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1996/10/22 Waffengesetz und Unterbringungsdaten-Schutzgesetz
Entwurf des Bundesministeriums für Inneres
Die ARGE DATEN gibt zum vorliegenden Gesetzesentwurf die folgende Stellungnahme ab:

1. Ges-Kartei

Die ARGE DATEN begrüßt, daß nun endlich die Absicht besteht, das immense datenschutzrechtliche Problem der sogenannten 'Gesundheits-Karteien', in denen die Polizei vermeintlich Geisteskranke eintrug, zu lösen. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist aber entgegen der Ansicht der Autoren des Entwurfsnicht geeignet, das Problem zu lösen, sondern würde es nur verlagern.


Nach dem Entwurf sollen nun die Daten jener Personen, die von Sicherheitsorganen aufgegriffen und einem Arzt vorgeführt werden, für einige Monate bei dieser Behörde gespeichert werden dürfen. Die Speicherungsdauer der äußerst heiklen Daten wird also von unbegrenzt auf zwei bzw. drei Monateverringert. Diese Daten stehen der Wohnsitzbehörde der betreffenden Person für waffenrechtliche Fragen zur Verfügung (Par. 14 WaffenG). Nur für juristische Tüftler ist erkennbar, daß die Waffenbehörden die Daten zwar verwenden, aber nicht in eigene Evidenzen übernehmen dürfen. Daher würden dieWaffenbehörden in der Praxis oft entgegen der gesetzlichen Regelung schwarze Listen anlegen.


Das sogenannte Unterbringungsdaten-Schutzgesetz (UdSchG) ist so konstruiert, daß die danach gesammelten Unterbringungsdaten nicht nur den Waffenbehörden und den für Munition- und Sprengmittel zuständigen Behörden, sondern bei jeweils sehr kleinen Gesetzesänderungen auch beliebigen anderen Behördenoffenstehen würden. Es gibt bereits Überlegungen, einen entsprechenden Satz in das Kraftfahrgesetz (Führerschein!) aufzunehmen.


Völlig unnötig und daher in jedem Fall verfassungswidrig ist jedenfalls, daß Daten jener Personen, die vom Amtsarzt nicht in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen werden über zwei Monate lang gespeichert werden dürfen (Par.Par. 4 bis 6 UdSchG). Diese Daten dürfen zwar nicht übermittelt, aber fürden 'inneren Dienst' - was auch immer das sein mag - verwendet werden.


Es ist ein Irrtum anzunehmen, daß Personen, die in einer Krankenanstalt oder psychiatrischen Abteilung untergebracht wurden, gefährlicher sind als die übrige Bevölkerung. Die meisten Personen, die nach dem Unterbringungsgesetz zwangsweise in eine solche Anstalt gebracht bzw. dort festgehaltenwerden, sind nicht für andere Menschen gefährlich, sondern werden nur deshalb untergebracht, weil sie sich selbst gefährden würden. Überwiegend handelt es sich um geistesschwache Menschen, die - wären sie nicht eingesperrt - davonlaufen und sich verirren würden. Diesen Personen würde ohnehin niemandeine waffenrechtliche Bewilligung ausstellen oder eine Waffe verkaufen. Sie kämen auch nie auf die Idee, sich eine Waffe zu besorgen und wären auch unfähig, selbständig einen Waffenhändler aufzusuchen. Es ist daher absolut ungerechtfertigt, solche Personen durch die Eintragung in eine entsprechendeEvidenz zu brandmarken.


Auch bei jenen Personen, die wegen Aggressivität untergebracht werden, ist es keinesfalls immer gerechtfertigt, dies zu speichern. Es kommt z. B. häufig vor, daß jemand einige Tage mit Psychopharmaka behandelt wird, deren Nebenwirkungen den Patienten aggressiv machen. Nach dem Abschluß der Therapie,während der der Patient eingesperrt war, ist diese Aggression wieder verschwunden.


Namhafte Psychiater sind der Ansicht, daß es keinen Sinn ergibt, Unterbringungen in einer Evidenz zu speichern: Untergebrachte Personen seien nicht gefährlicher oder ungefährlicher als die Durchschnittsbevölkerung.


Die ARGE DATEN fordert daher, daß die Ges-Karteien ersatzlos gestrichen werden. Weder die bestehenden Ges-Karteien noch die Datenübermittlungen nach dem Gesetzesentwurf würden größere Sicherheit bringen. Daher ist eine Speicherung derart heikler Daten verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.


Der Entwurf zum Unterbringungsdaten-Schutzgesetz und die daraus resultierenden Übermittlungs- und Ermittlungsermächtigungen im Waffengesetz, im Sicherheitspolizeigesetz, im Sprengmittelgesetz und in allfällig anderen Gesetzesvorhaben, wird daher zur Gänze abgelehnt!


2. Zentrale Waffenevidenz


In Par. 55 des Waffengesetzes (Entwurf) ist eine zentrale waffenrechtliche Informationssammlung vorgesehen, in der die zuständigen Behörden Informationen über jene Personen speichern dürfen, die waffenrechtliche Bewilligungen haben bzw. Waffen besitzen.


Nach dieser Bestimmung (die es auch im bisherigen Waffengesetz schon gab) 'darf' die Behörde Daten speichern, muß es aber nicht. Es existiert daher in Österreich keine Evidenz, aus der verläßlich erkennbar wäre, ob zum Beispiel einer bestimmte Person einmal ein Waffenpaß ausgestellt wurde oder obeine bestimmte Person einmal einen Waffenkauf der Behörde gemeldet hat.


Das Gesetz stellt es der Behörde frei, waffenrechtliche Daten in die zentrale Informationssammlung einzutragen oder nicht. Das widerspricht dem verfassungsrechtlichen Legalitätsprinzip. Es ist auch datenschutzrechtlich verfassungswidrig, eine Datenverarbeitung einzurichten, in die je nach Laune derBehörde etwas eingetragen wird oder auch nicht. Entweder der Gesetzgeber hält es für notwendig, bestimmte Daten zu speichern - dann hat er die Speicherung vorzuschreiben. Oder die Speicherung ist nicht notwendig - dann darf sie auch nicht durchgeführt werden.


Die ARGE DATEN hält die Errichtung einer zentralen Evidenz, in der alle Waffenbesitzer bzw. alle Personen, denen eine waffenrechtliche Bewilligung erteilt wurde, gespeichert werden, für datenschutzrechtlich zulässig.


Eine derartige Evidenz wäre jedenfalls sinnvoller als die Speicherung von untergebrachten Personen, da von Waffenbesitzern im Hinblick auf den Mißbrauch von Schußwaffen jedenfalls eine größere Gefahr ausgeht als von Personen, die geistesschwach sind, aber überhaupt keine Waffe haben. Es ist nichtdas Hauptziel des Datenschutzes, über möglichst wenige Personen Daten zu speichern. Daher ist es sinnvoller, über eine eher große Personenzahl eher harmlose, aber aussagekräftige und für die Verwaltung zweckmäßige Daten ('Waffenbesitzer', 'Waffenpaß wurde ausgestellt', ...) zu speichern, als übereine kleinere Personengruppe sehr diskriminierende Gesundheitsdaten.


Wenn eine halbwegs vollständige Evidenz der Waffenbesitzer existierte, dann würde es auch Sinn ergeben, bei Personen, deren Aggressivität oder Geistesschwäche im Zuge einer Amtshandlung aufgefallen ist, in der Evidenz nachzusehen. Wenn die betreffende Person darin registriert ist, dann wäre indiesem Fall die zuständige Waffenbehörde zu verständigen. Diese hätte dann ein entsprechendes Verfahren (Waffenverbot, Entziehung von Waffen oder waffenrechtlicher Bewilligungen) einzuleiten, wobei dem Betreffenden natürlich die üblichen rechtsstaatlichen Garantien wie Parteiengehör undBerufungsrecht offenstehen müßten.


Die Arge Daten schlägt daher folgendes Modell vor, das als datenschutzrechtlich akzeptabel anzusehen wäre:


- Es soll eine Evidenz eingerichtet werden, in der waffenrechtliche Bewilligungen und Waffenbesitz gespeichert werden.


- Wenn eine Person vom Amtsarzt in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen wird, dann sieht die Behörde, die die Einweisung veranlaßt hat, in der Waffenevidenz nach, ob diese Person Waffen besitzt bzw. besitzen darf. Wenn dies der Fall ist, wird der waffenrechtlich zuständigen Sicherheitsbehördeeine entsprechende Meldung erstattet. Diese hat dann ein Waffenverbot auszusprechen bzw. eine Überprüfung der Verläßlichkeit zu veranlassen.


- In derselben Weise soll die waffenrechtlich zuständige Behörde verständigt werden, wenn gegen eine in der Waffenevidenz eingetragene Person ein Strafverfahren wegen eines Vorsatzdelikts eingeleitet wird.


- Ergibt eine amtsärztliche Diagnose keine Gefährung Dritter oder ist der Betroffene nicht im Besitz von Waffen oder waffenrechtlicher Dokumente, dann werden keinerlei Aufzeichnungen angefertigt und keine Daten übermittelt. Die bisherigen Ges-Karteien sind ersatzlos aufzulösen.


Dieses Modell hat gegenüber dem vorgelegten Entwurf drei Vorteile:


- Sensible Daten werden nicht mehr auf Vorrat gesammelt - auch nicht für einige Monate.


- Übermittlungen finden nur dann statt, wenn sie tatsächlich notwendig sind.


- Die Übermittlungen finden ohne unnötige Zeitverzögerung statt.


3. Speicherung 'gefährlicher Angriffe'


In Artikel IV des Entwurfs wird vorgeschlagen, in der Zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden auch 'gefährliche Angriffe' zu speichern wenn zu befürchten ist, der Betroffene würde im Falle einer ihn gerichteten Amtshandlung einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit oderFreiheit begehen. Im Zusammenhang mit dieser Datenverarbeitung dürfen auch Unterbringungsdaten gespeichert werden.


Die ARGE DATEN sieht die Gefahr, daß die Ges-Kartei damit quasi über die Hintertür wieder eingeführt wird. Als 'gefährlicher Angriff' wird vom Sicherheitspolizeigesetz (Par. 16) jedes Vorsatzdelikt verstanden. Das bedeutet, daß bei jedem Geistesschwachen, der z. B. irgendjemanden gekratzt oderbeleidigt hat und der anschließend in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht wurde, dieser Umstand jahrelang in einer von allen Sicherheitsbehörden abrufbaren Datenbank gespeichert werden dürfte.


Wir verstehen das Interesse, Polizisten vor Personen zu warnen, die bereits einmal gewalttätig geworden sind, halten aber die gewählte Formulierung des Gesetzesentwurfs für zu weitgehend. Wir regen daher eine Neuformulierung an:


- Nicht jeder gefährliche Angriff (=jede Straftat), sondern nur einer, der gegen Sicherheitsorgane im Zuge einer Amtshandlung unternommen wurde, soll gespeichert werden dürfen.


- Die Verarbeitung von Unterbringungsdaten in diesem Zusammenhang (Par. 53 Abs 2 SPG) ist entbehrlich. Es ist nicht relevant, ob der Betreffende anschließend in eine Anstalt eingewiesen wird. Ausschlaggebend darf lediglich der Angriff selbst sein, mag er nun durch eine psychische Krankheit oderdurch Aggression verursacht worden sein.


- Der Betroffene soll von der Speicherung verständigt werden (die bloße Auskunftsmöglichkeit ist zu schwach), damit er eine allfällige Richtigstellung verlangen bzw. Beschwerde an die Datenschutzkommission erheben kann.


4. Information über Waffenverbote


Par. 56 ermächtigt den Innenminister, alle einschlägigen Gewerbetreibenden regelmäßig über alle erlassenen Waffenverbote zu informieren. Diese Bestimmung führt dazu, daß eine große Zahl von Personen Zugang zu sehr heiklen Daten erhält und stellt daher ein datenschutzrechtliches Problem dar. Zubedenken ist in diesem Zusammenhang auch, daß nach der Konstruktion der Par.Par. 12 und 13 WaffenG auch Waffenverbote über Personen erlassen werden können, die zwar eine Geisteskrankheit haben, aber niemals im Besitz von Waffen waren und auch niemals Waffen besitzen wollten.


Die ARGE DATEN schlägt daher vor, daß keine 'Datenvorräte' bei den Waffenhändlern angelegt werden sollen, sondern daß jemand, der Waffen kaufen will, dem Waffenhändler eine aktuelle Bestätigung der Sicherheitsbehörde vorlegen muß, daß gegen ihn kein Waffenverbot vorliegt. Dieses Modell entsprichtden von vielen Stellen verlangten Strafregisterauszügen und hat auch den Vorteil, daß die Information aktueller ist.


Wenn diesem Vorschlag nicht gefolgt wird, sollte wenigstens dafür gesorgt werden, daß die Informationen von den Gewerbetreibenden nicht weitergegeben werden. Auf die Gewerbetreibenden sollte daher durch eine Gleichstellung mit Beamten die Strafbestimmung des Par. 310 StGB (Verletzung desAmtsgeheimnisses) anwendbar gemacht werden. Der vorliegende Entwurf sieht bloß eine Verwaltungsstrafe von bis zu 5000 S vor (Par. 51 Abs 2).


5. Meldepflichten


Die in den Par.Par. 42 und 43 des Entwurfs vorgesehenen Bestimmungen über das Finden bzw. Erben von Waffen sind viel zu kompliziert. Werden Waffen gefunden, so ist dies einer Sicherheitsbehörde oder Sicherheitsdienststelle anzuzeigen. Handelt es sich hingegen um Kriegsmaterial, so ist eineSicherheits- oder Militärdienststelle (nicht aber eine Sicherheitsbehörde) zu verständigen. Das Erben von Waffen ist 'der Behörde' (nicht aber einer Sicherheitsdienststelle), das Erben von Kriegsmaterial der nächsten (!) Militär- oder Sicherheitsdienststelle (nicht aber der Sicherheitsbehörde)anzuzeigen.


Die Einhaltung dieser - mit Strafe bedrohten - Bestimmungen erfordert also vom Laien profunde Kenntnisse der Abgrenzung zwischen gewöhnlichen Waffen und Kriegsmaterial sowie der Organisation der österreichischen Sicherheitsverwaltung.


Diese Bestimmungen sollten daher dahingehend vereinfacht werden, daß jeweils eine Sicherheitsbehörde, eine Sicherheitsdienststelle oder eine Militärdienststelle verständigt werden können. Die weitere Vorgangsweise soll dann zwischen diesen Behörden akkordiert werden.


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