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1991/10/01 Meldegesetz 1991
(Entwurf des Bundesministerium für Inneres)
Arge Daten Gesetzesbegutachtung Grundsätzliches:

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Grundsätzliches:


1. Der ARGE DATEN erscheint die Notwendigkeit einer Meldeevidenz im Ganzen als zweifelhaft. Es gibt eine Reihe von zweckbezogenen Personendatenbeständen, wie die Wählerevidenz, die Staatsbürgerschaftsevidenz, die Personenstandsevidenz, die Haushaltslisten, das EKIS (inkl. Kraftfahrer), dasStrafregister und die Daten der Sozialversicherungen. Diese wurden für die jeweiligen Aufgabenbereiche Geschaffen. In anderen entwickelten Industrienationen, wie die USA ist daher eine eigene Meldeevidenz entbehrlich.


2. So wünschenswert es für die Verwaltung gelegentlich sein mag, Menschen 'möglichst leicht und sicher' auffinden zu können, so illusorisch ist dieses Ziel. Zur Sicherstellung der postalischen Erreichbarkeit würde es genügen, pro Bürger nur eine Adresse zu erfassen. Aber die Verpflichtung, sich anjeder Adresse, an der man sich regelmäßig aufhält, anzumelden, stellt eine unnötige Überwachung dar und entspricht nicht den Wünschen der Bevölkerung. Die Bereitschaft zur genauen Erfüllung der Meldepflicht wird auch bei der Einführung von zusätzlichen Kontrollen nicht steigen. Die Kontrollen (z. B.Unterschrift des Unterkunftgebers) stellen hingegen unnötige Schikanen dar.


3. Im Visier der Kontrollen scheinen weniger die Österreicher zu stehen, die sich z.B. am Wohnsitz ihrer Lebensgefährtin nicht anmelden, als vielmehr Ausländer, die 'illegal', also 'ohne der Meldepflicht zu genügen' auf dem 'Schwarzwohnungsmarkt' eine Wohnung mieten (Zitate aus den Erläuterungen zumGesetzestext). Illegal sind dabei allerdings vor allem die weit überhöhten Mieten, die verlangten Ablösen und weniger das Nichtausfüllen von Melde-Formularen. Das Problem entsteht also weniger durch die Nichtbeachtung des Melderechts als durch das Versagen einer geeigneten Wohnungs- undIntegrationspolitik. Diese Problme werden sich durch Verschärfungen im Melderecht weiterhin nicht lösen lassen.


4. Die wachsende Verwendung der EDV bei der Führung der Melderegister und die Vernetzung der Daten mit anderen Evidenzen führt zu einer immer stärkeren Überwachung der Bürger. Darin liegt eine potentielle Gefahr. Die Verwendung der Meldedaten ist im Gesetz kaum eingeschränkt. Ebensowenig istgeregelt, welche Behörden die Meldedaten im Direktzugriff über Terminals abrufen können. Dadurch bleibt Mißbrauch möglich.


5. Die ARGE DATEN verweist mit Nachdruck auf die Bestimmungen des Art. 8 MRK und des Par. 1 DSG, wonach alle Eingriffe in die Grundrechte auf Privatleben und Datenschutz nur statthaft, soweit sie in einer demokratischen Gesellschaft für bestimmte Ziele notwendig und gesetzlich vorgesehen sind.Daraus folgt auch, daß diese Gesetze entsprechend klar formuliert sind und keine Generalermächtigungen enthalten, sondern die Eingriffe vielmehr klar und eindeutig auf das Notwendigste beschränken. Genau diese Zweckwidmung fehlt der vorgestellten Meldeevidenz.


Besondere Kritikpunkte:


1. Zentrales Melderegister:


Liest man die Erläuterungen zum Gesetzestext, so ist erkennbar, daß das zentrale Melderegister reiner Selbstzweck ist. Nicht einmal die zuständigen Ressortbeamten wissen, wozu solch ein Register notwendig sein soll. Damit ist es höchste Zeit, den Paragraphen ersatzlos zu streichen. Abgesehen von derenormen Überwachungsfunktion einer solchen Evidenz ist es eine Verschwendung, wenn Millionenbeträge für ein zentrales Melderegister ausgegeben werden, das niemand braucht. Diese Zentrale Meldeevidenz widerspricht eindeutig auch den Zweckbestimmungsanforderungen des DSG.


2. Wanderungsstatistik:


Zur Erstellung einer Wanderungsstatistik ist es nicht notwendig, Meldezettelkopien (!) an das Österreichische Statistische Zentralamt zu übermitteln. Interessant an einer Wanderungsstatistik ist, wieviele Personen von Ort A nach Ort B übersiedeln. Keineswegs interessant sind die genauen Adressen,der Name oder das genaue Geburtsdatum einer übersiedelnden Person. Die geplante Übermittlung von Meldezettelkopien an das Statistische Zentralamt stellt daher einen unnötigen Eingriff in das Recht auf Privatleben dar, der eben wegen seiner Unnötigkeit wohl nicht verfassungskonform ist.


Im Erkenntnis G 245-250,268-275/89 vom 30.11.1989 hat der VfGH außerdem sinngemäß festgestellt, daß das Grundrecht auf Datenschutz (Datengeheimnis) 'durch den Gesetzgeber selbst (und nicht etwa nur im Wege einer Verordnung)' geschützt werden muß. Zu bedenken ist ferner, daß bei der Übermittlung vongenauer Adresse und Geburtsdatum (auch ohne Übermittlung des Namens) eine Verknüpfung der Meldedaten mit den Volkszählungsdaten möglich wird. Nach der geltenden Rechtslage wäre diese Verknüpfung sogar zulässig. Die Volkszählung wäre dann keine Stichprobe mehr, sondern es entstünde einBevölkerungsregister, in dem Daten zur Haushaltsstruktur und damit auch zu den Familienverhältnissen ständig auf dem neuesten Stand wären.


3. Fahndungs- und Personenhinweise:


Die Blankoerlaubnis, Hinweise auf beliebige Verwaltungsverfahren im Melderegister zu verarbeiten, ist unnötig und kann zu Mißbrauch führen (Tratsch). Verweise auf Verfahren sollten sich daher auf Strafverfahren oder Fahndungshinweise beschränken. Die Betroffenen müssen jedenfalls die Möglichkeithaben, von solchen Hinweisen zu erfahren und allenfalls ihre Löschung oder Richtigstellung zu beantragen.


4. Übermittlungen an Behörden:


Das Gesetz enthält praktisch keine Regelung der Übermittlungen und der Verwendung der Meldedaten. Es stellt daher eine uneingeschränkte Erlaubnis zur beliebigen Verwendung und Übermittlung im Rahmen der 'Amtshilfe' dar. Besonders mangelhaft ist, daß nicht geregelt ist, welche Behörden - falls dieMeldedaten automationsunterstützt verarbeitet werden - Direktzugriff mittels Terminal bekommen können.


Da die Möglichkeit des Mißbrauchs durch die Verwendung der EDV stark steigt, ist es unbedingt erforderlich, auch entsprechende Gegenmaßnahmen zu setzen. Steigt die Anzahl der Terminals, über die Meldedaten abgerufen werden können, so steigt automatisch auch die Zahl der Mißbrauchsmöglichkeiten (z.B. Abruf von Daten aus privatem Interesse). Eine mögliche Gegenmaßnahme ist die Aufzeichnung aller Abfragen und die Mitteilung der datenabfragenden Stelle und des Zwecks der Abfrage an die betroffenen Personen.


5. Hauseigentümer:


Es ist aus demokratischer Sicht unakzeptabel, daß der Hauseigentümer zu einer Person gemacht werden soll, die einerseits die Bewohner des Hauses - unter Strafsanktion - überwachen muß, andererseits auch alle Personen im Haus überwachen darf (indem sie das Recht auf Auskunft darüber bekommt, wer inihrem Haus gemeldet ist, Par. 19 Entwurf). Ebenso wie es das Recht jedes Menschen ist, in seiner Wohnung Besuche zu empfangen, muß es auch das Recht jedes Menschen sein, jemanden über längere Zeit zu beherbergen, ohne daß der Hauseigentümer dies weiß. Eine Übermittlung von Meldedaten an denHauseigentümer ist unnötig und eröffnet ihm Möglichkeiten zum Mißbrauch, etwa die einer 'vorbeugenden' Kündigung, um die Entstehung gewisser Ansprüche wie der Übertragung des Mietvertrags an Verwandte zu verhindern.


6. Fristen:


Es ist nicht verständlich, warum für die An- und Abmeldung Fristen von drei Tagen notwendig sind. Das Melderegister muß nicht 'täglich' auf dem allerneuesten Stand sein, denn der Durchschnittsbürger übersiedelt höchstens alle paar Jahre einmal. Vor allem im Hinblick auf die Pflicht desUnterkunftgebers, den Meldezettel zu unterschreiben, scheint die Frist kaum einhaltbar zu sein.


7. Fremdenpolizeiliche Zwecke:


Die Übermittlung von Meldedaten fremder Personen an die Behörden der Fremdenpolizei (Bundespolizeidirektionen, Par. 19), etwa um Touristen, die nach 3 Monaten Aufenthalt aufs Ausreisen vergessen, erinnern zu können, ist unnötig und widerspricht daher ebenfalls dem Prinzip, Datenübermittlungen aufdas unbedingt Notwendige zu beschränken. Letztlich enthält diese pauschale Übermittlungsmöglichkeit den pauschalen Verdacht, daß alle Fremden in Österreich kriminelle oder zumindest illegale Ziele verfolgen.


9. Besondere Evidenzen:


Die in Par. 2 enthaltenen Ausnahmen stellen unnötige Sonderregelungen dar und können auch Nachteile haben. Z. B. kann die Betreuung von Asylwerbern erschwert werden, wenn Hilfsorganisationen nach einer kurzfristigen Zwangsübersiedlung ihre Klienten nicht mehr finden können.





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