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1993/09/28 Hauptwohnsitzgesetz und Novelle des B-VG
(Entwürfe des Bundesministeriums für Inneres und des Bundeskanzleramtes)
Arge Daten Gesetzesbegutachtung Die ARGE DATEN gibt zu den vorliegenden Entwürfen die folgende Stellungnahme ab(einige Quellenhinweise sind verborgen f...

Die ARGE DATEN gibt zu den vorliegenden Entwürfen die folgende Stellungnahme ab (einige Quellenhinweise sind verborgen formatiert, werden nicht gedruckt):


1. Religionsbekenntnis


Daß der Staat den Kirchen mit den Haushaltslisten sozusagen die Mitgliederverwaltung abgenommen hat, war oft Anlaß für Beschwerden der Betroffenen. Die Datenschutzkommission hat dabei mehrmals Verletzungen des Datenschutzgesetzes festgestellt. Nun werden die Haushaltslisten endlich abgeschafft, aberdas Religionsbekenntnis soll auf dem Meldezettel angegeben werden müssen. Dadurch entstehen noch viel größere Datenschutzprobleme:


Der Meldezettel hat eine ähnliche Funktion wie ein Ausweis. Er muß vielen Menschen vorgewiesen werden - vor allem bei Behörden, aber auch dem Vermieter. Ist das Religionsbekenntnis darauf angegeben, so ist dies ein schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit. Wer einer seltenen oder in manchenBevölkerungsgruppen angefeindeten Religion angehört, kann dann Angst davor haben, seinen Meldezettel vorzuweisen.


Für die Neuregelung kann andererseits kein plausibler Grund angegeben werden. Es gibt von staatlicher Seite überhaupt kein Interesse an der Erfassung des Religionsbekenntnissen und das Interesse der Kirchen überwiegt das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen sicherlich nicht. Eben das verlangenaber Art. 8 Abs. 2 MRK und Par. 1 Abs. 2 DSG von einem Eingriff in das Recht auf Privatleben bzw. auf Datenschutz. Die ARGE DATEN hat daher starke verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Regelung.


Das Religionsbekenntnis gehört datenschutzrechtlich zu den besonders schutzwürdigen Daten. Im Europaratsabkommen zum Datenschutz (BGBl. 317/1988) hat sich Österreich deshalb verpflichtet (Art. 6) solche Daten nur automationsunterstützt zu verarbeiten, wenn ein besonderer rechtlicher Schutz dafürvorgesehen ist. Die geplante EG-Richtlinie zum Datenschutz würde die Speicherung des Religionsbekenntnisses überhaupt nur 'aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses' zulassen (Art. 16 in 90/C 277/03 - SYN 287).


Kürzlich hat das Europäische Parlament die Praxis Griechenlands verurteilt, das Religionsbekenntnis auf dem Personalausweis anzuführen. Das EP meinte dazu, 'daß die obligatorische Eintragung der Religionszugehörigkeit in die Personalpapiere die in der Internationalen Menschenrechtscharta und in derEuropäischen Menschenrechtskonvention verankerten persönlichen Grundfreiheiten beeinträchtigt.' (EuGRZ 1993, S. 228). Man kann also davon ausgehen, daß die verpflichtende Angabe des Religionsbekenntnisses auf dem Meldezettel nicht dem EG-Menschenrechtsstandard entspricht.


Verschärft wird dies noch durch die folgenden Umstände:


* Die falsche oder fehlende Angabe des Religionsbekenntnisses ist zwar nicht strafbar, man ist aber dennoch zur korrekten Angabe verpflichtet. Auf dem Meldezettel wird in keiner Weise darauf hingewiesen, daß diese Verpflichtung sanktionslos ist.


* Angesichts der bisherigen datenschutzrechtlichen Mißstände beim Vollzug des Auskunftserteilung aus den Haushaltslisten kann davon ausgegangen werden, daß bei weitem nicht alle Gemeinden korrekt mit dem heiklen Datum Religionsbekenntnis umgehen werden. Vielmehr sind zahlreiche Verletzungen desGesetzes zu erwarten, etwa die Weitergabe des Religionsbekenntnisses im Rahmen von Meldeauskünften.


* Das Religionsbekenntnis wird zu den Meldedaten gezählt (Par. 1 Abs. 5) und wie diese automationsunterstützt gespeichert - auch im Zentralen Melderegister (Par. 16 Abs. 1). Es kann somit auch als Basis für eine Verknüpfungsanfrage dienen. Das heißt, daß unter Umständen auch nach allen Juden bzw.allen Moslems einer Region gesucht werden kann und eine solche Abfrage sogar zulässig ist.


Die ARGE DATEN regt daher dringend an, auf die beabsichtigte Aufnahme des Religionsbekenntnisses auf den Meldezettel zu verzichten. Es kann den Kirchen durchaus zugemutet werden, ihre Mitglieder selbst zu verwalten, so wie es alle anderen Vereine auch machen.


2. Zentrales Melderegister


Die ARGE DATEN bezweifelt die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit eines Zentralen Melderegisters. Es ist keineswegs so, daß die Einführung des Hauptwohnsitzbegriffes ein solches Register erfordert. Will man verhindern, daß jemand seinen Wohnsitz in mehreren Gemeinden als Hauptwohnsitz deklariert, soist das Zentrale Melderegister dafür jedenfalls ein untaugliches Mittel. Man muß eher durch sorgfältige Gestaltung der Meldezettel und Aufklärung der Bevölkerung dafür sorgen, daß solche Doppelmeldungen nicht versehentlich erfolgen.


Wer mit Absicht an mehreren Orten einen Hauptwohnsitz begründen will, wird daran auch nicht durch das Zentrale Melderegister gehindert werden können. Daher ist es notwendig, daß es möglichst wenig Anreize für absichtliche Doppelmeldungen gibt. Vor allem sollte das Wahlrecht zu den Landtagen undGemeinderäten auch Personen offenstehen, die in diesem Land/in dieser Gemeinde keinen Haupt-, sondern bloß einen gewöhnlichen Wohnsitz haben.


Die Vorstellung, daß man Doppelmeldungen durch einen elektronischen Abgleich (mag er auch einen dreistelligen Millionenbetrag kosten - Kostenabschätzung am Vorblatt) herausfiltern könne, ist gelinde gesagt naiv. Dazu ist die Anzahl der Menschen, die einen häufigen Namen haben, und die Anzahl derKarteileichen zu groß. Schon gar nicht kann 'mit Sicherheit' festgestellt werden, ob jemand nur einen Hauptwohnsitz hat, wie dies in den Erläuterungen (S. 5) behauptet wird.


Das Zentrale Melderegister kann daher als eine sehr teure, ineffiziente und unnötige Einrichtung angesehen werden. Die ARGE DATEN regt an, darauf zu verzichten (die Par.Par. 16 und 18 Abs. 6 sollten ersatzlos gestrichen werden, Par. 20 Abs. 3 sollte nicht novelliert werden). Stattdessen sollte bloßvorgesehen werden, daß die Gemeinden (z. B. jährlich) die Gesamtzahl ihrer Hauptwohnsitze an das Innenministerium melden. Diese Statistik könnte dann statt der bisherigen Volkszählung als Grundlage für Mandatsverteilungen und Finanzausgleich herangezogen werden (siehe unten unter 6.).


3. Reklamationsverfahren


Das in Par. 17 vorgesehene Reklamationsverfahren ist wie das Zentrale Melderegister ein übertriebener bürokratischer Aufwand. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Volkszählung (226.000 unklare Wohnsitze - Quelle: Kurier, 24.04.1993, beim alten Meldegesetz abgelegt) muß davon ausgegangen werden, daßes mindestens 22.000 Reklamationsfälle im Jahr geben wird - nicht bloß 5.000, wie in den Erläuterungen zum Gesetz angenommen (am Vorblatt). Der Personalbedarf beim Österreichischen Statistischen Zentralamt dürfte daher eher 22 als 5 Bedienstete umfassen. Unter Umständen liegt die Zahl derReklamationsfälle pro Jahr noch höher, da es ja durchaus denkbar ist, daß ein Bürgermeister innerhalb weniger Jahre dieselbe Person mehrmals reklamiert.


Die ARGE DATEN begrüßt, daß an sich jeder selbst entscheiden kann, welcher Wohnsitz sein Hauptwohnsitz sei (Par. 1 Abs. 4). Dem steht jedoch die Möglichkeit des Reklamationsverfahrens entgegen. Die ARGE DATEN sieht dabei mehrere Probleme:


* Ein solches Verfahren kann jederzeit ohne Begründung eingeleitet werden - für den Betroffenen aus heiterem Himmel. Gerade für jene, für die das Gesetz gemacht wird - die Personen mit mehreren Wohnsitzen, ist aus dem Gesetz überhaupt nicht erkennbar, nach welchen Kriterien der Landeshauptmannentscheiden wird. Das kann für die private Lebensplanung (z. B. Hausbau in einem Gebiet, in dem nur Hauptwohnsitze zulässig sind) ein einschneidendes Risiko bedeuten.


* Umgekehrt können aus eben diesem Grund die Länder keine strengen Gesetze gegen die übermäßige Errichtung von Ferienwohnsitzen erlassen - Strafen sind verfassungswidrig, wenn für den Bestraften die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens nicht vorhersehbar war.


* Die Zuständigkeit der Landeshauptleute und die Konstruktion des Verfahrens läßt es möglich werden, daß einer Person mit zwei ordentlichen Wohnsitzen in beiden Bundesländern die Hauptwohnsitzeigenschaft aberkannt wird, ...


* oder daß beide Landeshauptleute (z. B. Niederösterreichs und Wien) im Streit um den Finanzausgleich zu 'ihrer' Gemeinde halten und die Hauptwohnsitzeigenschaft bejahen (das Gesetz sieht keine Bindungswirkung der Bescheide vor).


* In Wien sind Bürgermeister und Landeshauptmann eine Person. Der Bürgermeister Zilk reklamiert dann Studenten und Pendler für sich, der Landeshauptmann Zilk muß darüber entscheiden.


* Das Gesetz sieht keine zeitliche Begrenzung der Gültigkeit der Bescheide vor. Das heißt, daß völlig unbestimmt ist, wann ein neuerliches Reklamationsverfahren durchgeführt werden kann. Normalerweise gelten Bescheide nach Par. 68 Abs. 1 AVG nämlich unbegrenzt. Das heißt, daß Änderungen nur über einWiederaufnahmeverfahren (mit geringerem Rechtsschutz für alle Parteien) geltend gemacht werden können.


Die ARGE DATEN schlägt daher vor, daß jeder seinen Hauptwohnsitz grundsätzlich frei wählen kann. Die Hauptwohnsitzeigenschaft soll nur dann aberkannt werden können, wenn der Betroffene überhaupt keinen Anknüpfungspunkt zu diesem Wohnsitz vorweisen kann.


Ein solcher 'Anknüpfungspunkt' liegt dann vor, wenn der Betroffene


* sich an diesem Wohnsitz tatsächlich mindestens vier Monate im Jahr aufhält oder


* wenn der Wohnsitz sein einziger fixer Bezugspunkt ist (z. B. bei einem LKW-Fahrer, der tatsächlich nur wenige Wochen im Jahr zuhause ist) oder wenn der Betroffene


* an diesem Wohnsitz mit einer Person im gemeinsamen Haushalt lebt, die dort ihren Hauptwohnsitz hat, oder


* von diesem Wohnsitz aus einer Erwerbstätigkeit nachgeht, einen Kindergarten oder eine Schule besucht oder studiert oder


* als EWR-Ausländer an diesem Wohnsitz sein Recht auf Niederlassungsfreiheit, Dienstleistungsfreiheit oder Arbeitnehmerfreizügigkeit wahrnimmt.


Die Liste dieser 'Anknüpfungspunkte' sollte im Gesetz angeführt werden, damit sich jeder darauf verlassen kann.


In Zeiten größer werdender Mobilität gibt es immer mehr Menschen, die sich mehreren Orten zugehörig fühlen. Z. B. Burgenländer, die unter der Woche in Wien arbeiten, am Wochenende aber bei der Familie im Burgenland leben. Oder Studenten, die sich am Studienort Graz und in ihrem Kärntner Heimatortnahezu gleich zuhause fühlen. Oder auch Pensionisten, die im Sommer im Salzkammergut, im Winter aber in Wien leben.


Es ist unwürdig und unnötig, wenn der Staat versucht, von solchen Menschen 'objektiv' festzustellen, wo denn nun tatsächlich der 'Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen' liegt - mit detaillierten und persönlichen Fragen bis hin zu den 'kulturellen, sportlichen, sozialen und politischen Betätigungen' wiesie bei der letzten Volkszählung gestellt wurden. Hat jemand wie in den erwähnten Beispielen an mehreren Orten einen Anknüpfungspunkt, so soll ihm die Entscheidung überlassen bleiben, wo er seinen Hauptwohnsitz hat.


Dies entspricht auch dem Sinn des in der Verfassung verankerten Grundrechts auf freie Wahl des Wohnsitzes (Art. 6 StGG und Art. 2 Abs. 1 4 ZP zur EMRK).


Ein öffentliches Interesse an der Aberkennung der Hauptwohnsitzeigenschaft besteht nur dann, wenn jemand einen Wohnsitz als Hauptwohnsitz deklariert ohne dort irgendeinen Anknüpfungspunkt im obigen Sinn zu haben - um z. B. Wohnbauförderung zu erhalten oder ein Baugrundstück erwerben zu dürfen, aufdem die Errichtung eines Ferienwohnsitzes unzulässig ist. Daher sollte die Hauptwohnsitzeigenschaft auch nur überprüft werden, wenn ein solches öffentliches Interesse besteht.


Das Reklamationsverfahren soll also (das soll im Gesetz ausdrücklich klargestellt werden) nur durchgeführt werden, wenn ein konkretes, in einem anderen Gesetz erwähntes öffentliches Interesse an der Feststellung der Hauptwohnsitzeigenschaft besteht - oder wenn sich herausstellt, daß jemand mehrereWohnsitze als Hauptwohnsitze deklariert hat. (Dann soll der Betreffende aufgefordert werden, sich für einen zu entscheiden.)


Eine solche Regelung hätte auch den Vorteil, daß Reklamationsverfahren nur dann durchgeführt werden, wenn sie für einen bestimmten Zweck erforderlich sind. Der Anreiz für Gemeinden, alle fraglichen Personen im Hinblick auf den Finanzausgleich für sich zu reklamieren (Kosten und Aufwand desVerfahrens trägt ja der Landeshauptmann, zu viele Reklamationen können der Gemeinde also nicht schaden), würde damit wegfallen. Innerhalb des Reklamationsverfahrens müßte nicht mehr eine aufwendige und datenschutzrechtlich bedenkliche Gesamtschau über die Lebenssituation des Betroffenen durchgeführtwerden, sondern nur mehr festgestellt werden, ob irgendein Anknüpfungspunkt vorliegt.


Es würden also nach unserem Vorschlag deutlich weniger Reklamationsverfahren durchgeführt. Diese wären auch weniger aufwendig und datenschutzrechtlich weniger problematisch. Auf die Mitwirkung des Österreichischen Statistischen Zentralamts könnte verzichtet werden.


Par. 15 Abs. 5 sollte auf jeden Fall gestrichen werden. Diese Bestimmung sieht vor, daß die Bundespolizeidirektionen bei Verdacht dem Bürgermeister mitteilen sollen, daß jemand in dieser Gemeinde möglicherweise doch keinen Hauptwohnsitz hat. Weder dem geplanten Gesetzestext noch den Erläuterungendazu kann ein Hinweis darauf entnommen werden, was sich die Autoren des Entwurfs unter einem solchen 'Verdacht' vorstellen. Die genannte Bestimmung kann daher nur als Aufforderung zur Vernaderung aufgefaßt werden. Im Rahmen der Verwaltung sollen (soweit es nicht die Strafrechtspflege betrifft) nichtVerdächtigungen, sondern bloß objektive Sachverhalte weitergegeben werden dürfen. Geht es den Autoren des Entwurfs nur darum, daß der Bürgermeister davon erfährt, wenn einer seiner Gemeindebürger sich auch in einer anderen Gemeinde anmeldet, dann sollen sie auch bloß das ins Gesetz schreiben.


Die ARGE DATEN regt daher an, Par. 15 Abs. 5 ersatzlos zu streichen.


4. Verknüpfungsanfragen bzw. Rasterfahndung


Par. 16 Abs. 1 sieht vor, daß für Zwecke der Sicherheitspolizei und der Strafrechtspflege Daten aus dem Zentralen Melderegister auch nach anderen Kriterien als dem Namen abgefragt werden dürfen. In Par. 20 Abs. 3 soll dies über die Strafrechtspflege hinaus für alle Zwecke an alle Organe derGebietskörperschaften (also an fast alle Beamten) zulässig sein. Dies ist ein schwerer und durch nichts gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz.


Das Problem bei solchen meist Rasterfahndung genannten Computerabfragen besteht darin, daß sie für die Polizei vor allem dann interessant sind, wenn die Anhaltspunkte äußerst schwach sind und herkömmliche Ermittlungsmethoden keine Ergebnisse bringen (z. B.: Man weiß vom Täter nur das Geschlecht unddas ungefähre Alter.) Eine Computerabfrage ('Welche 30-35jährigen Männer leben im 10. Bezirk?') verdächtigt dann eine große Zahl von völlig unschuldigen Menschen, deren Pech darin besteht, daß sie zufällig irgendein computerrelevantes Merkmal mit dem Täter gemeinsam haben.


Welche Daten in den Computer eingegeben werden ist dabei völlig der Willkür der ermittelnden Beamten überlassen. So hat z. B. die Wiener Polizei im Jahr 1989, als nach zwei aufsehenerregenden Morden im Süden Wiens keine Hinweise auf den Täter vorlagen, die männlichen, gehfähigen Sozialhilfeempfängeraus der Umgebung des Verbrechers überprüft. Eine pauschale Verdächtigung, die keinen Erfolg hatte: die Verbrechen sind bis heute nicht geklärt.


Es besteht die Gefahr, daß Behörden in schwierigen Fällen leichtfertig eine große Zahl von 'Verdächtigen' überprüfen, in der Hoffnung, daß an irgendjemandem schon etwas hängen bleiben wird.


In der BRD wurde Rasterfahndung nur im Zusammenhang mit dem RAF-Terrorismus diskutiert. Nur ein so großes Problem ließ den Einsatz computerisierter Pauschalverdächtigung gerechtfertigt erscheinen. Österreich ist vom Terrorismus verschont geblieben und sollte auch wegen geringerer Probleme nichtgrobe Beeinträchtigungen der Privatsphäre und der Unschuldsvermutung in Kauf nehmen.


Besonders bedenklich an den geplanten Verknüpfungsanfragen ist,


* daß auch nach dem Religionsbekenntnis oder der Staatsbürgerschaft abgefragt werden kann,


* daß Verknüpfungsanfragen von allen Organen der Gebietskörperschaften durchgeführt werden können.


Die ARGE DATEN regt daher dringend an, auf die geplanten Verknüpfungsanfragen zu verzichten. Dazu müßten die Wortfolge 'für Zwecke der ... (Verknüpfungsanfrage)' in Par. 16 Abs. 1 und der zweite Halbsatz aus Par. 20 Abs. 3 ('Übermittlungen ... bleibt') ersatzlos gestrichen werden.


5. Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister


Nach dem neuen Par. 18 Abs. 6 soll jedermann Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister verlangen können. Dabei ist nicht berücksichtigt, daß es durchaus Menschen gibt, denen daran gelegen ist, daß solche Auskünfte nicht erteilt werden - z. B. jemand, der aus einem bestimmten sozialen Milieu (Sekten,Drogen, Prostitution, ...) aussteigt und nicht will, daß ehemalige 'Freunde' ihn weiter behelligen.


Weiters ist zu befürchten, daß unseriös arbeitende Hausverwaltungen ihre Mieter systematisch wegen mangelndem Wohnbedarf kündigen, wenn diese einen weiteren Wohnsitz in Österreich haben.


Für den Fall, daß das Zentrale Melderegister tatsächlich eingeführt wird, sollten Auskünfte aus dem Zentralen Melderegister an Privatpersonen nur dann erteilt werden, wenn ein rechtliches Interesse nachgewiesen wird. Eine ähnliche Regelung gibt es schon jetzt in Par. 47 Abs. 2a KFG zu Auskünften ausder KFZ-Zulassungsevidenz. Noch besser wäre es, nur bestimmte rechtliche Gründe zuzulassen. Die ARGE DATEN schlägt daher vor, die Auskunftserteilung nur an Personen zuzulassen, die eine offene Forderung einklagen wollen.


6. Volkszählung aus der Verfassung streichen


Bei der letzten Volkszählung im Jahr 1991 gab es ausführliche Diskussionen um die Sinnhaftigkeit eines derartigen Projekts. Die Befürworter brachten vor, daß die Volkszählung für zwei Zwecke erforderlich sei: (1) für die Mandatsverteilung und den Finanzausgleich müsse man wissen, wieviele Menschenin welcher Gemeinde leben (= die sogenannte Bürgerzahl), und (2) als allgemeine statistische Erhebung für Planungszwecke aller Art. Nur für den ersten Zweck war es bisher erforderlich, jeden einzelnen Bürger zu befragen. Die statistische Forschung könnte sich durchaus auch auf Stichprobenbeschränken.


Die Erfahrungen seit 1991 zeigen, daß es nicht sinnvoll ist, statistischer Forschung bürokratische Aufgaben aufzubürden. Das Statistische Zentralamt hat sich schon vor der Volkszählung unzufrieden darüber gezeigt, daß es in den Streitereien der Gemeinden um den Finanzausgleich den Schiedsrichterspielen muß. Das (nicht anonyme) Ergänzungsblatt für die 'objektive' Feststellung des Hauptwohnsitzes hat außerdem das für die Forschung wichtige Vertrauensverhältnis der Bürger zum Statistischen Zentralamt stark beeinträchtigt.


Über 200.000 Problemfälle zeigen, daß das Streben nach Genauigkeit nicht erfüllbar ist. Die Auswertung der Einzelfälle benötigt mehrere Jahre, die Ergebnisse sind schon bei den nächsten Wahlen 1994 veraltet.


Die Einführung des Hauptwohnsitzbegriffes macht es nun möglich, die Bürgerzahlen viel einfacher zu bestimmen. Dazu müssen bloß alle Gemeinden die Gesamtzahl der Hauptwohnsitze in ihrem Gemeindegebiet an das Innenministerium melden. (Wird das Zentrale Melderegister tatsächlich eingeführt, so kann dasInnenministerium die Bürgerzahlen der Gemeinden sogar jederzeit auf Knopfdruck und ohne zusätzliche Kosten bestimmen.) Diese Vorgangsweise hat mehrere Vorteile:


* Das Statistische Zentralamt und die Gemeinden haben eine wesentliche Arbeitserleichterung, da sie sich nicht mehr mit jedem Einzelfall beschäftigen müssen.


* Die Erhebung ist vom Standpunkt des Datenschutzes aus völlig unproblematisch, da bloß Summen weitergegeben werden.


* Die Erhebung ist im Vergleich zu einer Großzählung spottbillig und kann auch jedes Jahr oder alle zwei Jahre durchgeführt werden.


* Dadurch fällt für die Gemeinden der Anreiz weg, sich alle zehn Jahre besonders stark um die Erhöhung der Bürgerzahl zu bemühen (durch teure Werbung, Verlosung von Autos an Neuzugezogene, vorübergehende Einquartierung von Flüchtlingen etc. wie bei der letzten Volkszählung).


* Die Datenqualität steigt, da (1) die Gemeinden nicht mehr versuchen sind, auf das Ergebnis Einfluß zu nehmen, (2) jeder an dem Ort gezählt wird, den er selbst als Hauptwohnsitz ausgewählt hat und (3) die Daten viel aktueller wären.


Zusammengefaßt: Durch die Einführung des Hauptwohnsitzbegriffes wird die Volkszählung zur Feststellung der Bürgerzahl unnötig. Man könnte daher die Arbeit des Statistischen Zentralamtes auf die Aufgaben der statistischen Forschung beschränken. Dem steht entgegen, daß die Volkszählung in derVerfassung ausdrücklich als Grundlage für die Aufteilung der Nationalrats- und Bundesratsmandate genannt wird (Art. 26 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 3 B-VG).


Die ARGE DATEN regt daher an,


* im Zuge der jetzt anstehenden Novellierung des B-VG die ausdrückliche Erwähnung der Volkszählung im B-VG zu streichen. Dem einfachen Gesetzgeber wäre dann überlassen, die Bürgerzahlen und damit die Mandatsverteilung nach einem anderen (billigeren) Verfahren zu bestimmen (vgl. den obigenVorschlag);


* im Lauf der nächsten Jahre darüber zu diskutieren, wie bei der Erhebung der für Planungszwecke notwendigen statistischen Daten die Grundsätze des Datenschutzes, der Freiwilligkeit und Anonymität berücksichtigt werden können und inwieweit Gesamterhebungen durch Stichproben ersetzt werdenkönnen.


7. Datenverknüpfungen


In Par. 14 Abs. 3 werden die Meldebehörden ermächtigt, die Meldedaten mit allen Datenverarbeitungen der Gemeinde zu verknüpfen. Dabei kommen allein in Wien über 120 verschiedene Verarbeitungen in Frage, in denen teilweise sehr heikle Daten gespeichert sind (z. B. die Daten der Krankenhäuser). Wasdabei für das Melderegister gewonnen sein soll, bleibt unklar. Zu erwarten ist eher ein teurer und umständlicher Datenabgleich, der nichts bringen wird außer der Erkenntnis, daß dieselben Menschen in verschiedenen Datenbanken oft unter verschiedenen, unter verschieden geschriebenen oder veraltetenAdressen gespeichert sind.


Dem fragwürdigen Erfolg steht eine schwere Beeinträchtigung des Grundrechts auf Datenschutz entgegen. Die für die Verknüpfung in Frage kommenden Datenbanken sollen daher auf jeden Fall im Gesetz taxativ aufgezählt werden. Die ARGE DATEN schlägt vor, die Verknüpfung auf die Wählerevidenz zubeschränken.


8. Zur Novelle des B-VG


Unsere Stellungnahme zur geplanten Novelle des Bundes-Verfassungsgesetzes ist oben eingearbeitet. Siehe dazu unter 2. die Stellungnahme zum Wahlrecht (Die ARGE DATEN unterstützt die Vorschläge zu Art. 6 und Art. 117 Abs. 2 B-VG.) und unter 6. die Stellungnahme zur Volkszählung.





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