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1993/03/23 Gentechnikgesetz
(Entwurf des BM für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz)
Arge Daten Gesetzesbegutachtung Zum Entwurf eines Gentechnikgesetzes gibt die ARGE DATEN die folgende Stellungnahme ab:

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Zum Entwurf eines Gentechnikgesetzes gibt die ARGE DATEN die folgende Stellungnahme ab:


Eine Regelung der Gentechnik muß nach Ansicht der ARGE DATEN vor allem zwei Grundsätze befolgen:


(1) Grundrechtseingriffe


Wo durch Genanalysen in die Privatsphäre eines Menschen eingegriffen wird, soll dies nur auf Verlangen dieser Person geschehen dürfen. Die bei der Analyse erhobenen, sehr sensiblen Daten müssen einem strengen Datenschutz unterliegen.


(2) Öffentliches Informationsinteresse


Die Öffentlichkeit hat überall dort, wo Firmen gentechnisch veränderte Organismen herstellen, freisetzen oder vertreiben, ein weitgehendes Informationsrecht. Die Projektbetreiber dürfen sich hier nicht hinter 'Datenschutz' verschanzen und sich somit jeder Kontrolle entziehen.


Die ARGE DATEN begrüßt, daß der Gesetzesentwurf zu beiden Punkten bereits zufriedenstellende Regelungen enthält.


Die ARGE DATEN spricht sich entschieden gegen - in den Medien mehrfach kolportierte - Änderungswünsche der Gentechnikindustrie bzw. anderer Rechtsträger aus, die auf eine Schwächung der Betroffenenrechte (bezüglich Verweigerung gentechnischer Analysen) und Informationsrechte (getarnt als'Liberalisierung der Forschung') hinauslaufen. Eine Aufweichung der bisher vorgeschlagenen Regelungen darf keinesfalls erfolgen.


Grundsätzliches:


Es ist ein Spezifikum gentechnischer Analysen, etwa im Zusammenhang mit ungeborenem Leben oder mit vermuteten Erbkrankheiten eines gezeugten/zu zeugenden Kindes (Partnerschaftsanalysen), daß sie in vielen Fällen rein statistische Aussagen über mögliche genetische Schäden und Erbkrankheiten ergeben.Darüber hinaus ist der Stand der gentechnischen Diagnostik wesentlich weiter entwickelt, als der der gentechnischen Therapie. Vermutete Schäden können daher wesentlich besser erkannt als geheilt werden. Damit entsteht ein Informationsgefälle, das mehr Daten über Gefährdungen produziert, alstatsächlich an Heilungschancen angeboten werden können.


Dies bedeutet, daß bei vermuteten Schäden, die nach dem jetzigen Stand der Medizin als unheilbar oder auch nur als sozial/volkswirtschaftlich belastend gelten, ein großer Druck auf die Betroffenen entsteht, das werdende Leben abzutreiben. Ungeachtet der Möglichkeit einer Fehlprognose bzw. derspäteren Heilungs/Behandlungsmöglichkeit auf Grund der verbesserten medizinischen Technik. Dabei können die Interessen des werdenden Lebens zu kurz kommen.


Da gentechnische Analysen bzw. die Interpretation ihrer Daten schwerwiegende Eingriffe in die Integrität von Leben darstellen, muß auch ein wirksamer Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden. Es wird daher angeregt, zusätzlich zu den Informations- und Konsultationspflichten, eine 'Anwaltschaft'einzurichten, die gezielt die Interessen des werdenden Lebens vertritt.


Zusätzliche Detailverbesserungen:


I. Datenschutz


1. Die ARGE DATEN gibt zu bedenken, daß das grundsätzliche Verbot von Genanalysen (Par. 39) nur als einfachgesetzliche Bestimmung vorgesehen ist. Aus den Erfahrungen mit dem Datenschutzgesetz wissen wir, daß in Materiengesetzen die Tendenz besteht, die Grundsätze des Datenschutzes zu unterlaufen.Wäre das Grundrecht auf Datenschutz nicht im Verfassungsrang, so hätten die seit Inkrafttreten des DSG beschlossenen Gesetze nicht mehr viel vom Grundrecht übriggelassen.


Wir befürchten eine ähnliche Entwicklung auch im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Verbot von Genanalysen. Andere Gesetze, die aus ganz anderen Interessenslagen heraus erstellt werden, könnten das Verbot durchlöchern (z. B. indem Genanalysen als verpflichtende Untersuchung in den Mutter-Kind-Paßaufgenommen werden). Daher regen wir an, daß der gesamte Par. 39 als Verfassungsbestimmung beschlossen wird. (Eine entsprechende Änderung von Abs. 4 müßte dann dafür sorgen, daß die Par.Par. 45, 48 und 49 nicht verfassungswidrig wären.)


2. In Par. 39 Abs. 3 lit. c sollte klargestellt werden, daß auch bei Personen, die ein erhöhtes Risiko für eine genetisch bestimmte Krankheit nachweisen können, eine Genanalyse nur auf ihr Verlangen hin durchgeführt werden darf.


3. In Par. 42 Z. 1 sollte vorgesehen werden, daß Betroffene auch darüber informiert werden, daß sie die Genanalyse verweigern können bzw. daß es strafbar ist, wenn jemand von ihnen die Durchführung einer Genanalyse verlangt.


4. Im Gesetz wird kein Einsichtsrecht des Betroffenen in seine eigenen Genanalysedaten normiert. Die ARGE DATEN hält das Recht jedes Menschen auf Information über die ihn betreffenden Angelegenheiten für ein wichtiges Menschenrecht und schlägt daher vor, dieses Recht in Par. 42 zu verankern. DasGesetz sieht in Par. 41 dazu die begleitenden Beratungspflichten ohnehin schon vor. Textvorschlag: 'Die Person, an der die Genanalyse vorgenommen wurde, hat das Recht auf Zugang zu allen dabei erhobenen Daten.'


Par. 42 Z. 5 sieht vor, daß Genanalysedaten von Minderjährigen oder Entmündigten nur an Eltern oder Kurator weitergegeben werden dürfen. Die ARGE DATEN gibt dazu zu bedenken, daß z. B. 17jährigen durchaus zugemutet werden kann, ihre eigenen Gesundheitsdaten zu sehen, und daß diese auch ein legitimesInteresse daran haben. Auch können Entmündigte Interesse an ihren Daten haben - das Gesetz würde ihnen nicht nur keinen Anspruch darauf geben, sondern den Zugang verbieten.


Es sollte daher vorgesehen werden, daß auch Minderjährige oder Entmündigte eine Zugangsmöglichkeit zu ihren eigenen Daten haben, soweit sie daran interessiert sind und nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen. Textvorschlag: '..., dürfen nur an diese, an den gesetzlichen Vertreter oder an denKurator weitergegeben werden.'


5. Zu Par. 45 (Genanalysen im forensischen Verfahren): Die vorgesehene Regelung erlaubt alle Genanalysen, soweit sie nur in einem Gerichtsverfahren angeordnet werden (und gewisse formale Rahmenbedingungen eingehalten werden). Das ist zu weitgehend. Die Regelung sollte vorsehen, daß Genanalysen inGerichtsverfahren nur zur Vaterschaftsfeststellung und zur Täteridentifikation zulässig sind. Derartige Untersuchungen müßten sich auf die Feststellung der Vaterschaft (ja/nein) bzw. der Identität (ja/nein) beschränken. Überschußinformationen - etwa über bei der Genanalyse zutagegetreteneKrankheiten - müßten unmittelbar nach der Genanalyse vernichtet werden.


Bedenklich würde es auch erscheinen, wenn Genanalysen in größerem Umfang zulässig wären - etwa um nach einem Verbrechen eine größere Zahl von Verdächtigen auf genetische Identität mit dem Täter zu untersuchen. Daher sollte vorgesehen werden, daß eine Untersuchung zur Täteridentifikation erst in derHauptverhandlung (allenfalls schon in der Voruntersuchung) zulässig ist.


Noch bedenklicher wäre es, wenn Analyseergebnisse für spätere Ermittlungen aufgehoben würden - als Gendatenbank etwa analog zur Fingerabdruckkartei. Die ARGE DATEN begrüßt daher mit Nachdruck, daß Genanalysen nur im Rahmen jenes Verfahrens verwendet werden dürfen, für das sie erhoben wurden (Par. 45Abs. 1).


Auch die zu Par. 45 gehörende Strafbestimmung (Par. 74 Abs. 3 lit. a Z. 36) sollte entsprechend der oben angeführten Änderungsvorschläge angepaßt werden.


II. Informationsrecht der Öffentlichkeit


1. Die Öffentlichkeit wird in die wichtigeren Genehmigungsverfahren durch öffentliche Anhörung einbezogen. Es sollte auch die Möglichkeit geben, bei weniger wichtigen Projekten Einsicht zu nehmen. Daher sollte im Gesetz klargestellt werden, daß das Gentechnik-Register prinzipiell öffentlich undkostenlos zu benutzen sei (Par. 70).


2. Es ist verständlich, daß die Betreiber von Gentechnik-Projekten ein wirtschaftliches Interesse haben, daß manche Informationen nicht an die Öffentlichkeit und damit an Konkurrenten gelangen. Diesem Interesse wird im Gesetz auch zu Recht Rechnung getragen (Par. 69). Die ARGE DATEN appelliert aberschon jetzt an die das Gesetz vollziehenden Behörden, bei der Interessenabwägung das Interesse der kritischen Öffentlichkeit nicht zu kurz kommen zu lassen. Die vertrauliche Behandlung von Informationen soll die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden.


3. In Par. 70 Abs. 2 werden die im Gentechnik-Register enthaltenen personenbezogenen Daten geschützt. Dies ist richtig, soweit es sich um Daten natürlicher Personen (z. B. Name des Projektleiters) handelt. Unter den in Par. 3 Z. 1 DSG definierten Begriff 'personenbezogene Daten' fallen jedoch auchDaten juristischer Personen (also insbesondere die Namen der Projektbetreiber). Im Sinne der übrigen Bestimmungen des Gesetzes (z. B. Par. 69 Abs. 2 Z. 1, 3 und 5) sollten also hier statt 'personenbezogenen Daten' 'Daten, die sich auf natürliche Personen beziehen' geschützt werden.





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