1995/10/03 Bundesverfassungs-Bereinigungsgesetz (BVBG) (Entwurf des Bundeskanzleramtes)
Arge Daten Gesetzesbegutachtung Die ARGE DATEN begrüßt die geplante Reform, die im Bereich des österreichischen Bundesverfassungsrechts für mehrÜbersic...
Die ARGE DATEN begrüßt die geplante Reform, die im Bereich des österreichischen Bundesverfassungsrechts für mehr Übersichtlichkeit sorgen soll.
Entsprechend dem Ziel einer solchen Neukodifikation soll das geltende Recht nur neu zusammengefaßt, aber nach Möglichkeit nicht inhaltlich verändert werden. Diesem Ziel widerspricht der geplante Artikel 9d 'Pflicht zur Duldung einer Blutabnahme und zur Auskunftserteilung' kraß. Hier wird durch dieNeuformulierung in weit größerem Umfang in die Menschenrechte eingegriffen als dies schon derzeit der Fall ist.
Sowohl die Blutabnahme als auch die Auskunftserteilungspflicht sind nur deshalb im Verfassungsrang beschlossen worden, weil sie sonst verfassungswidrig wären. Es handelt sich dabei um - äußerst problematische - Ausnahmen von wichtigen rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundprinzipien(körperliche Integrität, Selbstbeschuldigungsverbot). Der Entwurf ordnet sie unter 'Weitere grundsätzliche (!) Bestimmungen' ein und gestaltet sie entsprechend um - zu umfassenden Eingriffsermächtigungen, die nicht einmal durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder eine Zweckbindung eingeschränktwerden.
Art. 9d Abs. 1: Duldung einer Blutabnahme
Derzeit sieht die Verfassungsbestimmung des Par. 5 Abs. 6 StVO vor: 'Steht der Vorgeführte im Verdacht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, so hat die Untersuchung, wenn dieserforderlich und ärztlich unbedenklich ist, eine Blutabnahme zu umfassen.'
Der vorgeschlagene Text unterscheidet sich aber völlig von der bisherigen Regelung. Nach dem geplanten Par. 9d Abs. 1 soll eine Blutuntersuchung bei allen Personen durchgeführt werden können, die alkoholisiert ein Fahrzeug 'lenken' oder 'in Betrieb nehmen' oder die das bloß versucht haben. DasKriterium des Verkehrsunfalls, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, wird fallengelassen. Auch die Einschränkung 'wenn dies erforderlich und ärztlich unbedenklich ist' (Verhältnismäßigkeitsprinzip) taucht im geplanten Entwurf nicht mehr auf.
Art. 9d Abs. 2: Auskunftspflicht
Par. 103 Abs. 2 KFG sieht vor, daß Zulassungsbesitzer der Behörde auf Anfrage mitteilen müssen, wem sie ihr Auto zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen haben. Nur der letzte Satz ist dieses sehr langen und komplizierten Absatzes ist eine Verfassungsbestimmung 'Gegenüber der Befugnis der Behörde,derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.'
Zweimal hat der Verfassungsgerichtshof diese Auskunftspflicht als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie dem Prinzip des Anklageprozesses (Art. 90 Abs. 2 B-VG) widerspricht: Niemand darf gezwungen werden, in einem (Verwaltungs-)Strafverfahren zu seinem eigenen Nachteil auszusagen(Selbstbeschuldigungsverbot). Der Gesetzgeber hat darauf in einer äußerst problematischen Weise reagiert und das Selbstbeschuldigungsverbot durch die zitierte Verfassungsbestimmung ausgehöhlt.
Auch in diesem Punkt sieht der Entwurf gegenüber der geltenden Rechtslage einschneidende Verschlechterungen vor. Nach dem KFG gilt die Auskunftspflicht nur bei Kraftfahrzeugen und Anhängern. Nun soll sie auf alle Fahrzeuge, 'insbesondere' Kraftfahrzeuge, Anhänger etc. ausgeweitet werden. 'Fahrzeug'bedeutet in der österreichischen Rechtssprache (Par. 2 Abs. 1 Z. 19 StVO) jedes 'zur Verwendung auf Straßen bestimmte oder auf Straßen verwendete Beförderungsmittel'. Wenn die Neuregelung in der geplanten Form beschlossen wird, dann wäre es in Zukunft z. B. auch zulässig, Fahrradbesitzern gesetzlichvorzuschreiben, der Behörde Auskunft darüber zu erteilen, wem sie das Fahrrad wann überlassen haben. Wer die Auskunft nicht anders erteilen kann, muß dann eben aufschreiben, wem er das Fahrrad wann geborgt hat.
Die geplante Formulierung '[Durch Gesetz kann vorgesehen werden, daß ...] jeden, der einer dritten Person das Lenken oder die sonstige Verwendung eines Fahrzeuges überlaßt, eine ebensolche Auskunftspflicht trifft' ist in der geltenden Rechtslage nicht vorgesehen. Derzeit muß nur derZulassungsbesitzer oder eine von ihm benannte Person die Auskunft erteilen.
Der Entwurf verschleppt außerdem problematische Formulierungen, die Par. 103 Abs. 2 KFG nur auf einfachgesetzlicher Ebene enthält, ins Verfassungsrecht. So kann der Verantwortliche für das Fahrzeug - anstatt die Auskunft selbst zu erteilen - eine Person benennen, die die Auskunft erteilen kann.Diese Person trifft dann die Auskunftspflicht - nach dem Wortlaut der Bestimmung unabhängig davon, ob sie die Auskunft tatsächlich erteilen kann.
Die ARGE DATEN hält es daher für das sinnvollste, wenn im Zuge der Kodifikation die Auskunftspflicht gestrichen wird.
Es kann nicht das Ziel einer 'Bereinigung' des Verfassungsrechts sein, problematische Bestimmungen durch andere, noch viel problematischere zu ersetzen.
Wenn im Zuge der Bereinigung also schon nicht auf die Bestimmungen verzichtet werden kann, dann sollen sie so wörtlich wie nur irgend möglich übernommen werden. In diesem Fall soll man die Regeln aber nicht durch die Einreihung in 'Abschnitt F. Weitere grundsätzliche (!) Bestimmungen' aufwerten,sondern sie an einer Stelle einordnen, wo man sich angemessen dafür zu schämen hat: 'Art. 7.32. Ausnahmen von den Grundrechten'.
Abschließend weisen wir noch auf zwei Redaktionsfehler in Artikel II Z. 51 BVBG (Seite 110 des Entwurfs) hin. Diese Bestimmung muß richtigerweise lauten:
'Par. 36 Abs. 1, Par. 40 und Par. 45 Abs. 1 und 2 des Datenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 565/1978, in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 370/1986 und BGBl. Nr. 632/1994, werden ihres Charakters als Bestimmungen des Bundesverfassungsrechts entkleidet.'
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