1994/12/31 Risikopapier Euroscheck
DIR Der Zahlungsverkehr mit Scheck und Scheckkarte wird mehr und mehr zum ungeliebten Sorgenkind der Banken. Die Administrat...
Der Zahlungsverkehr mit Scheck und Scheckkarte wird mehr und mehr zum ungeliebten Sorgenkind der Banken. Die Administration ist aufwendig, zu leicht ist Mißbrauch möglich, drum trägt der Kunde auch das volle Risiko. Zwei Urteile haben hier ein wenig zugunsten des Konsumenten korrigiert.
Auch bei Einhaltung der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen geforderten Sicherheitsvorkehrungen kann der Besitzer von Euroschecks Gefahr laufen, daß bei Verlust von Scheckformularen sein Konto plötzlich mit einigen zigtausend Schilling ins Minus rutscht. Selbst dann, wenn die Sperre rechtzeitigerfolgt und die Scheckkarte noch sicher in den Händen des Bankkunden ist.
Gestohlene Schecks
So geschah es Herrn Karl R.(1), der sein Auto in Wien um die Mittagszeit für knappe eineinhalb Stunden auf einem Parkplatz vor dem Technischen Museum zurückließ. Abgesperrt natürlich. Als er zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, fand er es aufgebrochen vor. Neben persönlichen Dingen fehlten noch zwanzigEuroscheck-Formulare für sein Privatkonto. Ohne Scheckkarte eine für den Dieb recht nutzlose Beute, könnte man meinen. Und die Karte befand sich noch in Besitz von Herrn R., getreu dem Prinzip der getrennten Aufbewahrung.
In den folgenden zwei Monaten erlebte Herr R. allerdings eine böse Überraschung. Die gestohlenen Schecks wurden nach und nach eingelöst, ein Dutzend davon in Frankreich, die restlichen acht in Spanien. Offensichtlich unter Verwendung einer falschen Scheckkarte, denn die Kartennummer auf derRückseite der Schecks stimmte nicht mit jener von Herrn R. überein, auch die Unterschrift darauf wich grob von seiner kontomäßigen Unterzeichnung ab. Ungeachtet dieser für jeden Laien offenkundigen Mängel überwies die Bank von Herrn R. die Beträge an die scheckauszahlenden Banken in Frankreich undSpanien und belastete damit sein Konto.
In einem Musterprozeß(2), den der Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegen die Bank des Herrn R. anstrengte, kam Erstaunliches zutage: offen wurde einbekannt, daß in der österreichischen Verrechnungszentrale der Bank keinerlei Überprüfung von im Ausland eingelösten Schecks erfolgt, richtigeScheckkartennummer und Korrektheit der Unterschrift sind praktisch irrelevant. Denn die zwischen den Banken wirksamen Vertragsbedingungen des Euroscheck-Systems verpflichten das kontoführende Institut praktisch in jedem Fall zur Begleichung der im Ausland ausgezahlten Beträge. Die Prüfung von Scheckund Karte und allfällige Verweigerung der Einlösung sei dagegen Aufgabe der auszahlenden Bank.
Die Bank argumentierte weiterhin, die Verwahrung der Schecks von Herrn R. sei grob fahrlässig erfolgt, das Risiko des Mißbrauchs trage daher vertragsgemäß Herr R. Der VKI hielt dem entgegen, daß die Allgemeinen Vertragsbedingungen für den Scheckverkehr "überraschende, sittenwidrige und gröblichbenachteiligende Bestimmungen" enthalten (dies ist auch angesichts der Tatsache nachvollziehbar, daß das erwähnte Kleingedruckte sich gelegentlich zum Jahreswechsel in modifizierter Form präsentiert, Einspruchsmöglichkeiten des Kontoinhabers praktisch nicht vorgesehen sind, und bislang noch jedeÄnderung zu Lasten der Kunden ging).
Das Gericht entschied in diesem Fall zugunsten des Klägers: Die Auszahlungsgarantie laut der Allgemeinen Vertragsbedingungen wirke nur für Schecks, bei denen die Stimmigkeit zwischen Scheckvordruck und Scheckkarte erfüllt ist. Genau das war aber bei den zwanzig eingelösten Schecks nicht der Fall,und die Bank ist auch ihrer Verpflichtung zur Überprüfung der Ausstellerunterschrift nicht nachgekommen. Hat sie die Schecks dennoch eingelöst, so habe sie selbst die wirtschaftlichen Folgen und Nachteile zu tragen.
Auch aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen ließ sich für die Bank nichts gewinnen. Das Gericht unterschied zwischen der darin angeführten "Verfälschung" (der Originalkarte) und einer "Total"-Fälschung, bei der eine Risikoüberwälzung auf den Kunden nicht statthaft sei. Schließlich haben dieGeldinstitute effizientere Möglichkeiten, die Fälschungsgefahr bei Scheckkarten zu minimieren, und es obliegt ihnen auch, durch Einsatz wirksamer Kontrollmechanismen dieses Risiko deutlich zu verringern. Die kurzfristige Aufbewahrung unausgefüllter Scheckformulare im versperrten Auto unter dengegebenen Umständen wiederum kann noch nicht als schuldhaftes, grob fahrlässiges Verhalten von Herrn R. interpretiert werden, so das Handelsgericht. Herr R. bekam sein Geld letztlich wieder.
Schecks und Karte im Auto
In einem ähnlich gelagerten Fall (3) war für den Bankkunden zumindest ein Teilerfolg erzielbar, und dies erst nach drei Instanzen. Herrn Josef Z.(1) wurden in der Schweiz aus dem versperrten Auto am hellichten Tage die Schecks entwendet, diesmal allerdings zusammen mit der Scheckkarte und demReisepaß. Josef Z. erstattete noch am selben Tag, einem Samstag, die Anzeige. Bei der Bank wurde die Diebstahlsmeldung wochenendbedingt erst am darauffolgenden Montag um 8 Uhr 20 zur Kenntnis genommen. An diesem und dem folgenden Tag wurden die Schecks vom Dieb erfolgreich eingelöst, das Konto vonHerrn Z. wurde binnen einer Woche mit rund 74.000 öS belastet.
Auch hier wiesen die Scheckunterschriften erhebliche Abweichungen auf, die sogar bei flüchtiger Betrachtung offensichtlich waren. Der VKI argumentierte daher genau wie in unserem ersten Fall unter Hinweis auf die unterlassene Sorgfaltspflicht der Bank. Allerdings hatte Herr Z. in diesem Verfahrenschlechtere Karten: schließlich wurde ihm gleichzeitig noch die Scheckkarte entwendet. Damit verstieß er, im Gegensatz zu Herrn Karl R., gegen die Euroscheck-Vertragsbedingungen, die zur getrennten Aufbewahrung verpflichten.
Das Urteil des OGH bestätigte im wesentlichen die Auffassung des Handelsgerichts, nach dem eine Verpflichtung der Bank gegenüber anderen Banken (nämlich aufgrund der internationalen Euroscheck-Abkommen) nicht zu Lasten des Klägers, also des Bankkunden gehen dürften. Anders ausgedrückt: auch wennsich eine französische Bank keinen Deut um die korrekte Unterschrift auf dem Scheck kümmert und die österreichische ungeachtet dessen vertraglich gebunden ist, so dürfe das nicht in letzter Konsequenz dem Kontoinhaber auf den Kopf fallen.
Andererseits ist Herr.Z. gemäß Punkt 5 der Kartenbedingungen an seinem finanziellen Aderlaß mitschuldig - Stichwort getrennte Aufbewahrung. Salomonisch wurde daher befunden, daß das Verschulden jeweils zur Hälfte den Streitparteien zuzurechnen sei. Ein kleiner Erfolg für Herrn Z. der damit immerhinrund 35.000 öS wiedersah.
Fußangeln im Kleingedruckten
In Zusammenhang mit solchen immer wieder auftretenden Problemen im internationalen Euroscheckverkehr warnte schon vor einem Jahr der Geschäftsführer des VKI, Fritz Koppe, vor den Fußangeln der Allgemeinen Vertragsbedingungen, zu denen sich der Bankkunde beim Ausstellen der Scheckkarte automatischverpflichtet.
Diese geraten häufig zum Nachteil des Kontoinhabers, angesichts der oft erschreckenden Leichtfertigkeit der Banken in Frankreich, Italien und Spanien bei der Einlösung von Euroschecks. Diese Institute verlassen sich auf die günstigen Euroscheck-Vereinbarungen im Verkehr unter den Banken. Die von denGeldinstituten geforderte Sorgfaltspflicht, die dem Kunden aufgebürdet wird, ist nach Einschätzung des VKI demgegenüber weit übertrieben. Eine Risikoübernahme sollte nicht erst auf dem Kulanzweg - sprich: nach einem für die Bank verlorenen Prozeß - sondern in derart gelagerten Fällen von vornhereingesichert sein.
Die Praktiken der Banken im Auslandsscheckverkehr untereinander haben sich angesichts dieser Urteile keineswegs geändert, wohl aber gegenüber dem Kunden: die Richtlinien zur Scheckbenutzung wurden soweit verschärft, daß dem Kunden klammheimlich ein noch höheres Risiko zugeschanzt wurde (DIR 4/93berichtete seinerzeit darüber und über die damalige Rückholaktion von alten Euroschecks).
Wie die beiden von uns dokumentierten Verfahren zeigen, kann im Falle entwendeter und mißbräuchlich eingelöster Schecks eine Rückforderung bei der Bank auf dem Klagswege durchaus erfolgreich sein. Voraussetzungen dazu: der Vorfall darf nicht länger als 3 Jahre zurückliegen und dieVertragsbedingungen dürfen zum Zeitpunkt des Mißbrauchs noch keine Klausel enthalten, die dem Kunden in jedem Falle das volle Risiko des Scheckverkehrs aufbürdet.
RJV
Anmerkungen:
(1) Namen geändert
(2) Aktenzahl des Verfahrens: 1 C 1916/92g.
Aktenzahl der Entscheidung des Berufungsgerichts (HG Wien): 1 R 441/93
(3) Aktenzahl des Verfahrens: 1 C 2231/92f.
Aktenzahl der Entscheidung des Berufungsgerichts (HG Wien): 1 R 489/93.
Aktenzahl der OGH-Entscheidung:
3 Ob 544/94
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