1994/12/31 Der Fall Dittmar Otto Hock (TBV)
DIR Dieter Kronegger
...
Dieter Kronegger
Immer wieder haben in den letzten Monaten als Rechnungen getarnte Angebote für Aufregung gesorgt. In einem besonders krassen Fall wird die Arge Daten nun in einem Musterprozeß versuchen, das von den Opfern dieser "Überseh"-Rechnungen eingezahlte Geld zurückzuverlangen.
Im November 1993 wird in Österreich ein Serienbrief der besonderen Art verschickt. Wahrscheinlich mehreren Tausend Personen und Unternehmen flattert ein Zahlschein mit Allonge ins Haus. Absender ist der "TBV - Telefax & Branchenbücherverlag, Dittmar Otto Hock". Auf den ersten Blick sieht das ganzewie eine Rechnung aus. Nur bei näherem Hinsehen kann man erkennen, daß es sich dabei um ein Angebot über ein Inserat in einem "Branchenbuch" handelt. Im Kleingedruckten findet sich die Formulierung: "Eintragungsangebot Branchenbuch - Bestellung durch Bezahlung. Der Eintragungszeitraum beträgt einJahr und verlängert sich kostenpflichtig, wenn nicht bis zum 30.3. des jeweiligen Ausgabejahres gekündigt wird."
Wahrscheinlich etwa 550 Personen zahlen den am Zahlschein bereits eingesetzten Betrag von 6967,80 S ein. Dies erbringt die nicht geringe Summe von etwa 3,8 Millionen Schilling. Dann geschieht einige Monate lang überhaupt nichts. Im Mai werden - nach der Darstellung von Dittmar Otto Hock - 10.760"kleine Branchenbücher" gedruckt und in ganz Österreich verteilt. ("Die Verteilung der Auflage erfolgt durch den Verlag an Stellen, an denen hohe Werbewirksamkeit erwartet wird." - das steht zumindest auf der letzten Seite der "kleinen Branchenbücher"). Uns ist niemand bekannt, der unaufgefordertein Belegexemplar erhalten hätte.
Am 24.06.1994 wird wieder ein Serienbrief verschickt: "Für die neue Ausgabe der Branchenbücher 1995 der Anzeigengröße: 20x60mm dürfen wir Ihnen wie folgt in Rechnung stellen: netto ATS 5806,50; zzgl. 20 % USt ATS 1161,30; Gesamtpreis ATS 6967,80. Zahlungsziel: 10 Tage nach Erhalt der Rechnungrein netto! Bitte bei Bezahlung obige Kundennummer angeben!" Das ist für viele Empfänger höchst überraschend. Sie können sich nicht daran erinnern, jemals Einträge in einem Branchenbuch bestellt zu haben. Daher ignorieren sie die Rechnung.
Am 15.07.1994 langt die erste Mahnung ein. Der Tonfall wird nun schon etwas schärfer: "Ihr Konto in unserem Verlag weist immer noch einen offenen Betrag in Höhe von ATS 6967,80; zzgl. Mahngebühren ATS 70,00; Gesamtsumme ATS 7037,80 für die Eintragung ins Branchenbuch der Ausgabe 1995 auf.Sollten Sie nicht binnen der nächsten zehn Tagen den fälligen Betrag von ATS 7037,80 überweisen, werden wir ohne weitere Vorankündigungen die Angelegenheit unserem Rechtsanwalt übergeben!"
Viele werden nun aktiv und fragen bei TBV an, was diese Mahnung bezwecken soll. Dittmar Otto Hock teilt seine - wie wir sehen werden, kaum haltbare - Rechtsansicht mit. Durch die Einzahlung des Erlagscheins habe man ein Inserat bestellt und die allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert. Da keineKündigung erfolgt sei, müsse man nun für das nächste Jahr zahlen. Manche zahlen tatsächlich - schicken aber gleichzeitig einen wütenden Brief mit einer Kündigung ab. Dittmar Otto Hock antwortet daraufhin mit einen zynischen Dank: "Für die gute Zusammenarbeit bedanken wir uns nochmals und verbleibenmit freundlichen Grüßen ..."
An diejenigen, die sich (völlig zu recht) durch die Mahnungen nicht einschüchtern lassen verschickt der Wiener Rechtsanwalt Dr. Stephan Probst am 23.08.1994 den nächsten Mahnbrief. Darin heißt es nach einem Verweis auf die in den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" versteckte automatischeVerlängerung: "Von dieser Kündigungsmöglichkeit haben Sie nicht Gebrauch gemacht, weshalb meine Mandantschaft davon ausgeht, daß Sie weiterhin die Einschaltung Ihrer Adresse und Telephonnummer im Branchenverzeichnis 94/95 wünschen. Die Drucklegung dieses zweiten Verzeichnisses ist im April/Maidieses Jahres erfolgt und eine Streichung daher auch nicht mehr möglich."
Daß bereits das zweite Branchenbuch gedruckt wurde, stimmt natürlich nicht. Dittmar Otto Hock meint später: "... da unterliegt unser Anwalt einem Irrtum." Jedenfalls verrechnet dieser Anwalt für den Brief 500 S pro Person (natürlich zzgl. Mehrwertsteuer) und erhöht die Gesamtforderung somit auf7.567,80 S. Tatsächlich sehen sich viele dadurch so stark bedrängt, daß sie nun bloß deshalb zahlen, damit sie endlich ihre Ruhe haben.
Einige Betroffene bezweifeln, daß es jemals eine Gegenleistung für ihr Geld gegeben hat. Sie verlangen ein Belegexemplar. Eine verlangt sogar die Rechnung des Buchdruckers, um die Auflage nachprüfen zu können - und erhält sie:
Die Druckerei ist in Gersthofen in Bayern beheimatet, als "Liefer- u. Rechnungsadresse" wird Hocks Münchner Adresse ausgewiesen. Datiert ist die Rechnung mit 27.07.1994. Der handschriftliche Vermerk: "Rechnung zu spät gekommen. Bezahlt bereits im Mai 94 u. auch gedruckt." zerstreut aber wohl jedenVerdacht, das Heft wäre vielleicht erst in den Druck gegeben worden, als bereits die ersten Opfer ein Belegexemplar eingemahnt hatten. Ausgerechnet jene Zeile, die die Auflage ausweist, ist nicht eindeutig lesbar. Es kann 10.760 oder sogar 19.760 heißen. Da die gesamte Zeile aber "Auflage: 1?.760Preis per o/oo 630,00 DM 6.148,80" lautet, scheint zumindest der Preis für eine Auflage von 9.760 berechnet worden zu sein, denn 9.760 mal 630 durch 1000 ist genau 6.148,80. Doch auch hier schafft die handschriftliche Bemerkung wieder Klarheit: "nicht 19.760 sondern 10.760".
Jedenfalls ist der gesamte Druck ziemlich billig geraten. Nach Abzug von 5% Skonto hat Dittmar Otto Hock insgesamt offenbar knapp 7.000 DM (weniger als 50.000 S) gezahlt. Das sind (wenn die Auflage von 10.760 Stück stimmt), 64,92 Pfennig (ca. 4,50 S) pro Stück - nicht einmal ein Pfennig pro Seite.Auf der anderen Seite hat Dittmar Otto Hock allein bei der ersten Einzahlungswelle geschätzte 550 x 6.967,80 = 3.832.290 S eingenommen.
Das "kleine Branchenbuch" - ein Kuriosum
Das 64 Seiten starke Heft im Format DIN A5 ist mit "Das kleine Branchenbuch 94/95" betitelt und als "postunabhängig" ausgewiesen. Es enthält etwa 550 Unternehmen, die in über 240 Branchen unterteilt aufgelistet sind. Das sind durchschnittlich bloß zwei Unternehmen pro Branche. Eindeutig zuwenig,meinte uns gegenüber eine Betroffene, die im "Branchenbuch" als einzige ihrer Branche eingetragen ist, aber von 500 Berufskollegen allein in Wien weiß. Auch sonst finden sich jede Menge Kuriositäten.
71 Ärzte sind in der Rubrik "Ärzte" ohne irgendeine Angabe zu ihrer fachlichen Qualifikation angeführt. Sortiert sind diese Personen weder nach dem Alphabet noch nach dem Bundesland (vielleicht nach dem Einzahlungsdatum?). Neben der allgemeinen Branche "Ärzte" findet man natürlich auch einigeweitere Branchen, z. B. "Ärzte - Dermatologen", "Ärzte - Gynäkologen" oder "Ärzte - Naturheilkunde". In diesen drei Rubriken findet man jeweils genau eine Person. Wie hieß es doch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen? "Die Branchenzuordnung erfolgt nach den dem Verlag vorliegendenUnterlagen."
Auf Seite 57 finden sich in der Rubrik "Tankstellen" zwei Shell- und zwei Aral-Tankstellen. Für eine weitere Tankstelle wurde eine eigene Branche erfunden: "Aral-Tankstellen" auf Seite 12.
- Ähnliches gilt für "Warenhandel" (ein Eintrag), "Asiat. Warenhandel" (ein Eintrag) und "Handelsgewerbe" (immerhin 8 Einträge). Auch eine "Handelsagentur" findet sich, weiters zwei Firmen im "Import - Export" und zwei "Wirtschaftsunternehmen". - Software findet man unter "Computer-Software" (einEintrag) und unter "Softwarehaus" (ebenfalls ein Eintrag). - Erfinderisch war Dittmar Otto Hock auch auf dem Bankensektor: Drei Raiffeisenkassen sind in der Rubrik "Banken - Raiffeisenkassen" auf Seite 13 aufgelistet. Eine weitere wurde unter "Raiffeisenbanken" auf Seite 50 versteckt. Weitere Bankenkonnten wir im Verzeichnis nicht aufspüren. Aber immerhin enthält das auf der Titelseite mit "Alle Bundesländer" und "überregional" bezeichnete Heft vier Raiffeisenkassen.
Bei Firmen, die sich überhaupt nicht zu einer Branche zuordnen ließen, wurde nicht etwa nachgefragt. Sie ließen sich leicht in der Branche "Ges. mit beschränkter Haftung" (8 Firmen) unterbringen.
Wollen Sie ins Kino gehen? Das "kleine Branchenbuch" informiert: In Feldkirch, Hallein und Ottensheim gibt es Kinos. Ihre Schuhe sind kaputt? In Klagenfurt gibt es einen Schuhmacher. Ihr Wasserhahn tropft? In der Rubrik "Installateure" finden Sie drei Einträge - leider alle in Wien. Zeitungen könnenSie in einer Trafik in Bad Vöslau-Gainfarn kaufen. Andere Trafikanten sind leider nicht aufgelistet. Und auch in der Rubrik "Zeitungsredaktionen" finden Sie weder Kurier noch Krone, sondern nur die "Red. St. Antonius-Freunde der österreich. Franziskanerprovinz" und die "Red. Nachrichten aus MariaEllend". Wie heißt es doch auf der letzten Seite? "Für Richtigkeit und Vollständigkeit der Einträge wird keine Haftung übernommen."
Weiters steht dort: "Das kleine Branchenbuch enthält nur bestellte Einträge aus Handel und Gewerbe." Handel und Gewerbe? Bei näherem Hinsehen findet man z. B. in der Rubrik "Gemeindeämter" die Adresse der Gemeinde Nassereith und unter "Stadtwerke" die Stadtwerke Klagenfurt. Vier Seiten weiter sindunter "Verkehrsbetriebe" die "Stadtwerke Klagenfurt Verkehrsbetriebe" zu finden. Die Rubrik "Konsulate" weist das "Generalkonsulat d. soz. Föderation Republik Jugoslawien" aus. Natürlich enthält jede dieser vier "Branchen" nur einen einzigen Eintrag.
Zur Rechtslage
Die Argumentation von Dittmar Otto Hock und seinem Rechtsanwalt läuft in etwa über die folgende Schiene: Die Zusendung des Erlagscheins im November 1993 war ein Angebot. Durch die Einzahlung des Betrags von 6967,80 wurde dieses Angebot mitsamt den auf der Rückseite des Erlagscheins aufgedrucktenAllgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) angenommen - also ein Vertrag geschlossen. In den AGB steht, daß bis 30. März eines jeden Jahres gekündigt werden kann. Wer von diesem Recht nicht Gebrauch macht, hat seinen Inserateneintrag um ein weiteres Jahr verlängert und muß nochmals zahlen. Was ist vondieser Argumentation nun zu halten?
Existiert ein Vertrag?
Sehen wir uns zuerst einmal an, wie nach österreichischem Recht ein Vertrag geschlossen wird. Für einen Vertrag sind nach unserem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) zwei übereinstimmende Willenserklärungen notwendig - in der Regel das Angebot und seine Annahme. Im allgemeinen bestehtFormfreiheit.
Anstelle einer ausdrücklichen Erklärung kann man seinen Willen auch "stillschweigend durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen." (Par. 863 ABGB). Sehr viele Verträge werden auf solche Art konkludent(stillschweigend) geschlossen - z. B. der typische Kaufvertrag im Supermarkt: Sie legen Butter und Brot aufs Förderband der Kassa und erklären damit stillschweigend ihren Willen, die Waren zu kaufen (Angebot). Die Kassierin nimmt mit dem Geld auch ihr Angebot konkludent an und schließt somit denKaufvertrag.
Im vorliegenden Fall scheint es aber nicht so zu sein, daß Dittmar Otto Hock beim Einlangen der Zahlungen keinen vernünftigen Grund hatte, daran zu zweifeln, daß mit der Einzahlungen ein Vertrag über die Schaltung von Inseraten geschlossen werden sollte. Vielmehr hätte er nach der Lebenserwartungdavon ausgehen müssen, daß die Einzahlung vielleicht irrtümlich erfolgt ist. Wir nehmen dies an und glauben daher, daß von allem Anfang an kein gültiger Vertrag vorlag. Damit sind alle Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt und müssen zurückerstattet werden.
Irrtum
Aber auch wenn ein Vertrag zustandegekommen ist, heißt das noch lange nicht, daß dieser Vertrag juristisch in Ordnung ist. Zunächst einmal sieht das österreichische Recht in den Par.Par. 871-877 ABGB Regelungen für den Fall vor, daß aufgrund von Mißverständnissen oder Unklarheiten ein Vertraggeschlossen wurde, den eine der beiden Seiten nicht oder nicht in dieser Form wollte. Befand sich einer der Vertragspartner bei Abgabe seiner Erklärung im Irrtum, so kann er den gegen seinen eigentlichen Willen entstandenen Vertrag anfechten.
Die juristische Lehre hat die verschiedensten Irrtumsarten unterschieden. In unserem Fall liegt ein Erklärungsirrtum vor. Die Einzahlenden haben gar nicht daran gedacht, daß sie damit ein Angebot annehmen könnten. Sie haben gemeint, damit eine Rechnung zu zahlen, die auf einen schon frühergeschlossenen Vertrag bezogen ist. (Im Juristendeutsch: Den Erklärenden war die Erklärung gar nicht als solche bewußt.)
Ein solcher Irrtum berechtigt zur Vertragsauflösung, wenn er wesentlich ist (d. h. wenn der Irrende ohne Irrtum den Vertrag überhaupt nicht geschlossen hätte) und eine der drei Voraussetzungen vorliegt:
1. Der Irrtum war durch den anderen Vertragspartner veranlaßt (es muß kein Verschulden vorliegen, bloße Verursachung genügt) oder
2. der Irrtum hätte dem Vertragspartner auffallen müssen oder
3. der Irrtum wurde rechtzeitig aufgeklärt. In unserem Fall liegt jedenfalls die erste Voraussetzung (vielleicht auch die zweite) vor. Der Vertrag kann also angefochten werden.
Mit der Anfechtung des Vertrags verliert dieser jegliche Wirkung und die bereits gelieferten Leistungen müssen zurückgestellt werden. Das bedeutet in unserem Fall insbesondere, daß die Firma TBV den irrtümlich überwiesenen Betrag zurückzahlen muß.
Sittenwidrigkeit
Aber nicht nur aufgrund des Irrtums kann der Vertrag (falls er überhaupt je zustandegekommen ist) wieder beseitigt werden. Par. 879 Abs. 1 ABGB sieht vor: "Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig." Da die Vorgangsweise der Firma TBV unlautererWettbewerb ist (siehe unten), ist diese Bestimmung anwendbar. Derjenige der durch das gesetzliche Verbot geschützt werden soll (also in unserem Fall die einzahlende Person) kann den Vertrag anfechten.
Im selben Paragraphen finden wir auch eine weitere interessante Bestimmung: Abs. 3 lautet: "Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Bestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigungaller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt." Das dürfte wohl auf die Bestimmung anwendbar sein, daß sich der Vertrag automatisch verlängert, wenn er nicht bis Ende März eines Jahres gekündigt wird.
Und wenn man diese Bestimmung schon nicht mit dem eben genannten Par. 879 Abs. 3 ABGB wegbekommt, dann gibt es ja immerhin noch Par. 864a ABGB: "Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, werden nichtVertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen."
Gewährleistung und Schadenersatz
Alles bisherige bezog sich auf den Fall, daß die einzahlenden Personen darüber im Irrtum waren, daß ihre Einzahlung von der Firma TBV als Vertragsabschluß interpretiert wird. Es gab aber auch solche, die ganz bewußt in diesem Branchenverzeichnis inserieren wollen, nun aber mit der geliefertenLeistung nicht zufrieden sind. Eine angesichts der mehr als dürftigen Gestaltung des Verzeichnisses nur verständliche Haltung. Die Rechtslage unterscheidet sich dann vom obigen Fall dadurch, daß jedenfalls ein Vertrag geschlossen wurde.
Aber auch hier gibt es im ABGB für die Geschädigten natürlich einige Möglichkeiten, zu ihrem Recht zu kommen. Der klassische Rechtsbehelf bei mangelhaften Leistungen ist die Gewährleistung (die im normalen Sprachgebrauch meist - juristisch falsch - als "Garantie" bezeichnet wird). Wenn wir davonausgehen, daß das Branchenbuch mit einem wesentlichen und (da es bereits verteilt wurde) unbehebbaren Mangel behaftet war, dann berechtigt dies die Betroffenen zur sogenannten Wandlung - der Aufhebung des Vertrags. Ein Nachteil dieser Bestimmung liegt darin, daß dieses Recht binnen sechs Monatenverjährt und damit im konkreten Fall wahrscheinlich schon abgelaufen ist. Deshalb gehen wir hier auch nicht weiter auf die anderen Möglichkeiten des Gewährleistungsrechts ein.
Weiters kann ein Vertrag z. B. dann angefochten werden, wenn einer der Vertragspartner mehr als das Doppelte dessen verlangt, was seine Leistung wert ist ("Verkürzung über die Hälfte" oder "laesio enormis"). Diese Bestimmung (Par. 934 ABGB) ist sehr praktisch, da hier nur der drastisch überhöhtePreis bewiesen werden muß, was im konkreten Fall ziemlich leicht sein dürfte. Allerdings kann die Firma TBV den Vertrag dadurch retten, daß sie bereit ist, sich mit einem angemessenen Preis zufriedenzugeben.
Nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es jetzt auch möglich, statt der (schnell verjährenden) Gewährleistung auch auf Schadenersatz zu klagen. Die Geschädigten müssen in diesem Fall beweisen, daß die Firma TBV sie durch rechtswidriges Verhalten geschädigt hat (z. B. durchVerletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht über die zu erwartende Qualität des Branchenbuchs oder durch die mangelhafte Gestaltung selbst). Die Beweislast über das Verschulden liegt bei TBV - d. h. die Firma TBV müßte beweisen, daß sie an der Verletzung ihrer vertraglichen Pflichtenunschuldig ist, um die Klage abzuwenden. Problematisch wird hier wohl die Bestimmung der genauen Schadenshöhe sein.
Strafrecht
Auch strafrechtlich ist die Vorgangsweise der Firma TBV äußerst bedenklich. Die Wirtschaftspolizei ermittelt seit Dezember des vergangenen Jahres wegen des Verdachts des Betrugs und hat nun an alle Inserenten im Branchenbuch einen Fragebogen verschickt. Unter anderem fragt die Wirtschaftspolizeidarin, ob sich die Personen bzw. Unternehmen geschädigt fühlen und ob sie sich einem allfälligen Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen wollen.
Die entsprechende Bestimmung des Strafgesetzbuches (Par. 146 StGB - Betrug) lautet: "Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesenoder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen." Par. 147 (Schwerer Betrug) sieht für einen Schaden über 25.000 S eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, für einen Schaden über 500.000 S eineFreiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vor. Ein bis zehn Jahre beträgt auch die Strafe für gewerbsmäßigen schweren Betrug (Par. 148).
Bisherige Urteile
In der bisherigen Rechtsprechung sind uns keine Fälle bekannt, in denen die Opfer auf Rückzahlung des bezahlten Betrags geklagt hatten. Bisher ging es immer um die Frage, ob es sich bei der gewählten Vorgangsweise um unlauteren Wettbewerb handelt.
Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schreibt in seinem Par. 1 ein generelles Verbot sittenwidriger Praktiken vor: "Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadenersatz inAnspruch genommen werden." Dieser Paragraph ist die wichtigste Bestimmung. Der Rest des Gesetzes verbietet im Detail die üblichsten Formen unlauteren Wettbewerbs.
Klageberechtigt sind vor allem die Konkurrenten des unlauter arbeitenden Unternehmens, aber auch manche Sozialpartner und vor allem Vereine wie der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, der wohl am häufigsten Klagen nach diesem Gesetz einbringt. Da dieser Verein aber weder als Opfer derunlauteren Praktiken noch als Konkurrent geschädigt ist, kann er (wie im folgenden Fall) nur auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, nicht aber auf Schadenersatz klagen.
Im Jahr 1993 landete der Fall eines "Telefax-Verzeichnisses" sogar vor dem Obersten Gerichtshof (4 Ob 1045/93 vom 18.05.1993). Der OGH wies die außerordentliche Revision zurück und verwies auf die ständige Rechtsprechung.
Er bestätigte damit das Urteil, das bereits das Handelsgericht Wien als erste Instanz erlassen hatte (38 Cg 62/92 vom 05.10.1992): "Die beklagten Parteien sind schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, als Verleger des Druckwerkes 'Österreichisches Telefax-Verzeichnis' anGewerbetreibende oder Freiberufler, mit denen sie bisher nicht in Geschäftsbeziehung standen, zur Zahlung der Kosten für die Eintragung in das 'Österreichische Telefaxverzeichnis' bestimmte Zahlscheine zu senden, wenn nicht unübersehbar in eindeutig und unmißverständlicher Form hervorgehoben wird,daß für die Einschaltung eines Inserates in ein - privates - Druckwerk der Beklagten geworben wird."
Worte wie "unübersehbar", "in eindeutig und unmißverständlicher Form" oder "in insbesondere auch grafisch deutlich hervorgehobener Form" tauchen in sämtlichen einschlägigen Urteilen auf. Unter anderem im Urteil 37 Cg 479/93g des Handelsgerichts Wien, in dem ausgerechnet Dittmar Otto Hock wegen dervon ihm verschickten Erlagscheine zu Unterlassung und Urteilsveröffentlichung verurteilt wurde. Geklagt hatte auch hier der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb. Hock mußte das Urteil auf eigene Kosten im Kurier veröffentlichen lassen.
Zusammenfassung
Als Ergebnis aller dieser Überlegungen erhalten wir nun dreierlei: 1. Die Vorgangsweise der Firma TBV war rechtswidrig, möglicherweise sogar strafgesetzwidrig.
2. Falls man die Einzahlung überhaupt als Vertragsabschluß werten kann, so kann der so entstandene Vertrag zumindest in jenen Fällen angefochten werden, in denen die Einzahlung irrtümlich erfolgt ist.
3. Auch diejenigen, die bewußt eingezahlt haben, aber mit der gelieferten Leistung unzufrieden sind, haben durchaus Chancen, zumindest einen Teil des gezahlten Betrags zurückfordern zu können.
Hilfestellung durch die Arge Daten
Zu wiederholtem Male war die Arge Daten mit Beschwerden gegen Firmen konfrontiert, die "Überseh"-Rechnungen verschicken. Manchmal erhielten wir auch selbst solche "Rechnungen". Am 17. Juni dieses Jahres haben wir in einer Presseaussendung auf diese Praxis mancher Firmen hingewiesen und insbesonderevor den damals kursierenden Zahlscheinen der Firma "Faxdata Service Marketing" gewarnt. In den darauffolgenden Wochen war das Problem das Thema mehrerer Medienberichte, unter anderem auch im ORF und in der Kleinen Zeitung. Daraufhin fragten immer mehr Personen bei uns um Rat. Die meisten Fällebetrafen Dittmar Otto Hocks Firma TBV, in den vergangenen Wochen gab es auch eine Reihe von Beschwerden über die Firma TECOM/Leutgeb-Werbung.
Da uns mehrere Opfer der TBV darum gebeten hatten, ihnen bei der Rückforderung der irrtümlich bezahlten Beträge zu helfen, haben wir uns entschlossen, einen Musterprozeß zu führen. Wir haben den möglicherweise Geschädigten im Fall Hock/TBV angeboten, an ihrer Stelle die gezahlten Beträgezurückzufordern und notfalls einzuklagen.
Dabei haben wir die folgende Vorgangsweise gewählt: Die Betroffenen erteilen uns keine Vollmacht, sondern treten ihre Ansprüche an uns ab. Wir können dadurch alle Beträge im eigenen Namen und in einer einzigen Klage einfordern. Da die Gerichts- und Anwaltskosten vom Streitwert abhängen, aber beiwachsenden Streitwerten nur langsam ansteigen, ist eine Klage über einen hohen Betrag billiger als viele einzelne Klagen über kleine Beträge.
Wir werden uns in diesem Verfahren auf jene Personen beschränken, die tatsächlich irrtümlich gezahlt haben. Das liegt einerseits daran, daß wir in diesen Fällen wirklich gute Prozeßchancen sehen. Andererseits zeigt sich gerade hier die Problematik, wegen der wir als Datenschutzorganisation um Ratgefragt werden: Irgendwo werden auf billigste Art und Weise ein paar tausend Adressen gekauft, in ein paar Stunden auf möglichst irreführend gestaltete Formulare gedruckt und versandt. Dieser Mißbrauch der Möglichkeiten moderner EDV-Technik ist ein Problem, das über gewöhnlicheKonsumentenschutzprobleme hinausgeht.
Natürlich sind auch jene geschädigt, die den Betrag bewußt eingezahlt haben, danach aber mit der erbrachten Leistung unzufrieden waren. Obwohl auch diese Personen durchaus Prozeßchancen hätten (siehe oben), werden wir in solchen Fällen nicht klagen. Das Prozeßrisiko wäre doch beträchtlich höher undaußerdem handelt es sich dabei um ein typisches Konsumentenschutzproblem. Hier haben andere Organisationen sicherlich mehr Erfahrung als wir.
Der letzte Stand: Am 4. November haben wir eine erste Forderung über 117.824,80 S (das sind die von 11 Betroffenen an uns abgetreteten Ansprüche) an die TBV gerichtet. Bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe ist darauf keine Reaktion erfolgt, weshalb wir nun eine Klage einbringen werden.
|