rating service  security service privacy service
 
1994/12/31 Kleiner Datenhorror im Kindergarten
Oder: Schon Klein-Alois muß in Vorarlberg fit für die Ellbogengesellschaft sein.

Die öffentlichen Einrichtungen in Vorarlberg werden in weiten Bereichen wie Privatbetriebe geführt. Ob dies mit der privatwirtschaftlichen Vergangenheit des Landeshauptmanns Purtscher zusammen hängt, oder mit einem allgemeinen gesellschaftlichen Grundgefühl, sei hier vorerst dahin gestellt.

Tatsächlich täte vielen 'innerösterreichischen' Amtsstuben ein wenig Parteien- (pardon: Klienten-)Orientierung ganz gut passen, doch dieser Aspekt steht auch in Vorarlberg nicht unbedingt im Vordergrund.

Privatwirtschaftliche Versorgung kann nämlich nur dann besser, sprich: klientennäher funktionieren, wenn mehrere Organisationen/Unternehmen um denselben Kundenstamm in Konkurrenz stehen. Nur bei Gefahr des Verlusts der Kunden und damit bei Gefahr des Verlusts der eigenen wirtschaftlichen Grundlageund der Drohung des wirtschaftlichen Exitus (sprich: des Konkurses) bleibt eine dauernde Bereitschaft, auf Kundenwünsche einzugehen gesichert.

Genau diese Wettbewerbssitutation kommt jedoch im Vorarlberger Gesundheitswesen immer mehr abhanden. Statt allgegenwärtiger staatlicher Gesundheitsämter, bastelt am Rhein der private Verein 'Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin - Verein zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit derBevölkerung' an seiner eigenen Allgegenwart und Allmacht. Als private Organisation praktisch unkontrolliert, undurchschaubar und als 'Platzhirsch' mit Monopolanspruch für die Vorarlberger ohne Alternativen.

Mehrmals haben wir darüber berichtet, wie höchst sensible Gesundheitsdaten, etwa von Krebspatienten oder HIV-Patienten, die zu erheben in anderen Ländern entweder generell verboten ist oder die nur dem unmittelbar zur Therapiezwecken aufgesuchten Arzt vorbehalten sind und dann auch nur aufausdrücklichen Wunsch des Patienten, in Vorarlberg im Rahmen der AKS munter durch die Hände vieler, medizinisch völlig unkundiger, zu keiner Amtsverschwiegenheit verpflichteter Personen gehen, teilweise sogar in Datenverarbeitungen der Schweiz ausgelagert werden.


Zuletzt hat der AKS die Kindergartenkinder aufs Korn genommen.

In einem Schreiben, betitelt als 'EINLADUNG zur Vorsorgeuntersuchung Ihres Kindes im Kindergarten' werden die Eltern zur 'freiwilligen' Teilnahme eingeladen: 'Die Untersuchung ist freiwillig. Es steht in Ihrem Interesse, ihr Kind 'vorbeugend' untersuchen zu lassen.'

Damit auch klar ist, wie das 'freiwillig' zu verstehen ist, wird in dem eine Seite langen, eng bedruckten Brief den Eltern gehörig  eingeheizt:

'Sehr geehrte Eltern! Ihr Kind befindet sich nunmehr im Vorschulalter. Ein Alter, in dem verschiedene gesundheitliche Faktoren eine Weichenstellung für das spätere Leben darstellen können. So z.B. kann durch eine 'Teilleistungsschwäche' die Schulleistung beeinträchtigt oder auch eine Einweisung indie Sonderschule vorgetäuscht werden. Durch die Vorsorgeuntersuchung in diesem Alter können derartige Gefährdungen, aber auch Erkrankungen, die im Alltag sehr leicht übersehen oder an die man sich schon gewöhnt hat, aufgedeckt und in den meisten Fällen rechtzeitig behoben werden.'

Im Klartext: Ihr, liebe Eltern, die ihr täglich mit euren Kindern zusammen seid, seid doch viel zu dumm, um allfällige Leistungsrückstände erkennen zu können. Dazu brauchen wir Experten; doch bloß 22 Beobachtungspunkte.

Aus diesen Beobachtungen, die eine krude Mischung aus Alltagserfahrung und Altvorderen-Weisheit darstellen (siehe Abbildung), wird ein Phasenmodell der Kinderentwicklung postuliert. Paßt ein Kind - laut Beobachter - ins Schema, Glück gehabt, paßt es nicht, dann ab zum 'Heilpädagogischen Sprechtag',oder es bekommt überhaupt das medizinisch-diagnostische Attribut 'AUFFÄLLIG'. Womit das wehrlose Kleinkind seine Schullaufbahn schief beginnt, bevor sie noch begonnen hat.

Natürlich haben wir bei dieser Datenerhebung die üblichen Ingredienzien:
- die Teilnahme ist 'freiwillig'
- die Daten unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht und dem 'Datenschutz'
- die Daten werden nur zu statistischen Zwecken ausgewertet und
- bleiben anonym.

Aber:
auf allen Erhebungsbögen müssen Name und Anschrift des Kindes bzw. der Eltern angegeben werden,

das erhebende Personal bzw. die Kindergartenbetreuer wissen, wie welches Kind 'abschnitt' - ein Wissen, das in der späteren pädagogischen Arbeit nicht mehr weggelöscht werden kann,

Land und Gemeinden verwenden die Daten zur Überprüfung der abgerechneten Untersuchungen, und AKS-intern erhalten nicht nur Mediziner Zugang zu den sensiblen Personendaten.

Derartige Erhebungen führen zwangsläufig bei einer Reihe von Personen zu einem Schattenwissen, das nicht mehr weggewischt werden kann. Besonders unangenehm ist dies in dem eher kleinräumig strukturierten vorarlberger Milieu, in dem jeder jeden kennt und der junge Mensch fast zwangsläufig in seinemweiteren Lebensweg wieder auf dieselben Personen trifft, die irgendetwas wissen. Niemand weiß, wieviel der andere über ihn weiß, vieles wird vergessen und vermischt, bei vielen bleibt nur mehr der Eindruck des 'AUFFÄLLIG' zurück. Wann, warum und unter welchen Bedingungen wer 'AUFFÄLLIG' war, istlängst vergessen.

Wir können allen Eltern, Erziehungsberechtigten, Kindern und Schülern raten, sich derartigen zentral organisierten Datenerhebungen zu entziehen. Sie befriedigen bestenfalls abstrakte wissenschaftliche Bedürfnisse, meist entbehren sie jeder wissenschaftlichen Grundlage und befriedigen bloß den Wunschnach bürokratischer Selbstdarstellung.

Zur Beurteilung der individuellen Befindlichkeit oder zur Vorhersage potentieller Entwicklungshemmnisse sind derartige Erhebungen viel zu oberflächlich.


Die angezeigten Informationen und Artikel werden im Rahmen des ARGE DATEN Informationsdienstes kostenlos zur Verfügung gestellt. Alle Angaben sind sorgfältig recherchiert, es wird jedoch für die Richtigkeit keine Gewähr übernommen. Alle Angaben, Aussagen und Daten beziehen sich auf das Datum der Veröffentlichung des Artikels. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insbesondere Links, auf Websites gemachte Beobachtungen und zu einem Sachverhalt gemachte Aussagen zum Zeitpunkt der Anzeige eines Artikels nicht mehr stimmen müssen. Der Artikel wird ausschließlich aus historischem und/oder archivarischen Interesse angezeigt. Die Nutzung der Informationen ist nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieser Informationsdienst kann professionelle fachliche Beratung nicht ersetzen. Diese wird von der ARGE DATEN im Rahmen ihres Beratungs- und Seminarservice angeboten und vermittelt. Verwendete Logos dienen ausschließlich zur Kennzeichnung der entsprechenden Einrichtung. Die verwendeten Bilder der Website stammen, soweit nicht anders vermerkt von der ARGE DATEN selbst, den in den Artikeln erwähnten Unternehmen, Pixabay, Shutterstock, Pixelio, Aboutpixel oder Flickr.

© ARGE DATEN 2000-2023 Information gemäß DSGVOwebmaster