1994/12/31 Sicher ist besser - Die Risikogesellschaft läßt grüßen
DIR Sippenhaftung ist im Verteidigungsministerium kein Fremdwort, denn der Feind ist überall.
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Sippenhaftung ist im Verteidigungsministerium kein Fremdwort, denn der Feind ist überall.
Das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) beschäftigt sich - unter anderem - mit der Sicherheit Österreichs. Dazu ist es notwendig, eine Reihe von geheimnisvollen und sagenumwobenen Bauwerken zu unterhalten. Angefangen vom "Schleinzer"-Wall bis zum ZAS, dem zentralen Ausweichrechenzentrumdes Bundes, der hochgeheimen Kommandozentralen in Bischofshofen.
Klar, daß zu diesen Bauwerken, die viele gestrige und manche heutige Staatsgeheimnisse enthalten, nicht jeder/jede Zutritt bekommt, sondern nur geprüfte, vertrauenswürdige Personen. So weit so gut, so weit auch einsichtig. Doch wer wird zum Risikoträger, wer ist ein potentieller Staatsfeind?
Auch diese Kriterien sind Staatsgeheimnisse und unterliegen der Geheimhaltung. Wer in Österreich Staatsfeind ist, weiß es oft selbst nicht. Doch ein Fragebogen "Angaben zur Person" (Drucksache 7530-0-101-0616 BMLV RL0724), verwendet zur "freiwilligen" Selbstauskunft zutrittswilliger (in der Regel imZuge von Wartungs- und Reperaturarbeiten zutreten müssender) Staatsbürger, läßt ahnen, nach welch krausen Gesichtspunkten die Militärs Risikoträger definieren.
Neben den Angaben Familienname, Geburtsdatum, Arbeitgeber, Funktion, Wohnadresse und Ehegatte(in) - gut so! - werden noch einige weitere pikante Details nachgefragt: So auch alle früheren Wohnorte, alle früheren Ehepartner und auch alle früheren Ehepartner des jetzigen Ehepartners, auch der Berufund Arbeitgeber des Ehepartners wird erkundet. (Sie wissen schon: die vielen osteuropäischen Tarnfirmen.) Auch von den Kindern werden Angaben über die Arbeitgeber verlangt, selbstverständlich werden die Daten der Eltern und allfälliger Geschwister erhoben.
Alle diese Daten dienen dem ausdrücklich genannten Zweck der "Überprüfung der Angaben". Die weitere Beauskunftung der Ehepartner der Kinder, der Geschwister der Eltern, der Kinder der Geschwister der Eltern oder der Ehepartner der Kinder der Geschwister der Eltern unterblieb offensichtlich nur ausÜberlegungen der Zweckmäßigkeit, da diese Informationen im Zuge der Überprüfung der im Fragebogen genannten Personen sowieso wieder anfallen und ansonsten der Fragebogen zu umfangreich und letztlich unausfüllbar geworden wäre.
Risikoträger ist nach diesen - eher wirren - Ideen, wer jemanden kennt, der jemanden kennt, der mit jemanden verwandt ist, der von jemanden abstammt, der aus einer Gegend stammt, die damals nicht, jetzt auch nicht mehr, aber zwischendurch, als Ostblock bezeichnet wurde.
Es kümmert dabei das Verteidigungsministerium wenig, daß die auskunftsgebenden Personen, natürlich völlig "freiwillig", zur Weitergabe von Daten Dritter genötigt werden, womit sich diese Personen, nur um ihren Job behalten zu können ("... eine Nichtbeantwortung zieht die Verweigerung derDauerpassierscheingenehmigung bzw. eine Nichtverwendung in bestimmten Bereichen/Dienststellen nach sich."), einer Verletzung der Verfassungsbestimmungen des DSG (Par. 1, Verletzung der Privatsphäre), schuldig machen.
Formell sind wir auf eine beherzte Person angewiesen, deren Daten als betroffene Dritte Person durch derartige "freiwillige" Angaben an das Bundesministerium für Landesverteidigung gelangten. Diese Person hätte nämlich ein Beschwerderecht vor der Datenschutzkommission, mit sehr gutenErfolgsaussichten.
Wir erwarten jedoch, daß bis dahin der Verteidigungsminister vor seiner eigenen Tür kehrt, und sicherstellt, daß Personen, die im Auftrag des BMLV tätig sind, nicht durch Aufforderung des BMLV zu Verfassungsbrechern werden. Natürlich völlig freiwillig.
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