1994/12/31 Rechtliche Grundlage der DSK aufgehoben
DIR (Dieter Kronegger)
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(Dieter Kronegger)
In einer Presseaussendung unmittelbar nach Bekanntwerden des Erkenntnisses haben wir bereits darüber berichtet: Der Verfassungsgerichtshof hat Par. 14 DSG als verfassungswidrig aufgehoben. Dieser Paragraph sah vor, daß man sich gegen Verletzungen des Datenschutzes im "öffentlichen Bereich" (das sindvor allem die Behörden und Kammern) bei der Datenschutzkommission beschweren könne.
Worum ging es beim Verfahren vor dem VfGH eigentlich? Zunächst einmal um drei völlig verschiedene Dinge. Drei Personen waren jeweils mit einem Bescheid der DSK nicht einverstanden und wandten sich an den VfGH.
In einem Verfahren ging es um die Datenübermittlung von der Arbeiterkammer Wien an den Gewerkschaftsbund. In einem weiteren Fall hatte sich ein Rechtsanwalt beschwert, der Eingaben elektronisch bei Gericht einbringt. Die dabei entstehenden Gerichtsgebühren werden von seinem Konto abgebucht. Dabeiwerden seiner Ansicht nach zu viele personenbezogene Daten (auch solche der Klienten) auf den Bankbelegen ausgedruckt. Die DSK wies die diesbezügliche Beschwerde ab. Im dritten Fall verlangte ein Wehrpflichtiger in Oberösterreich (vor allem) die Löschung überalterter Gesundheitsdaten vomMilitärkommando und vom Verteidigungsministerium. Die DSK hatte dies abgelehnt (siehe DIR 3/92, S. 66).
Alle drei Fälle landeten vor dem VfGH. Dieser ließ sie einige Zeit lang liegen und überlegte dann, ob es denn nicht überhaupt verfassungsrechtlich bedenklich sei, daß sich ein Bürger bei der DSK beschweren könne. In Art. 19 unserer Bundesverfassung ist nämlich von den "obersten Organen" derVollziehung (das sind vor allem die Bundesministerien) die Rede und mit "oberst" meine die Verfassung, daß diesen Organen kein anderes Organ übergeordnet werden dürfe. Deshalb leitete der VfGH ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Par. 14 DSG ein.
Die Bundesregierung meinte dagegen in ihrer Stellungnahme, daß die DSK ja nicht in den hoheitlichen Bereich der obersten Organe eingreife, sondern nur den im nichthoheitlichen Bereich ausgeübten Computereinsatz überprüfe. Die DSK schreibt den Ministerien ja nicht vor, welche Bescheide es erlassensoll, sondern nur, wie es die Bürotechnik einsetzen dürfe, die es zur Erlassung der Bescheide benötige.
Der VfGH hingegen grenzte nicht zwischen "hoheitlichem" und "nichthoheitlichem" Bereich ab, sondern (nach dem Wortlaut des DSG) zwischen dem "öffentlichen" und dem "privaten" Bereich. Für ersteren gelten die Vorschriften des 2. Abschnittes des DSG und damit auch die Möglichkeit der Beschwerde an dieDSK. Der "private Bereich" wird im 3. Abschnitt geregelt, hier sind für Streitfälle die Gerichte zuständig. Also, argumentierte der VfGH, könne die DSK ohnehin nur im "öffentlichen" Bereich angerufen werden und in diesem Bereich sei eine Überordnung über ein oberstes Organ unzulässig.
Insgesamt führte diese sehr formale Argumentation zum unbefriedigenden Ergebnis, daß mit Ende des Jahres die rechtliche Grundlage der DSK aufgehoben wurde. Wie es dann weitergehen soll, wenn der Gesetzgeber die mißliche Lage nicht saniert, weiß derzeit noch niemand so recht. Wahrscheinlich würdeaber ein Großteil der im DSG geregelten Rechte undurchsetzbar sein.
In den vor den VfGH gebrachten Rechtssachen selbst ist jedoch nichts Substantielles herausgekommen. Der VfGH hat die drei DSK-Bescheide wegen des Wegfalls der gesetzlichen Grundlage der DSK aufgehoben. Nun ist wieder die DSK dafür zuständig. Diese wird die Beschwerden wohl als unzulässigzurückweisen. (In den drei Anlaßfällen gilt der Wegfall des Par. 14 DSG nämlich nicht erst mit Jahresende, sondern sofort.)
Für juristisch Interessierte drucken wir hier den entscheidenden Teil des Erkenntnisses im Wortlaut ab.
Erkenntnis des VfGH vom 1. Dezember 1993, G 139141/93:
Spruch: "Par. 14 des DSG, BGBl Nr 565/1978, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1994 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im BGBl kundzumachen."
Aus der Begründung:
"... VI. Die im Beschluß über die Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens dargelegten Bedenken des VfGH gegen die Verfassungsmäßigkeit des Par. 14 DSG sind nicht zerstreut worden.
1. Nach Par. 35 Abs 1 DSG ist zur Wahrung des Datenschutzes iS des DSG - unbeschadet der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - (auch) die DSK berufen. Zu den Aufgaben der DSK gehört ua die Durchführung von Beschwerdeverfahren nach Par. 14 DSG (Par. 36 Abs 1 Z 1 DSG). Die Möglichkeit, wegenVerletzung von Bestimmungen des DSG oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen mit einer Beschwerde iS des Par. 14 DSG die DSK anzurufen, besteht nur im "öffentlichen Bereich". Die den "öffentlichen Bereich" betreffenden Bestimmungenfinden sich im 2. Abschnitt des Art. 2 DSG.
Die Bestimmungen des 2. Abschnittes sind gemäß Par. 4 Abs 1 DSG auf den Datenverkehr (s dazu die Begriffsbestimmungen in Par. 3 Z 12 DSG idF der DSG-Novelle 1986, BGBl 370) von oder im Auftrag von Rechtsträgern anzuwenden, die durch Gesetz eingerichtet sind, soweit es sich nicht um Rechtsträger nachPar. 5 DSG handelt. Nach Par. 5 Abs 1 DSG sind auf die Verarbeitung von Daten von oder im Auftrage von Ländern oder von Rechtsträgern, die durch Gesetze eingerichtet sind, und deren Einrichtung hinsichtlich der Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fällt, sowie von oder im Auftrage vonGemeinden oder Gemeindeverbänden die Bestimmungen des 2. Abschnittes mit bestimmten (im gegebenen Zusammenhang nicht bedeutsamen) Modifikationen anzuwenden.
Gemäß Par. 4 Abs 2 DSG sind durch Verordnung der Bundesregierung (nach Anhörung des DSR) Rechtsträger iS des Par. 4 Abs 1 DSG, soweit sie in Formen des Privatrechts tätig sind, für diese Tätigkeitsbereiche von der Anwendung des 2. Abschnittes auszunehmen.
Für diese Bereiche findet der 3. Abschnitt des DSG Anwendung. Auch Rechtsträger iS des Par. 5 Abs 1 DSG sind, soweit sie in Formen des Privatrechts tätig sind, für diese Tätigkeitsbereiche von der Anwendung des 2. Abschnittes auszunehmen, und zwar gemäß Par. 5 Abs 2 DSG (diese Bestimmung steht nachAufhebung der durch Art I Z 3 der DSG-Novelle 1986 geänderten Fassung durch das Erkenntnis des VfGH VfSlg 12194/1989 [s dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl 609/1989] wiederum in der Stammfassung in Geltung) in einer nach Anhörung des DSR zu erlassenden Verordnung der Landesregierung. Fürdiese Bereiche findet (gleichfalls) der 3. Abschnitt des DSG Anwendung.
Ansprüche gegen nicht den Bestimmungen der Par. 4 oder 5 unterliegende Rechtsträger, wie sie sich aus dem 3. Abschnitt des DSG ergeben, sind auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen (Par. 28 Abs 1 DSG; s in diesem Zusammenhang auch die - im Verfassungsrang stehende - Vorschrift des Par. 1Abs 6 DSG, wonach das Grundrecht auf Datenschutz im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen ist, soweit Rechtsträger in Formen des Privatrechts tätig sind).
2. Der VfGH teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß in der Ermöglichung einer Beschwerde an die DSK nicht die Eröffnung eines Instanzenzuges liegt. Die DSK - die bei der Durchführung von Verfahren über Beschwerden iS des Par. 14 Abs 1 DSG (s dazu auch Par. 36 Abs 1 Z 1 DSG) das AVG anzuwendenhat (Art II Abs 2 lit A Z 24a EGVG) - ist demnach keine im Instanzenzug übergeordnete Behörde. Sie wird vielmehr, wenn sie mit einer Beschwerde nach Par. 14 Abs 1 DSG angerufen wird, stets in erster und, da ihre Entscheidungen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege unterliegen (Par.36 Abs 3 erster Satz DSG), einziger Instanz tätig. Dies findet eine Bestätigung in der - von der Bundesregierung in ihrer Äußerung auszugsweise wiedergegebenen - Regierungsvorlage zum DSG (72 BlgNR 14. GP, Zu Par. 11, Zu Par. 20).
Die Zuständigkeit der DSK zur Entscheidung über Beschwerden nach Par. 14 DSG ist, wie schon die systematische Einordnung dieser Bestimmung zeigt, auf den öffentlichen Bereich iS des 2. Abschnittes des DSG beschränkt. Beschwerden an die DSK wegen Verletzung von Bestimmungen des DSG oder der auf Grunddieses Gesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen können sich demnach in zulässiger Weise nur gegen ein Verhalten richten, das einem Organ eines den Bestimmungen der Par. 4 oder 5 DSG liegenden Rechtsträgers zuzurechnen ist.
Die Ausnahme solcher Rechtsträger von der Anwendung des 2. Abschnittes des DSG (mit der Rechtsfolge der Anwendbarkeit des mit "Privater Bereich" überschriebenen 3. Abschnittes dieses Gesetzes) kommt nur insoweit in Betracht, als sie in Formen des Privatrechts tätig werden (Par. 4 Abs 2 und Par. 5Abs 2 DSG).
Insbesondere diese Regelung läßt erkennen, daß nach dem Konzept des DSG der der Besorgung hoheitlicher Aufgaben dienende Einsatz automationsunterstützter Datenverarbeitung nicht jenem Bereich zugehört, in dem die Bestimmungen der Par. 4 und 5 DSG unterliegenden Rechtsträger in Formen desPrivatrechts tätig werden und in dem somit eine Anrufung der DSK mit einer Beschwerde nach Par. 14 DSG rechtlich ausgeschlossen ist. Dies zeigt auch die im Verfassungsrang stehende Vorschrift des Par. 1 Abs 6 DSG, derzufolge das Grundrecht auf Datenschutz im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machenist, soweit Rechtsträger in Formen des Privatrechts tätig sind (vgl dazu VfSlg 12194/1989). Aus dem Erkenntnis VfSlg 8844/1980 kann schon deshalb nicht etwas anderes abgeleitet werden, weil es von der vor dem Inkrafttreten des DSG in Geltung gestandenen Rechtslage auszugehen hatte.
3. Wie der VfGH bereits in dem das Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß hervorgehoben hat, wird durch die Anrufung der DSK mit einer Beschwerde nach Par. 14 DSG zwar ein eigenes Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, doch geht es in einem solchen Verfahren nicht, wie in den Fällen derErkenntnisse VfSlg 10270/1984 und 12220/1989, darum, daß die DSK in einer zunächst in die Zuständigkeit eines anderen Organes gefallenen Angelegenheit eine erstinstanzliche Entscheidung anstelle dieses Organes trifft.
Die DSK ist vielmehr, soweit ihr die Entscheidung über Beschwerden iS des Par. 14 DSG obliegt, zur Überprüfung jenes Verhaltens einer bestimmten Stelle berufen, gegen das sich eine solche Beschwerde richtet, und zwar zur Überprüfung daraufhin, ob darin eine Verletzung von Bestimmungen des DSG oderder auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen gelegen ist, durch die der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt werden konnte. Insoweit kommt somit der DSK eine Kontrollfunktion gegenüber jener Stelle zu, deren Verhalten in Beschwerde gezogen wird.
Dies zeigt sich auch in jenen Vorschriften des DSG, aus denen die Rechtsverbindlichkeit einer iS des Par. 14 Abs 1 DSG ergangenen Entscheidung der DSK hervorgeht: So sind etwa, wenn die DSK eine Verletzung von Bestimmungen des DSG und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenenDurchführungsbestimmungen festgestellt hat, die Verwaltungsbehörden verpflichtet, mit denen ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung der DSK entsprechenden Zustand herzustellen (Par. 37 Abs 1 erster Satz DSG). Nach Par. 12 Abs 1 iVm Abs 2 Z 4 DSG hat einAuftraggeber unrichtige oder entgegen den Bestimmungen des Par. 6 DSG ermittelte oder verarbeitete Daten auf Grund einer Entscheidung der DSK richtigzustellen, zu löschen oder die Richtigstellung oder Löschung zu veranlassen.
In der Kontrollfunktion der DSK, insbesondere in der darin gelegenen Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechtsanschauung, liegt eine Überordnung der DSK gegenüber jenen Stellen, gegen deren Verhalten die DSK mit einer Beschwerde iS des Par. 14 Abs 1 DSG angerufen wird.
Soweit diese Überordnung gegenüber einem obersten Organ der Vollziehung (vor allem) iS des Art 19 Abs 1 BVG (mit Ausnahme der Staatssekretäre; s dazu Art 78 Abs 2 und 3 BVG) besteht, steht sie mit der verfassungsrechtlich begründeten Stellung des betreffenden obersten Organes der Vollziehung inWiderspruch.
Gleich wie es nämlich verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist, ohne bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung (vgl etwa die bundesverfassungsrechtliche Grundlegung der Unabhängigen Verwaltungssenate durch Art 129a BVG) durch einfaches Gesetz einen Instanzenzug gegen Bescheide eines obersten Organesvorzusehen oder sonst eine Verwaltungsbehörde zur Überprüfung eines solchen obersten Organes zu berufen, muß es auch als verfassungsrechtlich unzulässig angesehen werden, eine Verwaltungsbehörde mit der nachprüfenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verhaltens (auch) eines obersten Organes derVollziehung in der Art zu betrauen, wie dies durch Par. 14 Abs 1 DSG geschehen ist.
Damit erweist sich die - nicht trennbare (s dazu oben unter III.) - auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes stehende und nicht durch eine bundesverfassungsrechtliche Norm gedeckte Vorschrift des Par. 14 DSG als verfassungswidrig. Sie war darum aufzuheben. ..."
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