1994/12/31 Liebe Leserinnen! Liebe Leser!
Herausragendes, wenngleich unrühmliches Ereignis für Österreichs Datenschutz war das Erkenntnis G 139-141/93 des Verfassungsgerichtshofes. In diesem wurde festgestellt, daß das Wirken der Datenschutzkommission als Beschwerdestelle gegen öffentliche Datenverarbeiter verfassungswidrig ist. Damit wurdedem Bürger die Beschwerdemöglichkeit bei Datenschutzverletzungen öffentlicher Stellen entzogen.
Schon die Erfahrungen der letzten Jahren zeigten, daß der Einzelne im privaten Bereich die durch Gerichte geschaffene Beschwerdeinstanz praktisch nicht wahrnehmen konnte (überlange Verfahrensdauer, unüberschaubares Prozeß- und Kostenrisiko, keinerlei Sanktionen oder Entschädigungsmöglichkeiten beifestgestellten Datenschutzverletzungen). Die bloße Aussicht auf Feststellung des Gerichtes, die Organisation XY hat das Datenschutzgesetz verletzt und soll das in Zukunft unterlassen, rechtfertigte für den Normalbürger nicht eine Datenschutzklage. Die wenigen Verfahren, die aus grundsätzlichenÜberlegungen angestrengt und durchgezogen wurden (durch den Verein für Konsumenteninformation, die ARGE DATEN oder die Datenschutzkommission) führten zu keinen nachhaltigen Verbesserungen im Datenschutzbereich.
Aufgeschreckt durch die Pressemeldungen der ARGE DATEN bemühte sich das Bundeskanzleramt um Schadensbegrenzung. Die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der DSK sei ja nicht mit sofortiger Wirkung aufgehoben, sondern bloß mit Ende 1994. Bis dahin hat der Gesetzgeber Gelegenheit, diesenVerfassungslapsus zu reparieren. Bis dahin gibt es also noch die Beschwerdemöglichkeit bei der DSK.
Wir empfehlen allen Datenschutzinteressierten, bei Datenschutzproblemen mit öffentlichen Stellen noch kurzfristig Beschwerden bei der DSK einzubringen. Einmal eingebrachte Beschwerden müssen auf jeden Fall behandelt werden. Die Einbringung von Beschwerden ist kostenlos, sie kann formlos erfolgen underfordert auch keine besonderen juristischen Kenntnisse. Notwendig ist es, den Sachverhalt, der eine Datenschutzverletzung durch eine öffentliche Stelle vermuten läßt, möglichst genau zu schildern. Für Hilfestellungen steht Ihnen das ARGE DATEN-Team gerne zur Verfügung.
Wie die Reparatur der aufgehobenen Datenschutzbestimmung aussehen wird, ist noch völlig unklar. Die Handlungspalette des Nationalrats ist weitreichend, betrachtet man jedoch die Genesis neuerer Gesetzesvorhaben (Aufenthaltsgesetz, Fernmeldegesetz, Gentechnikgesetz, ...), dann müssen auch extremdatenschutz- und bürgerfeindliche Lösungen befürchtet werden.
Die billigste Lösung wäre, den Par.14 DSG einfach unverändert als Verfassungsbestimmung wieder zu beschließen. Es wäre das die unsägliche Wiederholung der sogenannten 'Taxi-Konzessions'-Lösung. Als vor Jahren auch die Bedarfsprüfung für Taxikonzessionen als verfassungswidrig erkannt wurde(Einschränkung der Erwerbsfreiheit), hat der damalige Nationalrat - quasi als Retourkutsche an den Verfassungsgerichtshof - die aufgehobene Bestimmung in den Verfassungsrang erhoben.
Eine zweite - auch billige - Lösung wäre das ersatzlose Streichen der Beschwerdemöglichkeit. Dann stünde bei Datenschutzverletzungen dem Bürger nur der Weg zum Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshof offen. Mit ähnlich (unüberwindbar) hohen Hürden, wie heute die Klage gegen Datenschutzverletzungenim Privatbereich.
Eine dritte - große - Regelung bestünde darin, den gesamten Bereich der Bürgerrechte auf Datenschutz ('subjektive Rechte') neu zu definieren und zu regeln und die daraus resultierenden Verfahren (Auskunfts-, Richtigstellungs- und Löschungsverfahren, bzw. Prüfungsverfahren bezüglich Achtung derPrivatsphäre) verfassungskonform neu zu strukturieren und zu definieren. Ob dann noch eine DSK notwendig ist, oder ob nicht das gesamte Beschwerderecht besser bei einer Anwaltschaft, vergleichbar den Patientenanwälten oder einer Schlichtungsstelle, wie der des Mietrechts oder der Arbeitsgerichteaufgehoben ist, wäre zu diskutieren.
Damit im 'Super'-Wahl- und EU-Volksabstimmungsjahr Datenschutzfragen nicht zum bloßen Faust- und Eintauschpfand für irgendwelche andere Bestimmungen werden, will die ARGE DATEN - gemeinsam mit ihren Mitgliedern und Datenschutzinteressierten - Vorschläge ausarbeiten, die eine umfassende Neuordnungdes Datenschutzes erlauben.
Erinnern Sie sich noch? 1991, zum Höhepunkt der Krise um die Staatspolizei versprachen Innenministerium und Ministerium für Landesverteidigung allen Österreichern und Österreicherinnen rückhaltlos Auskunft über ihre Spitzelakte zu geben. Tausende Menschen hatten davon Gebrauch gemacht, mit zum Teildeprimierenden Ergebnissen. Kryptische Floskeln, wie 'es sind keine Daten im Sinne der Anfrage in Evidenz' (Was heißt 'im Sinne der Anfrage'? Was heißt 'in Evidenz'? Sind Daten vorhanden oder nicht?) waren die 'Auskunft'.
Alle Menschen, die die damalige Auskunftswelle versäumten oder mit der damaligen Auskunft nicht zufrieden waren, können jetzt ihr Begehren neu einbringen. Wesentlicher Unterschied zu damals: Jetzt wurde auch im Nationalrat ein Prüfausschuß der HAA/HNA-Aktivitäten eingesetzt. Bürgerinnen (undselbstverständlich auch Bürger) können sich, wenn sie mit dem Auskunftsergebnis nicht zufrieden sind, an eine Parlamentspartei ihres Vertrauens wenden. Diese hat dann die Möglichkeit, einen allfällig vorhandenen Spitzelakt anzufordern und die Auskunft auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Und damit alles ganz leicht geht, haben wir ein entsprechendes Auskunftsformular auf den letzten DIR-Seiten abgedruckt. Für Rückfragen und Beratung steht Ihnen das ARGE DATEN-Team gerne zur Verfügung.
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Nur bei einer kontinuierlich steigenden Mitgliederzahl können wir die immer umfangreicheren Anforderungen zu Datenschutz erfüllen.Besonders die personalintensive Einzelfallbetreuung erfordert hohe Kosten.
Seminare Frühjahr 1994
21.4.1994 Datenschutz für Unternehmen und Vereine
19.5.1994 Telekommunikation als strategisches Informationskonzept
9.6.1994 Revisionsverfahren und Datensicherheit
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