1993/12/31 Mißglückte Werbekampagne
DIR Direkt-Mail ist effizient. Direkt-Mail minimiert Streuverluste. Direkt-Mail weiß - aufgrund der gesammelten Kundendaten ...
Direkt-Mail ist effizient. Direkt-Mail minimiert Streuverluste. Direkt-Mail weiß - aufgrund der gesammelten Kundendaten - genau was ein Kunde wünscht.
So oder so ähnlich erklärt uns die Adreßverlagsbranche die Vorteile der "persönlichen Werbung", sprich die Erstellung von Computerserienbriefen. Nun ist die Erstellung eines Computerbriefes an sich nicht schlecht, nicht einmal die Erstellung eines Serienbriefes. Sie halten mit dem DIR einelektronisch erzeugtes Produkt in der Hand, die ARGE DATEN setzt fallweise Serienbriefe ein, um Ihre Mitglieder und Abonnenten anzuschreiben.
Entscheidend ist jedoch der informationelle Hintergrund, vor dem derartige Direkt-Mails abgewickelt werden. Und da krankt es, trotz Liberalisierung des Gewerberechts, bei vielen Adressenverlagen. Bisher haben wir uns bei der datenschutzrechtlichen Diskussion auf die besonderen Schutzbedürfnisse derDirekt-Mail-Konsumenten (den Adressaten) konzentriert. Der Konsument soll durch zielgruppengesteuerte Direkt-Mails nicht ein verfälschtes Bild erhalten. (Nach dem Muster: Marke A wird den 20-30jährigen als "jung, dynamisch, weltoffen" vermarktet, dasselbe Produkt jedoch den 50-60jährigen als"qualitäts- und traditionsbewußte Alternative zum neumodischen Schnickschnack".) Wir hatten im Zusammenhang mit Wahlwerbung auf einige besonders unappetitliche Zielgruppenaussendungen hingewiesen.
Diesmal wollen wir uns den Geschäftspraktiken des Direkt-Mail von der Kundenseite nähern. Was erwartet einen Kunden, einen kleinen Gewerbebetrieb, wenn er hoffnungsfroh die Marketingdienste eines Adressenverlages in Anspruch nimmt?
Dazu ein kleines Szenario aus dem letzten Sommer. Sonne ist schön, Baden ist schön, Campen ist schön, Computern ist schön. Wie schön muß dann das Sommer-Sonne-Computer-Camp sein, so dachte sich die Firma C.(*) und entwarf ein entsprechendes Produkt, Zielgruppe 10-17jährige Jugendliche.
Doch wie an diese Jugendlichen herankommen? Die C.-Firma wendet sich daher vertrauensvoll an Z.(*)-Marketing, eine bekannte Adressenvermittlungsfirma. Alles kein Problem, erklärt routiniert die Dame von Z.-Marketing, haben wir gleich gelöst: Unser Angebot 5000 Stück Jugendadressen, 10-14-jährig,frisch, das heißt mit einem Retourenanteil von unter 5%.
Der Sommer naht, das Computercamp muß gefüllt werden, C.-Firma greift zu: "Es hat alles so glaubhaft geklungen. Ich habe 5000 Adressen erkauft - Werbematerial von fast öS 30.000.- zur Verfügung gestellt (Prospekte, Begleitkarten, Begleitbriefe, Kuverts) und auch einen Auftrag zum Kuvertieren undAufgabe am Postamt gegeben." Neben einer üppigen "Porto-Vorauszahlung" beginnen auch gleich die Schwierigkeiten der C.-Firma: Das Computercamp rückte näher, die Post blieb jedoch sicherheitshalber eine Woche liegen.
Dann war es soweit, das Mailing war draußen, die C.-Firma wartete gespannt auf einen wahren Postregen an Buchungen. Der Postregen kam auch, jedoch nicht in Form der erwünschten Bestellungen, sondern in Form von Retouren: "Empfänger verzogen" und "Empfänger unbekannt" waren noch die freundlichstenVermerke der Postfüchse. Immer mehr Sendungen kamen mit dem Vermerk "Empfänger verstorben" retour. Erboste Verwandte und Bekannte meldeten sich, drohten mit Anzeige, weil Adressaten schon 4-6 Jahre verstorben waren. Insgesamt 17,12% (oder 856 Poststücke) fanden ihren Weg zurück zum Absender.
Z.-Marketing, von der C.-Firma darauf angesprochen, reagiert - wiederum - routiniert: Da müsse es sich um einen Computerfehler handeln. Das müsse man überprüfen, da gäbe es noch einiges nachzuforschen.
Die Zeit vergeht, das Camp naht, noch immer kommen keine Bestellungen aufgrund dieser Aussendung. Z.-Marketing ist ebenfalls im Cyberspace ihrer Adressencomputer verschwunden. Funkstille. Dann, nach vielen Wochen Urgenz, das kulante Angebot: Man wäre bereit, noch eine Aussendung zu machen. Freilich:Das Porto müsse die C.-Firma schon selbst tragen, ebenso die Prospekte selbst neu drucken. Was stört es Z.-Marketing, daß mittlerweile der Computer-Camp-Termin vorbei ist?
Ihr Geschäft ist im Trockenen.
Dazu unsere Tips:
Verwenden Sie, wenn immer möglich, eigenes Adressenmaterial. Nur dieser Interessenten- und Kundenkreis ist tatsächlich an ihren Produkten interessiert. Bei allen anderen Interessentenkreisen müssen Sie immer mit hohen Streu- und Imageverlusten rechnen.
Wenn Sie glauben, unbedingt fremdes Datenmaterial benutzen zu müssen, verlangen Sie unbedingt detaillierte Angaben über die Herkunft der Daten und daß diese Daten auch gemäß den Bestimmungen des DSG beschafft wurden. Nehmen Sie Kontakt mit dem Lieferanten des Adressenmaterials auf. Lassen Sie sichbestimmte Eigenschaften (z. B.: nur Kunden des Adressenlieferanten oder nur Kunden des letzten Jahres oder nur Kunden mit mehrmaligen Einkäufen usw.) vertraglich zusichern.
Fixieren Sie eine maximale Rücklaufquote und welche Entschädigung Sie für darüber hinausgehende Rückläufer erhalten (Post-Versandkosten, Kosten für Werbematerial).
Lassen Sie sich Kontrollrechte bei der Fertigung Ihres Mails zusichern.
Nehmen Sie eine genaue Definition der selektierten Daten in die Geschäftsbedingungen auf, z. B.: männliche Jugendliche 10-17 Jahre, HS- oder AHS-Ausbildung statt: Jugendlicher moderne Postkäufer mit hoher Kaufkraft (was soll das sein?).
Sollte ein Adressenverlag nicht bereit sein, umfassende Auskunft über Qualität, Herkunft und Verarbeitung der Daten zu geben oder sich vielleicht dabei gar auf "Geschäftsgeheimnisse" oder "Datenschutz" berufen, Finger weg! Derartiges Adressenmaterial ist praktisch immer mit Uraltadressen durchmischtund ertlos.
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