1993/12/31 Fenster zum Abgrund
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Undocumented Windows, Referenz der reservierten MS Windows API-Funktionen
Daß für MS-DOS der Terminus "Betriebssystem" bislang nicht so ganz angebracht ist, wird kaum ein EDV-Guru bestreiten. MS WINDOWS erfüllt da schon deutlich mehr Kriterien, um als ein solches zu gelten.
Strikte Trennung von hardwarespezifischen Modulen und allgemeinen Ein-/Ausgabefunktionen gehören ebenso dazu wie Multitasking-Fähigkeiten. WINDOWS ist nun seit der Version 3.0 zusammen mit der Herausgabe des SDK (Software Development Kit) ein recht offenes System geworden, das dem Entwickler mehrals tausend verschiedene API(Application Programming Interface)-Funktionen zur Verfügung stellt. Praktisch alles, von der Menüsteuerung bis zu Grafikdarstellungen, läßt sich nun aus den Bestandteilen dieses riesigen Computer-Lego-Baukastens zusammensetzen und bietet die Gewißheit (nun ja...), stetsWINDOWS-konform mit anderen Modulen zu kooperieren und praktisch auf jedem PC zu laufen, der mit WINDOWS irgendwie zurechtkommt.
Das Ende der herkömmlichen Freistil-Programmierung schien also angesagt.
Was hat nun Microsoft bewogen, eine ganze Anzahl - durchaus wesentlich erscheinender - Legosteine dieses Systems vor den Entwicklern zu verbergen? Schulman et al. versuchen, darauf Antwort zu geben; dies mit gewissen Anleihen an den Stil des Enthüllungsjournalismus, gewürzt mit Firmenklatsch ausdem Hause Microsoft. Beweggründe für das Verhalten dieses Softwarehauses kristallisieren sich mehrere heraus - und werfen ein Schlaglicht auf das Innenleben der gesamten Softwarebranche:
Erstens - beschämtes Verhüllen von nicht ganz sattelfesten ad-hoc-Lösungen, die künftiger Verbesserung bedürfen; zweitens - provisorische Anpassungen, um bereits überholte Methoden noch lauffähig zu erhalten, Neuentwicklungen davon aber fernzuhalten; drittens - subtile marktpolitische Strategie,soll heißen, man hängt nicht alles an die große Glocke um bei speziellen Problemlösungen (etwa bei Entwicklungstools) die Nase vorn zu haben (oder sich etwaige Konkurrenz selbst zu bestimmen); und nahe verwandt damit - viertens - man benützt Methoden, deren Standardisierung noch im Gange ist undwo andere Firmen die Suppe noch versalzen können - oder auch die eigene Entwicklungsabteilung...
All diese Abgründe haben die Autoren nun ausgeleuchtet. Über 250 undokumentierte Funktionen und Strukturen von WINDOWS werden nach einführenden Kapiteln erläutert und nach ihrer Funktionalität bewertet.
Der fachkundige Anwender ist damit in der Lage, Risiko und Vorteile des Einsatzes solcher Funktionen abzuwägen. Für Neugierige, die sich auf die Fersen der Autoren heften wollen, gibt es auf der beiliegenden Diskette einige Utilities für das Schnüffeln in eigener Sache. Und wer als alter Hase dieSDK-Tools und ihre Dokumentation schon in- und auswendig kennt, der findet in diesem Werk immer noch einige neue Aspekte von WINDOWS. Eines sei noch angemerkt: auch die deutsche Version des Buches ist lesbar - die gequälte "Deutschtümelei" bei Fachausdrücken, wie sie von Übersetzungen einschlägigerManuals nur zu bekannt ist, unterbleibt hier auf weiten Strecken zugunsten moderater und leichter verständlicher Anglizismen.
SCHULMAN, A., Undocumented Windows, Referenz der reservierten MS Windows API-Funktionen. Addison-Wesley GmbH., 53111 BONN, Wachsbleiche 7-12, 1992. ISBN: 3-89319-450-9, 740 S., DM 99.90
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