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1993/12/31 Wanze im Netz
Illegale Datenschnüffeleien der deutschen TELEKOM

Über vier Jahre lang hat die bundesdeutsche Telefongesellschaft TELEKOM Verbindungsdaten von Teilnehmern erhoben und auch ausgewertet - ohne deren Wissen, von Zustimmung ganz zu schweigen. Eine routinemäßige Überprüfung durch den Datenschutzbeauftragten in Köln brachte einen Zufallsfund und einigesErstaunliche zutage.

Im Fernmeldeamt 2 in Köln war der Besuch des Datenschutzbeauftragten des Bundes längst angekündigt. Wie es im Bundesbereich bei Routinekontrollen Gepflogenheit ist. Kein deutscher Beamter muß damit rechnen, überfallsartig von Datenschützern durchleuchtet zu werden. Bürokratische Routine undBüroschlaf bleiben damit gewahrt.

Offensichtlich war letzterer in besagtem Amt etwas zu tief. Denn die bundesdeutschen Postfüchse vergaßen dort nicht nur, rechtzeitig überflüssige Daten zu löschen, es handelte sich darüber hinaus noch um solche, die sie von Rechts wegen eigentlich gar nicht hätten erheben dürfen. Nämlich dieVerbindungsdaten von über 4.000 Telefonkunden, also deren Rufnummern, sowie Datum, Uhrzeit und Gesprächsdauer. Und die natürlich registriert, ohne die Betroffenen zu informieren. Vielleicht hätten sie ja dadurch ihr Telefonverhalten geändert. Wer weiß.

Über Jahre hinweg, zuletzt noch im Februar 1992, speicherte so die TELEKOM heimlich diese Daten von privaten und Geschäftsanschlüssen, um damit die Telefoniergewohnheiten ihrer Kunden zu registrieren und auszuwerten. Für den Bundesdatenschutzbeauftragten Joachim Jacob ein klarer Fall vonRechtsbruch: "Dieses ist ein Eingriff in das Post- und Fernmeldegeheimnis und dafür ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich" um mit Nachdruck hinzuzufügen: "die wir NICHT sehen."

Inzwischen hat die TELEKOM zugegeben, nicht nur in Köln, sondern bundesweit Daten aufgezeichnet zu haben. Der Zweck dahinter war sozusagen eine Art Marktforschung, wollte die TELEKOM doch wissen, ob die Kunden nach Tarifänderungen ein geändertes Telefonverhalten an den Tag legen. So zumindest DieterGallist von der TELEKOM: "Es geht für uns darum, daß wir aus dem Telefonierverhalten ableiten, welche Investitionen ins Netz wir vorzunehmen haben, es geht also darum, Investitionen und das Netz selbst letztlich zu optimieren."

Offiziell bestätigen mußte die TELEKOM, daß seit dem Jahr 1989 derartige Registrierungen liefen, und sie will die Berechtigung dazu seinerzeit aus der deutschen Telekommunikationsordnung abgeleitet haben. Aber spätestens mit Inkrafttreten der Datenschutzverordnung vom Juni 1991 war dieseVorgangsweise unzweifelhaft illegal. Auch öffentliche Beteuerungen von Dieter Gallist in der ARD-Tagesschau konnten diesen Vorwurf nicht entkräften: "Wir haben nicht heimlich überwacht, wir haben Verkehrsströme gemessen, und wir haben in keiner Weise den Inhalt der Gespräche abgehört oderbelauscht."

Als ob das allein nicht schon genug wäre. Schließlich sind solche Verbindungsdaten - geraten sie nur an die richtige Stelle - nicht bloß Zündstoff für familiäre Krisen und Arbeitsbeschaffung beispielsweise für Scheidungsanwälte; auch und gerade das Kommunikationsverhalten von Firmen birgt höchstexplosives Potential in sich: bei stark kundenorientierten Unternehmungen - etwa im Bereich der Marketingberatung oder in der p.r.-Branche - sind solche Daten schon fast so gut wie eine geklaute Kundendatenbank.

Oder manchmal sogar noch besser - wenn nämlich Durchwahlnummern mitgespeichert werden, und man damit gleich die richtigen Kontaktpersonen zur Hand hat. Und die Intensität der Gespräche gibt Insidern von der Konkurrenz gleich Aufschluß über den aktuellen Geschäftsgang. Gelangen Konkurrenten nureinmal in den Besitz solcher Daten, dann stünde gezielten Abwerbeaktionen nichts mehr im Wege...

Harmlos ist dieser Vorfall also überhaupt nicht. Und wo Daten fast ein halbes Jahrzehnt scheinbar unbemerkt ihr illegales Schattendasein fristen, und nur durch eine Routinekontrolle zufällig entdeckt werden, würde es schließlich kaum auffallen, wenn diese auch irgendwann einmal den Besitzergewechselt hätten. Zur Vorgangsweise der TELEKOM noch einmal Originalton Gallist: "Die Daten sind unmittelbar, nachdem sie gemessen wurden, vernichtet worden, also die Daten des Jahres 89 wurden unmittelbar im Jahr 89 vernichtet, es wurde auch nie hinterhergegangen, welche Namen zu welchen Nummern,oder welche Nummern zu welchen Namen gehören, es wurde alles unmittelbar vernichtet."

Bundesdatenschutzbeauftragter Joachim Jacob hat inzwischen den Beweis in Händen: dem war nicht so.


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