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1993/12/31 Staatszielbestimmungsgesetz
DIR Der Kärntner Landtag hat beschlossen, Ehe und Familie in die Landesverfassung aufnehmen zu wollen. Nun hat die Landesreg...

Der Kärntner Landtag hat beschlossen, Ehe und Familie in die Landesverfassung aufnehmen zu wollen. Nun hat die Landesregierung einen Entwurf vorgelegt, der dieses Ziel umsetzen soll. Neben der "Förderung der Familie" (das Wort "Ehe" kommt im Entwurf nicht vor) sollen auch verschiedene andere sozialeGrundrechte festgeschrieben werden - der Datenschutz hingegen fehlt.

Gesetzestechnisch gesehen handelt es sich um ein "Landes-Verfassungsgesetz", das Gesetz wird also den höchsten Stellenwert erlangen, den der Kärntner Landtag vergeben kann. Als Verfassungsgesetz bindet es die Landesgesetzgebung und die durch Kärntner Behörden ausgeübte Vollziehung der Gesetze.Solche "Staatszielbestimmungsgesetze" haben ihre Vorteile und Nachteile. Der größte Nachteil: Das Gesetz ist nur theoretisch verbindlich, in der Praxis kann es niemand durchsetzen, da es nur Absichtserklärungen enthält, aber niemandem ein konkretes Recht gewährt. Der Vorteil: DurchStaatszielbestimmungsgesetze können Bereiche wenigstens hilfsweise geregelt werden, die rechtlich nicht in den Griff zu bekommen sind.

Ein Beispiel: Arbeitsplatzsicherung ist ein wichtiges politisches Ziel. Es ist aber nicht möglich, jemandem einen einklagbaren Anspruch auf einen geeigneten Arbeitsplatz zu gewähren. Wenn es keinen Arbeitsplatz gibt, kann auch ein Gesetz ihn nicht herbeischaffen. Durch die Festschreibung des Zielsder Arbeitsplatzsicherung in einem Staatszielbestimmungsgesetz kann aber doch ein gewisser Einfluß der Politik auf das Recht ausgeübt werden. Der Verfassungsgerichtshof kann bei der Prüfung eines Landesgesetzes auf seine Verfassungsmäßigkeit das Staatszielgesetz als Maßstab nehmen und einArbeitsplätze gefährdendes Gesetz dann aufheben.

Der Entwurf der Kärntner Landesregierung sieht in neun Paragraphen vor: den "Schutz der Privatsphäre des Menschen" (siehe unten), die "Förderung der Familie ... als Grundlage der menschlichen Gemeinschaft", den "Schutz von Kindern und Jugendlichen", die "Unterstützung der Eltern ... in ihrerPflicht, die Kinder zu pflegen und zu erziehen" (das Land Kärnten "achtet den Vorrang des Erziehungsrechtes der Eltern"), die Koalitionsfreiheit (= Vereinsfreiheit, vor allem die Freiheit, Gewerkschaften zu bilden), die Arbeitsplatzsicherung, soziale Sicherheit ("insbesondere im Alter, bei Krankheitund im Falle von Arbeitslosigkeit"), den Schutz der Gesundheit und "das Interesse der Behinderten auf Rehabilitation und Integration".

Der Umweltschutz wurde schon früher in einem eigenen Landesgesetz festgeschrieben. Kärnten wird - wenn der Landtag das Gesetz beschließt - mehr soziale Rechte als jedes andere Bundesland festgeschrieben haben. Auch auf Bundesebene sind einige dieser sozialen Rechte noch nicht in der Verfassungverankert.

Wir nahmen das Gesetz zum Anlaß, grundsätzliche Überlegungen zur Verankerung informationsrechtlicher Ziele in einem Verfassungsgesetz anzustellen. Wie immer, wenn wir uns ein Gesetz ansehen, standen dabei beide Aspekte des Informationsrechts (im weiteren Sinne) im Vordergrund: Die Regelung desInformationsflusses vom Bürger zum Staat (Recht auf Datenschutz) und die Regelung des umgekehrten Informationsflusses (Informationsrecht im engeren Sinn, Auskunftsrecht). Bei beiden Richtungen gilt es, den Staat zugunsten der Bürger zu begrenzen - wie bei allen Grundrechten.

Stellungnahme der ARGE DATEN:

Die ARGE DATEN unterstützt die Absicht der Kärntner Landesregierung, Staatszielbestimmungen in die Kärntner Landesverfassung aufzunehmen, und bringt zwei Vorschläge zur Erweiterung dieses Gesetzes ein:

1. Grundrecht auf Datenschutz

Die ARGE DATEN begrüßt zwar, daß schon in Par. 1 der "Schutz der Privatsphäre des Menschen" festgeschrieben werden soll, vermißt aber die Sicherung des Grundrechts auf Datenschutz. Der Datenschutz wird zwar nach nationaler und internationaler Rechtsprechung auch durch Art. 8 MRK umfaßt, allerdingsist diese Vorschrift nun schon 42 Jahre alt, wurde also in einer Zeit formuliert, als dem Datenschutz noch nicht dieselbe Bedeutung zugemessen wurde wie jetzt.

Beginn Kasten

Par. 1 des Entwurfs: "Schutz der Privatsphäre des Menschen

Das Land Kärnten schützt im Rahmen seines selbständigen Wirkungsbereiches das sich aus Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergebende Recht jedes Menschen auf Achtung seines Privat- und Familienlebens und im besonderen das Recht, die Form seiner Lebensführung nacheigener Überzeugung frei zu gestalten."

Der hier erwähnte Art. 8 Menschenrechtskonvention (MRK) wurde zuletzt in DIR 3/92, S. 74 in vollem Wortlaut abgedruckt. Sein Abs. 1 lautet: "Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs."

Ende Kasten

Der sehr allgemein gehaltene Art. 8 MRK umfaßt in der Rechtsprechung der Europäischen Kommission für Menschenrechte z. B. die folgenden Bereiche (vgl. EuGRZ 1983, S. 423): Verbot bestimmter fremdenpolizeilicher Maßnahmen (zum Schutz der Familie), Schutz der Wohnung, Schutz der Rechte der Eltern,Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit, Datenschutz.

Datenschutzspezifische Rechte gewährt Art. 8 MRK aber nicht, weshalb eine Reihe europäischer Staaten eigene Datenschutzgesetze beschlossen haben, die z. B. die Rechte auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung umfassen. Acht Staaten (darunter Österreich) haben das "Übereinkommen zum Schutz desMenschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten" (Europaratsabkommen zum Datenschutz, BGBl. 317/1988) unterzeichnet. Österreich hat dieses Abkommen noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt, so besteht z. B. kein besonderer Schutz für besonders sensible Daten (Art. 6) und auch dieAnforderungen an die Qualität der Daten (z. B. das Prinzip der minimalen Speicherdauer, Art. 5 lit. e) sind im österreichischen Recht mangelhaft verankert.

Aus allen diesen Gründen regt die ARGE DATEN an, ins Kärntner Staatszielbestimmungsgesetz einen Artikel aufzunehmen, der über die Erwähnung der bereits bestehenden Bestimmungen Art. 8 MRK und des Datenschutzgesetzes hinaus auch auf das Europaratsabkommen hinweist. Ein solcher Artikel könnte etwa solauten:

Datenschutz Das Land Kärnten schützt im Rahmen seines selbständigen Wirkungsbereiches die sich aus dem Datenschutzgesetz und aus dem Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ergebenden Rechte, insbesondere die Rechte auf Geheimhaltung personenbezogenerDaten, Auskunft, Richtigstellung und Löschung.

2. Informationsrecht

Das Gegenstück zum Grundrecht auf Datenschutz - das den Menschen davor schützen soll, daß der Staat unnötig viel über ihn weiß - ist das Informationsrecht, das den Menschen davor schützen soll, daß der Staat ihm unnötig viel verheimlicht. Es ist klar, daß eine Demokratie - deren Recht ja "vom Volkausgehen" soll - nicht funktionieren kann, wenn der Staat seinen Bürgern die für die Mitbestimmung notwendigen Informationen vorenthält.

In Österreich gibt es prinzipiell das Bekenntnis zu einem solchen Informationsrecht, nämlich in Art. 20 Abs. 4 B-VG und in den Auskunftspflichtgesetzen. Auch in Kärnten gibt es ein solches Gesetz, nämlich das "Gesetz vom 19. Mai 1988, LGBl. 29, über die Auskunftspflicht in der Verwaltung des Landesund der Gemeinden". Auch Art. 10 MRK kann in diesem Sinn interpretiert werden.

Alle derzeit geltenden Auskunftspflichtgesetze haben das Problem, daß sie nicht durchsetzbar sind. In den USA gewährleistet der Freedom of Information Act (FOIA), daß Bürger, die eine Auskunft nicht erhalten, sich an ein Gericht wenden können. Außerdem werden staatliche Stellen von vornherein dazuangehalten, ihre Dokumente zu veröffentlichen. Die Einklagbarkeit in Streitfällen wird das Land Kärnten aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht selbst einführen können, die ARGE DATEN ersucht das Land Kärnten aber, darauf hinzuwirken, daß eine Behörde (z. B. die Datenschutzkommission) damitbeauftragt wird.

Weiters gibt es in der Praxis das Problem, daß die Amtsverschwiegenheit in den Augen vieler Beamter schwerer wiegt als die Rechte der Bürger nach dem Auskunftspflichtgesetz. So gibt es z. B. Beamte, die gerne bereit sind, einen Erlaß telefonisch zu erläutern oder sogar vorzulesen, aber keine Kopiedavon weitergeben wollen. Außerdem besteht das Problem, daß verschiedenste Gremien (z. B. sozialpartnerschaftlich besetzte Beiräte) in ihren Geschäftsordnungen grundsätzlich Amtsverschwiegenheit vorsehen. Das erschwert auch die Tätigkeit der Medien.

Das Staatszielbestimmungsgesetz bietet die hervorragende Gelegenheit, in einem Landes-Verfassungsgesetz festzuschreiben, daß staatliches Handeln prinzipiell öffentlich sein sollte. Da es sich nur um ein Staatszielgesetz handelt und nicht um die Festlegung eines verfassungsgesetzlich gewährleistetenRechtes, kann auf detaillierte Ausnahmebestimmungen verzichtet werden. Den entsprechenden Artikel könnte man z. B. so formulieren (Der erste Satz ist Par. 1 Abs. 1 des Kärntner Auskunftspflichtgesetzes nachempfunden.):

Informationsrecht Das Land Kärnten bekennt sich im Rahmen seines selbständigen Wirkungsbereiches zum Recht jedes Menschen auf Information über das Handeln der Organe des Landes, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der durch Landesgesetze geregelten Selbstverwaltung. Dokumente, Berichte, Aktenund Verhandlungen dieser Organe sollen grundsätzlich öffentlich sein, soweit wichtige Geheimhaltungsinteressen oder die Rechte und Freiheiten Dritter dem nicht entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang regt die ARGE DATEN auch an, daß in das Kärntner Auskunftspflichtgesetz eine Bestimmung aufgenommen wird, die Auskunftsbegehren und Amtshandlungen nach diesem Gesetz von den Landes- und Gemeindeabgaben befreit. Ähnliche Bestimmungen gelten bereits im Burgenland, in Salzburg,Tirol und Vorarlberg sowie teilweise im Auskunftspflichtgesetz des Bundes. In der Praxis ergibt sich nämlich das Problem, daß unbürokratisch und kostenlos Auskünfte erteilt werden, aber nachträglich (bis zu 5 Jahre später) öS 180 eingehoben werden (öS 120 Stempelmarke plus öS 60 "Strafe"). DieGebührenpflicht sollte daher rückwirkend aufgehoben werden.




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