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1993/12/31 Gentechnikgesetz
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Eine ausführliche Berichterstattung hat es in den letzten Monaten zu den Beratungen zum Gentechnikgesetz gegeben. In den Medien ist allerdings weniger über den Gesetzesentwurf als über die Streitigkeiten in seiner Entstehungszeit berichtet worden. Es hatte nämlich neben den Experten desGesundheitsministeriums auch die parlamentarische Enquetekommission an einem Entwurf gearbeitet. Als Minister Ausserwinkler den Entwurf seines Ministeriums vorstellte, waren die Parlamentarier verärgert.

Gentechnisch veränderte Organismen

Was also enthält der Entwurf des Ministeriums? In seinem größten Teil befaßt er sich mit "gentechnisch veränderten Organismen" (kurz: GVO). Diese werden nach internationalen Kriterien in vier Risikoklassen eingeteilt. Weitere Unterscheidungen: Je nach Umfang der geplanten Arbeiten sieht das Gesetzfür Arbeiten von Typ A (kleiner Maßstab für Forschungszwecke) und Typ B (größere Produktion) verschiedene Regelungen vor. Unterschieden wird auch nach erstmaligen und weiteren Arbeiten. Jedes Gentechnikprojekt muß der Behörde zumindest vor der ersten Durchführung gemeldet werden, die Behörde kanndie Arbeit nachträglich stoppen. Gefährlichere oder umfangreichere Projekte bedürfen einer Genehmigung.

Als Behörde wird in der Regel das Gesundheitsministerium, im wissenschaftlichen Bereich das Wissenschaftsministerium tätig werden. Alle wichtigeren Entscheidungen und die Erlassung von Richtlinien sind der Gentechnikkommission vorbehalten. In dieser sitzen sechs Vertreter von Ministerien, vierVertreter der Sozialpartner, 16 Experten (hauptsächlich zu Genetik, Biochemie etc., aber auch zu Ethik, Ökologie, Soziologie oder Technikfolgenbewertung), zwei Vertreter von Firmen, zwei der "kritischen Öffentlichkeit" und ein Vertreter von Selbsthilfegruppen.

Das Gesetz schreibt den Firmen oder Uni-Instituten umfangreiche Aufzeichnungs- und Meldepflichten vor, die Behörde kann überall Einsicht nehmen. In den heikleren Fällen (erstmalige Arbeiten im Labor: Typen A4, B2, B3, B4; weitere Arbeiten im Labor: Typen B3 und B4; alle Freisetzungen) ist eineöffentliche Anhörung verpflichtend. Jeder kann Einsicht in die Unterlagen nehmen und ist nach Abgabe einer begründeten Stellungnahme Partei im Genehmigungsverfahren. Hier wird viel von der Praxis des Gesetzesvollzugs abhängen. Geschäftsgeheimnisse sind nämlich nicht öffentlich. Es entspricht zwardem Geist des Gesetzes, dennoch möglichst viel öffentlich zugänglich zu machen, aber eine restriktive Auslegung kann auch ein liberal formuliertes Gesetz wirkungslos machen.

Die ARGE DATEN hat in ihrer Stellungnahme jedenfalls einige Verbesserungen angeregt. Vor allem geht es uns darum, das Gentechnikregister prinzipiell (Ausnahme: Daten, die sich auf natürliche Personen beziehen) für öffentlich zu erklären. In diesem sollen dem Entwurf zufolge alle Daten derverschiedenen Anmelde- oder Genehmigungsverfahren gespeichert werden. Das Gesetz schließt öffentlichen Zugang zu den Daten nicht aus, schreibt ihn aber auch nicht fest. Näheres wird später in einer Verordnung geregelt werden.

Gentechnik und der Mensch

In diesem Bereich regelt das Gesetz ziemlich klar: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt. Die sogenannte "somatische Gentherapie", d. h. die Veränderung von menschlichen Körperzellen, indem fremde Gene eingeschleust werden, ist nur in dafür zulässigen Krankenhäusern erlaubt.Keinesfalls darf dabei in die Keimbahn, also in Ei- oder Samenzellen eingegriffen und damit auf spätere Generationen Einfluß genommen werden. Die Keimbahn darf auch bei Menschenaffen nicht manipuliert werden.

Für Datenschützer interessant ist vor allem die Möglichkeit der Genanalyse. Damit können derzeit vor allem Erbkrankheiten festgestellt werden. Da in den Genen aber der komplette "Bauplan des Menschen" verschlüsselt ist, ist noch gar nicht absehbar, welche Informationen in Zukunft sonst nochabgelesen werden können. In der gerichtlichen Praxis ist die Genanalyse auch als "Fingerabdruck" zum Nachweis der Vaterschaft oder zur Identifikation von Tätern bedeutsam.

Unsere zentrale Forderung (die wir anläßlich einer früheren parlamentarischen Enquete vorgebracht hatten) ist im Gesetz in Par. 39 schon enthalten: Keine Genanalysen gegen den Willen des Betroffenen. Es ist prinzipiell verboten (und bis zu öS 500.000 strafbar), Genanalysen durchzuführen. Es ist auchverboten, die Ergebnisse von Genanalysen zu verlangen oder "zum Gegenstand von Rechtsgeschäften oder deren Anbahnung zu machen". Verboten (auch der Versuch ist strafbar) ist also z. B.: Daß ein Personalchef von einem Bewerber einen Gentest verlangt. Daß eine Versicherung eine Genanalyse verlangtoder selbst durchführen läßt. Daß eine Verpflichtung zu Gentests irgendwo in einem Vertrag im Kleingedruckten steht. Oder ein Mann zu seiner zukünftigen Frau sagt: "Ich heirate dich nur, wenn du die richtigen Gene hast."

Genanalysen sind nur zulässig: Für wissenschaftliche Zwecke (an anonymen Proben oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Betroffenen) oder im Einzelfall, wenn eine der drei folgenden Bedingungen erfüllt ist: "auf Verlangen der Mutter im Fall einer Pränatalanalyse, auf Verlangen der potentiellen Elternim Falle einer Partneranalyse sowie bei Personen, die aufgrund von medizinischen Unterlagen ein erhöhtes Risiko für eine genetisch bedingte Krankheit nachweisen können." Eine weitere Ausnahme gilt für Personen, die in der gentechnischen Forschung oder Industrie arbeiten. Diese müssen sich regelmäßiguntersuchen lassen.

Mit diesen Regelungen können wir ziemlich zufrieden sein. Die ARGE DATEN hat in ihrer Stellungnahme dazu vor allem angeregt, das grundsätzliche Verbot von Genanalysen im Verfassungsrang zu beschließen. Oft genug haben wir am Beispiel des Datenschutzgesetzes gesehen, wie es durch andere Gesetzeteilweise unwirksam gemacht wurde. Dem wichtigen Verbot von Genanalysen im Gentechnikgesetz soll dieses Schicksal erspart bleiben.

Das Gesetz sieht in seinem Par. 42 auch eine Reihe von Datenschutzbestimmungen vor. Wir haben zusätzlich ein Einsichtsrecht der Betroffenen in ihre eigenen Daten gefordert - auch Minderjährige und Entmündigte, denen dieses Recht im Gesetz ausdrücklich genommen worden wäre, sollten die prinzipielleMöglichkeit auf Einsicht haben.

Genanalysen vor Gericht

Hier ist der sonst sehr detaillierte Entwurf eindeutig zu sorglos. Er erlaubt praktisch jede Genanalyse, wenn sie nur von einem Universitätsinstitut für Gerichtsmedizin durchgeführt wird. Die Stellungnahme der ARGE DATEN dazu: In jedem Fall muß sich die Genanalyse auf die Feststellung der Identität(War der Verdächtige der Täter? ja/nein) oder die Feststellung der Vaterschaft (ja/nein) beschränken. Allfällige zusätzlich anfallende Daten (vor allem über Krankheiten) sollten sofort nach der Analyse vernichtet werden.

Im Strafverfahren gibt es noch ein zusätzliches Problem. In schwereren Fällen überprüft die Polizei oft mehrere Tausend "Verdächtige". Da liegt dann (z. B. wenn nach einem Sexualmord Spermaspuren am Tatort gefunden werden) die Idee nahe, mittels Hunderter Gentests den Schuldigen zu finden. Die ARGEDATEN hat sich in ihrer Stellungnahme klar dagegen ausgesprochen. Genanalysen sind nicht so harmlos wie Fingerabdrücke. Daß die Polizei in großem Maßstab Blutproben nimmt und die Betroffenen nicht wissen, was das Genlabor alles daraus herauslesen kann bzw. was alles herausgelesen wird - eine höchstunangenehme Vorstellung. Daher haben wir in unserer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf vorgeschlagen, daß Gentests erst dann zulässig sein sollen, wenn sich bei einer Person der Verdacht genügend gefestigt hat - in der gerichtlichen Voruntersuchung bzw. in der Hauptverhandlung.

Noch bedenklicher als die Sammlung von genetischen Informationen in großem Maßstab zur Klärung eines Verbrechens wäre die Erstellung eines "Genarchivs" - etwa in Analogie zur Fingerabdruckdatenbank der Polizei. Einer solchen Datenbank könnten ja auch Informationen über Erbkrankheiten entnommenwerden. Das Gesetz untersagt eine solche Datenbank. Genanalysen dürfen nur in dem Verfahren verwendet werden, für das sie erhoben wurden. Wir haben die Notwendigkeit dieses Verbots in unserer Stellungnahme dennoch deutlich betont.




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