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1993/12/31 Großzählung 1991
DIR "Nach 1981 wurden von der Stadt Wien keine Wohnungen der Kategorie D errichtet.", Wohnungsstadtrat Edlinger, 1993
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"Nach 1981 wurden von der Stadt Wien keine Wohnungen der Kategorie D errichtet.", Wohnungsstadtrat Edlinger, 1993

":C8C b00 9 p27 5 c34 7 j70 4 = 714" (Datenbank ISIS des Österreichischen Statistischen Zentralamts, ÖSTAT, 1993) (Für jene wenigen DIR-Leser, die keine ISIS-Experten sind: im Modul c8c, der Wohnungszählung 15.5.1991 ("Hauptwohnsitze") werden für Wien (b00=9) in der Ausstattungskategorie Substandard(J70=4) und der Bauperiode ab 1981 (c34=7) 714 Gemeindewohnungen (p27=5) erhoben.).

Unter dem Titel "Großzählung 1991" faßte das Statistische Zentralamt eine Reihe von Datenerhebungen, die sie 1991 durchführte, zusammen. Umgangssprachlich wurde diese Großzählung auch als Volkszählung bezeichnet, obwohl rein rechtlich die "Volkszählung", d.h. die Bevölkerungserhebung nur einenAspekt dieser Großzählung darstellte. Die anderen Komponenten waren Wohnungs-, Häuser- und Arbeitsstättenzählungen.

In vielen Diskussionen und Veranstaltungen brachten ARGE DATEN -Mitarbeiter 1990/91 Argumente vor, warum sie derartige Großzählungen für sinnlos, datenschutzrechtlich bedenklich und auch methodisch für überholt hielten. Diese Argumente seien hier nicht wiederholt, doch gaben uns dieAuswertungsvorgänge seit der Zählung im Mai 1991 in vielen Punkten recht. So fehlen heute noch endgültige Auswertungen der Volkszählung (also ca. 27 Monate nach Zählungsschluß).

Zwar wurden Globaldaten, das heißt wieviele Personen ungefähr in welchen Bundesländern leben schon ein halbes Jahr nach der Zählung geliefert, diese Daten sind aber durch Auswertung vorhandener Bestände sowieso ständig verfügbar. Für diese Daten hätte man sich den enormen finanziellen undadministrativen Aufwand der Zählung sparen können. Die Detaildaten sind aber jetzt, zwei Jahre nach der Zählung und nach den einschneidenden Änderungen in der politischen Situation in Europa stark veraltet.

Einer der Hauptkritikpunkte zur Zählung war, daß die erhobenen Daten, als Globalerhebung, eine Präzision vorgaukeln, die sie nicht besitzen. Einer der Schwachpunkte dieser Kritik war, wie eine derartige Hypothese zu beweisen ist. Tatsächlich formuliert diese Kritik keine qualitative Wertung, sonderneine quantitative Feststellung:  Die Totalerhebung liefert keine besseren Daten, als eine weitaus billigere Stichprobenerhebung. Die ÖSTAT-Zahlen haben eine ähnliche Fehlerquote wie eine beliebige Stichprobenerhebung eines Meinungsforschungsinstituts.

Der Hintergrund dieser These ist die Überlegung, daß eine vollständige Erhebung weder durch das ÖSTAT, noch durch ein relativ streng formuliertes Volkszählungsgesetz erzwingbar ist. Die zweite Überlegung war, daß viele Menschen, die zum Teil eine sehr starke Distanz zur Großzählung aufweisen, dieFragebeantwortung nicht offen verweigern werden, aber überall dort falsche Angaben machen, wo sie sich unbeobachtet wähnen, bzw. wo die Daten nicht überprüfbar sind.

Das Problem war bisher, den Beweis für eine solche Hypothese zu liefern. Ein eindeutiger Beweis wäre bloß durch die Durchführung einer Parallelerhebung mittels einer genügend großen Stichprobe möglich. Dazu fehlten den Kritikern der Volkszählung die Mittel, abgesehen davon würde eine zusätzlicheDatenerhebung bedeuten, den "Teufel mit dem Belzebub" auszutreiben.

Als zweite Möglichkeit ergibt sich, die Ergebnisse der Volkszählung auf Plausibilität zu prüfen. Dabei ergeben sich neue methodische Probleme. Auch dem ÖSTAT ist das Problem der verfälschten Daten bekannt. Tatsächlich wandern kaum Originaldaten in die ÖSTAT-Statistiken, sondern bereinigte und nachPlausibilität geprüfte Daten. D. h., bevor die Daten der Großzählung veröffentlicht werden, wandern sie durch hunderte formale und inhaltliche Plausibilitätsprüfungen, um dann als "Originaldaten" publiziert zu werden.

Es mußten daher Plausibilitätsbrüche gefunden werden, die den Technikern des ÖSTAT entgangen waren. Ein derartiger Plausibilitätsbruch wurde bei der Zuordnung der Wohnungskategorie festgestellt. Substandardwohnung nach 1981 kann es schon aufgrund der Landesbauordnungen nicht geben. Tatsächlichwurden wir in der ISIS-Datenbank schon nach wenigen Minuten Recherche fündig (siehe Beispiel oben). Es wurden auch weitere unplausible Daten, etwa bei den Kosten der Wohnungen gefunden.

Damit zeigte sich, daß die ausgewiesenen Daten bei weitem nicht so genau sind, wie ihre Gliederungstiefe und die ausgewiesenen Stellenwerte suggerieren (wozu werden Wohnkosten per m auf den Groschen genau ausgegeben, wenn die Genauigkeit bei rund 20 Schilling (=20-40% der Kosten) plus/minusendet?

Nun könnte jemand einwenden, 714 Wohnungen (siehe oben) seien im Vergleich zu der ausgewiesenen großen Zahl an Wohnungen verschwindend gering. Was ist aber die Vergleichsgröße?

Alle Wohnungen Österreichs (3,4 Mio.), alle Wohnungen Wiens (853.000), alle Wiener Wohnungen der Bauperiode 81/90 (32.000) oder alle Wiener Gemeindewohnungen dieser Bauperiode (wenige tausend)?

Im Vergleich zu 3,4 Mio. Wohnungen sind 714 offensichtliche Fehlerhebungen nicht viel (0,021 %). Dieser Vergleich ist jedoch nicht statthaft, da die falsche Kategorienzuordnung nur ein falsches Datum darstellt und bei der Gesamtheit (3,4 Mio. Wohnungen) mehrere hundert vergleichbare Fehler auftretenkönnen (Baualter, Wohnungsgröße, Ausstattung, ...). Somit kann eine Aussage über die Fehlerquote nur im Vergleich zur nächsthöheren Katagorie angestellt werden. Das heißt, wenn das Ausprägungsmerkmal "Wohnungskategorie" in 714 Fällen falsch ermittelt wurde, sind diese 714 Wohnung auf die Zahl derWohnungen zu beziehen, die unter ansonsten gleichen Bedingungen alle Wohnungskategorien umfaßt.

Das heißt, die Zahl 714 ist mit der Anzahl zwischen 1981/90 errichteten Gemeindewohnungen in Wien, unabhängig von der Kategorie, zu vergleichen. Auch dazu liefert uns ISIS eine (pseudo)genaue Aussage: 16738 Wohnungen haben diese Merkmalskombination. 714 Wohnungen mit einer sicher falschenKategorie-Zuordnung entsprechen demnach 4,2% der Grundgesamtheit.

Diese 4,2% sind somit eine hervorragende Grundlage für eine Abschätzung der Genauigkeit der Volkszählungsdaten. Selbstverständlich müßten noch mehrere dutzend ähnliche Plausibilitätsstichproben gezogen werden, um den Genauigkeitswert besser eingrenzen zu können. Tatsächlich scheint aber die Annahmeeiner Fehlertoleranz von 4-5% durchaus gerechtfertigt.

Womit wir bei der Krux der Totalerhebung angelangt sind: Für statistische Aussagen mit Fehlertoleranzen um 5% sind keine teuren, gesellschaftspolitisch und sozial belastenden Vollerhebungen notwendig, sondern derartige Fehlerwerte erreichen Stichprobenuntersuchungen mit einem Sample von wenigentausend (freiwilligen!) Teilnehmern.




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