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1993/12/31 Serie: Rechtsprechung zum Informationsrecht
DIR Teil 6: VwGH III
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Teil 6: VwGH III

Was dem Österreicher heilig ist, kann man auch an der Anzahl der Beschwerden beim VwGH erkennen: Über 50 informationsrechtlich relevante Beschwerden betreffen - das Auto.

Lenkerauskunft

Schon in Teil 2 dieser Serie (DIR 2/92, S. 45) hatten wir darüber berichtet, daß der VfGH in zwei Etappen Par. 103 Abs. 2 KFG als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Nach dieser Bestimmung muß der Zulassungsbesitzer im Verwaltungsstrafverfahren bekanntgeben, wem er sein Auto an einem bestimmtenZeitpunkt überlassen hat. Diese Pflicht verstößt gegen das Anklageprinzip der Bundesverfassung und wurde vom VfGH aufgehoben. Der Nationalrat hat den Paragraphen aber schnell wieder mit Zweidrittelmehrheit in Kraft gesetzt. Dagegen konnte dann auch der VwGH nichts sagen (12334 A/86).

Wozu verpflichtet Par. 103 Abs. 2 KFG nun? In der ursprünglichen Fassung mußte der Zulassungsbesitzer bloß Auskunft darüber erteilen, ob er sein Kfz einer anderen Person überlassen habe, ja oder nein, und wenn ja, wem (Name und Anschrift) (10106 A/80). Seit der 4. KFG-Novelle muß er auch sagen, ober selbst gefahren ist. Seit der 7. KFG-Novelle müssen alle Personen, die ein Auto jemandem anderen überlassen haben, Auskunft erteilen - nicht bloß der Zulassungsbesitzer selbst (11416 A/84). Statt der Person, der man den Wagen überlassen hat, kann man auch sagen, wer tatsächlich gefahren ist(11295 A/84).

Das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) sieht vor, daß der Beschuldigte nicht zur Antwort gezwungen werden kann (Par. 33 Abs. 2) und daß Verwandte nicht gegen den Beschuldigten aussagen müssen (Par. 38). Für die Lenkerauskunft gilt dies alles nicht (5718 A/62, 10192 A/80, vgl. auch 12355 A/86). AuchRechtsanwälte, die ihr Fahrzeug einem Klienten überlassen, können sich nicht auf die anwaltliche Schweigepflicht berufen (13039 A/89).

Bestraft wird man für das Nicht-Erteilen der Auskunft. Wer die Auskunft nicht erteilen kann, weil er nicht mehr weiß, wem er den Wagen überlassen hat, der hat Pech gehabt (6758 A/65). Die Auskunft muß sofort erteilt werden (8627 A/74) und zwar trifft die Auskunftspflicht den Zulassungsbesitzerselbst: Es genügt nicht, wenn dieser bloß einen (oder gar mehrere) Verantwortliche für das Fahrzeug nennt (8674 A/74, 10192 A/80). Wichtig ist: Es gibt keine zeitliche Beschränkung der Auskunftspflicht! Wer sein Auto herborgt und kein phänomenales Gedächtnis hat, sollte also auf jeden FallAufzeichnungen darüber anlegen, wem er das Auto wann überlassen hat (9918 A/79, 10106 A/80).

Der Zulassungsbesitzer kann die Auskunft auch durch Boten erteilen. Ist seine Gattin gefahren und wohnt sie an seiner Adresse, so muß er die Anschrift nicht nochmals nennen. In beiden Fällen bleibt aber die Verantwortung (daß der Bote den Auftrag erfüllt, daß die Gattin an dieser Adresse erreichbarist) beim Zulassungsbesitzer (11295 A/84).

Besonders tückisch ist das Erk. 12597 A/87: Auch telefonische Auskunftsverlangen der Behörde sind zulässig. Der anrufende Beamte muß seinen Namen nicht sagen (!), allerdings muß für den Zulassungsbesitzer erkennbar sein, welche Behörde die Auskunft verlangt und worin die Auskunft bestehen soll. Werdie sofortige telefonische Auskunftserteilung verweigert oder in der Eile "Ich weiß nicht." oder "Da muß ich ... fragen." sagt, kann sich auch durch eine später erteilte Auskunft nicht mehr vor der Bestrafung retten. Einzig zulässiger Ausweg: Man sagt dem Anrufer, daß man erst in schriftlichenAufzeichnungen nachsehen müsse. Wenn man das sagt, muß der Beamte eine Frist gewähren.

Es gibt aber auch Fälle, wo sich die Behörden im Paragraphendschungel verirren (z. B. 10891 A/82). Die Lenkerauskunft muß nur "auf Verlangen der Behörde" erteilt werden. Ein Gendarmeriepostenkommando ist keine Behörde, kann also keine Auskunft verlangen (8665 A/74, 10106 A/80). Es genügt auch, dieAuskunft einmal zu erteilen. Die Behörde hat kein Recht, die Auskunft ein zweites Mal zu verlangen (9215 A/77) - im konkreten Fall hatte die Zulassungsbesitzerin Glück, die einmalige Erteilung der Auskunft beweisen zu können. Ohne "Verlangen" der Behörde ist auch eine Falschaussage nicht strafbar(8414 A/73). Ebensowenig strafbar ist es, wenn die Auskunft von jemandem verweigert wird, der sich gerade im Ausland aufhält (12973 A/89).

Weitere Erkenntnisse: 10780 A/82 und 11421 A/84 betreffen Fahrzeuge, die einem Verein oder sonst einer juristischen Person gehören.

Straßenverkehrsordnung

In Par. 4 StVO ("Verkehrsunfälle") gibt es einige Informationspflichten, die nach dem Willen des Gesetzgebers jeder Verkehrsteilnehmer kennen und erfüllen sollte, deren Verletzung aber dennoch oft vorkommt und mit Verwaltungsstrafen geahndet wird.

Nach Par. 4 Abs. 1 lit. c StVO haben "alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht" an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Diese Mitwirkungspflicht soll aber nur der Spurensicherung dienen und entspricht nicht einer allgemeinenAussagepflicht, wie sie etwa für einen Zeugen gilt. Wer einige Tage nach dem Unfall auf allgemeine Fragen keine Auskunft geben will, macht sich nach dieser Bestimmung nicht strafbar (9418 A/77).

Wichtig ist, daß zum oben genannten Personenkreis alle gehören, die den Verkehrsunfall verursacht haben - also alle irgendwie Beteiligten, nicht bloß jene, die schuldhaft gehandelt haben (vgl. auch 9449 A/77).

Als nächstes stellt sich die Frage, ob durch den Unfall jemand verletzt wurde. In diesem Fall sind nämlich alle oben genannten Personen (die Verletzten allenfalls ausgenommen, 5801 A/62) dazu verpflichtet, Hilfe zu leisten und anschließend sofort die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelleverständigen (Par. 4 Abs. 2 StVO).

Die Hilfeleistungspflicht ist jedenfalls dann beendet, wenn die Rettung den Verletzten übernommen hat. Ab diesem Zeitpunkt soll man nach dem Willen des Gesetzgebers die Polizei verständigen - wer den Verletzten in der Rettung begleitet, riskiert eine Strafe (8190 A/72).

Auch dann, wenn es keine Verletzten gibt, soll unverzüglich die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt werden. Dies kann jedoch unterbleiben, wenn sich alle oben genannten Personen gegenseitig ihren Namen und ihre Anschrift nachweisen (Par. 4 Abs. 5 StVO).

Gibt es außerhalb des Kreises jener Personen, die den Unfall verursachten, noch weitere Geschädigte (z. B. weil ein Gartenzaun beschädigt wurde), so muß auch diesen Name und Anschrift nachgewiesen werden (12636 A/88). (Früher mußte "die Identität" nachgewiesen werden, dazu gehörte auch die Angabeder Beschäftigung - 6291 A/64.) Auf die Verständigung der Polizei und auf den Identitätsnachweis darf man nur in seltenen Ausnahmefällen verzichten. Nämlich dann, wenn völlig klar ist, daß es keine weiteren zivilrechtlichen Streitigkeiten geben wird - "Mit der bloßen Bezahlung des zunächst bekanntenSchadens ist es nicht getan." (12971 A/89)

Name und Anschrift muß mit einem Lichtbildausweis nachgewiesen werden, die grüne Versicherungskarte genügt nicht. Der Nachweis darf auch nicht durch Boten oder Beauftragten erfolgen, da sonst der Lichtbildausweis keinen Sinn hätte. (6291 A/64, 7640 A/69, 9985 A/79). Kennen sich die Unfallbeteiligtengegenseitig (mit Name und Anschrift), so ist der Identitätsnachweis nicht erforderlich (11135 A/83).

Für die Meldung bei der Polizei ist kein Identitätsnachweis erforderlich (9983 A/79), sie kann daher auch durch Boten erfolgen - wenn man sich von der Durchführung der Meldung Gewißheit verschafft (8190 A/72). Auf die Unfallmeldung des Krankenhauses darf man sich jedenfalls nicht verlassen (ebd.).Es genügt auch, wenn man einen Polizisten oder Gendarmen verständigt, der gerade außerhalb seiner Dienststelle ist - wenn er zur Entgegennahme der Meldung zuständig und bereit ist (8535 A/74). Ansonsten muß man die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigen. Ist man ortsunkundig, somuß man sich eben - auch in der Nacht - erkundigen (13012 A/89).

Ist bei einem Unfall bloß Sachschaden entstanden und bloß eine Person geschädigt worden, so muß diese die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht verständigen (7391 A/68). Es genügt, wenn der Schädiger dem allein Geschädigten seine Identität nachweist (10936 A/82). Ist bei einem Unfallnur der Lenker selbst verletzt worden und nur Sachschaden an seinem Fahrzeug eingetreten, so besteht weder eine Verständigungspflicht, noch muß er an der Feststellung des Sachverhaltes mitwirken (8437 A/73). Hat den Unfall nicht der Lenker selbst verursacht (sondern z. B. der Beifahrer durch Öffnender Türe), so trifft den Lenker unter Umständen keine Verständigungspflicht (8751 A/75). Ist der Geschädigte ein Grundstückseigentümer, so kann der Identitätsnachweis auch gegenüber dem Hausbesorger erfolgen (11496 A/84).

Wie bereits erwähnt, ist es eine wichtige Unterscheidung, ob beim Unfall jemand verletzt wurde oder nicht. Nur dann, wenn niemand verletzt ist, kann auf die Verständigung der Polizei verzichtet werden und statt dessen ein gegenseitiger Identitätsnachweis erfolgen. Dies gilt nicht nur für äußere -auch für Laien erkennbare - Verletzungen, sondern auch für innere Verletzungen. Man muß also als Beteiligter an einem Unfall, wenn Verletzungen zu befürchten sind, die anderen fragen, ob sie verletzt sind. Ist jemand zur Beantwortung dieser Frage nicht fähig (z. B. kleine Kinder oder Betrunkene), somuß jedenfalls die Polizei verständigt werden (11432 A/84).

Alkohol, Blutabnahmen

Steht jemand "im Verdacht, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, bei dem eine Person getötet oder erheblich verletzt worden ist, so hat die Untersuchung ... eine Blutabnahme zu erfassen." (Par. 5 Abs. 6 StVO - Verfassungsbestimmung) Ansonsten isteine Blutabnahme nur durchzuführen, wenn sie der Vorgeführte verlangt oder wenn er ihr zustimmt (Par. 5 Abs. 7). "Erheblich" ist eine Verletzung jedenfalls dann, wenn sie eine über die erste Hilfeleistung hinausgehende ärztliche Behandlung erfordert (12370 A/87).

Es stellt sich die Frage, ob eine rechtswidrig durchgeführte Blutabnahme im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten verwendet werden kann. Zuerst hat der VwGH das bejaht (9468 A/77), später jedoch in einem verstärkten Senat diese Ansicht widerrufen (9975 A/79). Ein Beweisverwertungsverbotgilt auch im Verfahren über den Führerscheinentzug (12706 A/88). Siehe auch das Erk. 11540 A/84, das wir in Teil 4 dieser Serie behandelt hatten (DIR 4/92, S. 112).

Auch bei der Blutabnahme geht es nur um den Verdacht der Verursachung, nicht darum, ob den Lenker auch ein Verschulden trifft - das wird erst im Verfahren danach geprüft (10601 A/81).

Die Zustimmungserklärung nach Par. 5 Abs. 7 muß nicht durch Unterschrift, sondern kann auch konkludent - z. B. durch stillschweigende Zustimmung - erfolgen. Unterschreibt jemand eine Zustimmungserklärung, so gilt die Unterschrift nur, wenn er überhaupt wußte, was er unterschreibt (11378 A/84). DieFrage nach der Zustimmung muß nicht von einem Beamten, sondern kann auch von einem Arzt gestellt werden - wenn dieser auf den (z. B.) telefonischen Auftrag des Beamten hinweist (10601 A/81). Wird die Zustimmung (von einem Ausländer) nur deshalb erteilt, weil ein Polizist ihm fälschlicherweise gesagthat, er wäre zur Blutabnahme verpflichtet, so ist die Blutabnahme rechtswidrig (12596 A/87).

Autoverkehr - Sonstiges

Wer durch Blinkzeichen andere Autofahrer vor Radarfallen warnt, macht sich strafbar - denn mit der Lichthupe darf man nur vor Gefahren warnen und eine Radarfalle ist keine Gefahr (9936 A/79). Wer aufgrund dieser Entscheidung nicht mehr auf die Warnungen der entgegenkommenden Autofahrer vertraut undsich ein "Radarwarngerät" ins Auto einbaut, benötigt eine Bewilligung nach dem Fernmeldegesetz (10498 A/81).

Ein Arzt hatte seinen Wagen im Parkverbot abgestellt und sich nachher auf einen "Notfall" ausgeredet. Name und Adresse des Patienten wollte er aber nicht bekanntgeben. Der VwGH entschied, daß die Verwaltungsstrafe gerechtfertigt war: Der Arzt hätte durch die Auskunft weder gegen seineSchweigepflicht noch gegen Par. 121 StGB (Verletzung von Berufsgeheimnissen) verstoßen (10590 A/81).

Einem Vorarlberger wurde der Führerschein wegen "Inklination zum chronischen Alkoholismus" nur mehr befristet erteilt (das ist rechtlich gedeckt) und die Verlängerung von der vierteljährlichen Übermittlung von Blutbefunden (Gamma-GT-Kontrolle) abhängig gemacht. Dieser Auflage fehlt die gesetzlicheDeckung, denn die Möglichkeit, einen Führerschein durch Auflagen einzuschränken, soll nicht dazu dienen, der Behörde Ermittlungsergebnisse zu verschaffen (12805 A/88).

Eine informationsrechtliche Lücke zeigt der Beschluß 12999 A/89 auf: Nach Par. 96 Abs. 7 StVO führt die Behörde ein Verzeichnis der Verwaltungsübertretungen. Ein Steirer stellte den Antrag, aus diesem Verzeichnis - in das er wegen Falschparkens seiner Ansicht nach irrtümlich eingetragen worden war -wieder entfernt zu werden.

Die Bezirkshauptmannschaft blieb untätig, die Landesregierung ebenfalls. Normalerweise kann man sich in einem solchen Fall mit einer Säumnisbeschwerde an den VwGH wenden, der dann der Behörde eine Nachfrist setzt und falls notwendig selbst die Entscheidung fällt. Nicht aber inVerwaltungsstrafsachen. Da zu "Verwaltungsstrafsachen" auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen gehören (siehe 11682 A/85), wies der VwGH die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurück. Das bedeutet, daß es gegen fehlerhafte Eintragungen in händisch geführten derartigen Verzeichnissen keinwirksames Rechtsmittel gibt. Wäre das Verzeichnis automationsunterstützt geführt worden, so hätte sich der Steirer nach einem erfolglosen Löschungsantrag (Par. 12 DSG) aber an die DSK wenden können.

Damit ist die Berichterstattung über die Entscheidungen des VwGH abgeschlossen. In der nächsten Folge werden wir die Judikatur ausländischer Gerichte betrachten.




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