1993/12/31 Brief zum Fremdengesetz
DIR In DIR 5/92 hatten wir eine Kurzfassung unserer Stellungnahme zum Entwurf des Fremdengesetzes abgedruckt. Dazu erreichte...
In DIR 5/92 hatten wir eine Kurzfassung unserer Stellungnahme zum Entwurf des Fremdengesetzes abgedruckt. Dazu erreichte uns der folgende Brief einer Leserin:
"... Was die Einreise Fremder nach Österreich betrifft, so bin ich allerdings der Ansicht, daß der Österreichische Staat im Interesse seiner Staatsbürger das Recht und die Pflicht hat, über die Identität der einreisenden Fremden bescheid zu wissen:
1) In allen Staaten der Welt ist es durchaus üblich, bei Grenzübertritt ein "geeignetes Reisedokument" vorweisen zu müssen. (Ganz zu schweigen von den USA - dem freiesten aller Länder -, die ohne Visum niemanden einreisen lassen.)
2) Im Falle der Einreise per Flugzeug ist es mir noch in keinem anderen Staat der Welt geglückt, ohne geeignetes Reisedokument überhaupt an Bord der Maschine zu kommen! - Übrigens, wer sich die Flucht per Flugzeug leisten kann, müßte auch in der Lage sein, S 20.000,-- als Kaution zu erbringen.
Zuletzt noch ein Hinweis:
Meines Wissens hat Österreich keine gemeinsamen Grenzen mit einem Staat, in dem politische oder religiöse Verfolgung herrscht. - Und ich kann absolut keinen Mißbrauch in der Informationspflicht über Identität und Reisedokument von einreisenden Fremden sehen, insbesondere nicht in Hinblick auf dasvereinigte Europa in Zusammenhang mit dem gefährlichen Anstieg des organisierten Verbrechens. Hier den Kritikhebel anzusetzen, heißt den Datenschutz ad absurdum zu führen.
Wenn dies allerdings ein Zeichen sein soll, daß die ARGE DATEN nun beginnt, in das Horn derer zu blasen, die für unkontrollierte Zuwanderung plädieren, bitte ich dringend um Mitteilung, um gegebenenfalls postwendend meinen Austritt bekanntgeben zu können."
Elfriede M., P.
Leider haben wir beim nochmaligen Durchlesen des damaligen Artikels feststellen müssen, daß er tatsächlich zu Mißverständnissen führen kann. Daher eine Klarstellung:
Die ARGE DATEN spricht sich weder für "unkontrollierte Zuwanderung" aus noch für einen "Einwanderungsstopp". Worauf wir aber Wert legen, das ist die Bewahrung des Rechtsstaats. Wichtige (bei Flüchtlingen unter Umständen lebenswichtige) Entscheidungen sollen nicht von einem einzelnen Beamtenwillkürlich in wenigen Minuten und ohne Berufungsmöglichkeiten getroffen werden können. Natürlich darf es ein Gesetz geben, das die Einreise nach Österreich beschränkt. Aber ein solches Gesetz soll klar die Voraussetzungen für die Einreise regeln, und nicht das Ziel verfolgen, Ausländer möglichst zuschikanieren.
Das Fremdengesetz erfüllt diese Anforderungen nicht. Ziel dieses Gesetzes ist, die Abschiebung oder Zurückweisung von Fremden bürokratisch möglichst einfach zu machen. An der Grenze oder auf Flughäfen ankommende Ausländer sollen schnell und billig "sortiert" werden. Rechte werden den Betroffenennicht gewährt, Berufungen sind prinzipiell unzulässig. Eine große Zahl an Bestimmungen des Fremdengesetzes ist verfassungsrechtlich höchst problematisch. Wir haben uns bei der Kritik des Gesetzes allerdings auf die informationsrechtlich relevanten Bestimmungen beschränkt.
Natürlich ist es das Recht jedes Staates, einreisende Personen zu kontrollieren und auch ihre Identität festzustellen. Es kann auch jeder Staat von einreisenden Touristen ein Visum verlangen. An Grenzen und Flughäfen treffen aber nicht nur Touristen ein, sondern auch Flüchtlinge. Wer in Lebensgefahraus seinem Land flieht, hat nicht immer die Möglichkeit, sich zuvor auf der österreichischen Botschaft (soweit es eine solche in seinem Heimatland gibt) ein Visum zu beschaffen. So ein Flüchtling soll nicht bei der Landung in Schwechat bloß wegen einer fehlenden Formalität wieder zurückgeschobenwerden oder eine hohe Strafe zahlen müssen.
Der Betrag von 20.000 S, der in Par. 79 Abs. 3 (Numerierung des beschlossenen Gesetzes) vorgesehen ist, ist keine Kaution, sondern ein "pauschalierter Kostenersatz". Das Geld wird nicht zurückerstattet. Was rechtsstaatlichen Grundsätzen widerspricht: Der Fremde wird für ein Verhalten bestraft, dasnicht er selbst, sondern die Fluglinie gesetzt hat. Wenn diese nicht Auskunft über seine Identität und die Daten seiner Reisedokumente gibt, dann muß der Fremde zahlen. Die Bestimmung wird nicht nur angewendet, wenn die Identität des Fremden nicht feststeht, sondern auch, wenn Formalitäten unkorrektsind, weil z. B. der Sichtvermerk fehlt.
Zu Punkt 2 des Leserbriefes: Manche Flüchtlinge meinen, daß sie ohne Reisedokument nicht zurückgeschickt werden können, und vernichten ihren Paß daher im Flugzeug. Daß sie damit den österreichischen Behörden - und wahrscheinlich auch sich selbst - Unannehmlichkeiten bereiten, ist klar. Ob dies abereine Strafe von 20.000 S rechtfertigt? Es ist bekannt, daß das Durchschnittseinkommen bei uns bei weitem höher ist als in den meisten anderen Ländern der Welt, und daß viele Flüchtlinge aus der Dritten Welt für das Flugticket bereits ihr gesamtes Vermögen aufwenden mußten.
Wie sehr unsere Bedenken gegen bürokratische Fremdenbestimmungen berechtigt sind, zeigen in drastischer Form die derzeitigen Vorkommnisse um das Aufenthaltsgesetz.
|