1992/12/31 Zentrale Hörerevidenz: "ganz sicher notwendig"
DIR Minister Busek läßt weiter Daten sammeln
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Minister Busek läßt weiter Daten sammeln
Wie in DIR 3/92 berichtet, sah der Regierungsentwurf zum allgemeinen Hochschulstudiengesetz (AHStG) die Beibehaltung der zentralen Hörerevidenz, die nachträgliche Legalisierung der bisher illegal bei der Hochschulstatistik miterhobenen Matrikelnummer und die ebenfalls nachträgliche Legalisierung derebenso illegalen Übermittlung von Daten aller Studierenden einer Universität an die Universitätsbibliothek.
Bei den Verhandlungen im Parlament am 3. Juni erhob einzig und allein Severin Renoldner von der Grünen Alternative seine Stimme gegen die Sanktionierung bisher illegaler Datenerhebungen und -übermittlungen. Renoldner zur zentralen Hörerevidenz: "Diese zentrale Hörerevidenz biete eine Möglichkeit,von Seiten des Wissenschaftsministeriums jederzeit alle relevanten Daten eines Studierenden abzufragen. Es kann jederzeit abgefragt werden, ob der Herr Meier oder die Frau Huber diese Prüfung zum zweiten oder dritten Mal macht, ob sie einmal durchgefallen ist, wie viele Semester sie sich bereits andieser Hochschule befindet, wie viele Semester sie vielleicht woanders studiert hat, welche Abschlüsse sie gemacht hat, wo sie ihren ordentlichen Wohnsitz hat, ob sie ein Stipendium bezieht und so weiter, und so weiter."
Renoldner bezeichnete dies als "Eingriffe in fundamentale Rechte der persönlichen Gestaltung des Lebens, die einfach nicht notwendig sind." Renoldner forderte daher die Anonymisierung der Daten und verlangte in seinem Zusatzantrag, daß sowohl bei der zentralen Hörerevidenz als auch bei derHochschul"statistik" statt des ordentlichen Wohnsitzes der politische Bezirk, statt des Geburtsdatums das Geburtsjahr erhoben wird und die Matrikelnummer, die ein eindeutiges Personenkennzeichen ist, gar nicht erhoben wird. Für die Datenübermittlung an die Universitätsbibliotheken sah Renoldner dieBeschränkung auf Familienname, Vorname, Gebührenstatus und Heimatadresse vor, also die Streichung der für die Bibliotheksverwaltung wohl kaum notwendigen Daten Geburtsdatum, Matrikelnummer, Geschlecht und akademische Grade.
Doch Minister Busek stellte sich für die Anliegen des Datenschutzes und der Datenökologie - wo er doch sonst so für wirtschaftliches Handeln ist - taub und behauptete gar, "daß die Datenschutzkommission damit befaßt wurde und keine Bedenken hat.
Und vielleicht sei auch in Erinnerung gerufen, daß die Daten, die jetzt gesetzlich abgesichert sind, die längste Zeit erhoben wurden und es keine Gründe zur Beanstandung gegeben hat. In den drei Jahren meiner Amtstätigkeit ist mir keine Mitteilung über irgendeinen Mißbrauch zugekommen". Nach Busek'sArgumentation dürfen Ministerien Gesetze übertreten so oft sie wollen, soferne sich niemand darüber beschwert! Busek scheint Gedächtnisschwierigkeiten zu haben oder sein Ministerium nicht unter Kontrolle zu haben, denn daß er nichts von Beschwerden bei der Datenschutzkommission über seineDatensammlungen weiß, obwohl die Datenschutzkommission Stellungnahme vom Wissenschaftsministerium einholt, klingt gar etwas unglaubwürdig.
Busek verteidigte seine Datensammlungen damit, daß vom Ministerium mehr Planung und Vorsorge verlangt werde, und "das können wir nur, wenn wir überhaupt über Daten verfügen." Busek scheint also nicht begriffen zu haben, daß es auf die richtigen Daten ankommt und nicht irgendwelche aber dafürviele.
Busek stellt abschließend fest: "Die beantragten Daten sind ganz sicher zuwenig, sowohl für den Planungsbereich der Universitäten und Hochschulen als auch für die Bibliothekare." Begründungen brachte Busek für seine pauschale Behauptung nicht vor und über den Änderungsantrag der Grünen Alternativewurde mit großer Mehrheit hinweggebügelt.
Die FPÖ sieht das Wissenschaftsministerium offenbar als Studentenpolizei. FPÖ-Abgeordnete Klara Motter begründet kurz und bündig die Ablehnung der FPÖ: "Ich glaube nämlich, daß ein Student nicht anonym bleiben sollte, denn wir allle wissen, daß Anonymität auch zu widerrechtlichen Handlungen führenkann." Und darum muß der Staat eben möglichst viel über seine Bürger speichern, und sei es auch auf widerrechtliche Art und Weise.
Quelle: Protokoll der 71. Sitzung des Nationalrates am 3. und 4. Juni 1992
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