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1992/12/31 Kein Grund, schwarz zu sehen ...
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... wenn der Postmann klingelt. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, daß Postbeamte keine Hausdurchsuchungen durchführen dürfen.

ORF und Post versuchen derzeit mit großem Werbeaufwand, "Schwarzseher" einzuschüchtern. "Jetzt kommen die Kontrollore der Post auch in Ihren Bezirk. Wir bitten Sie daher, Ihre gültigen Bewilligungsurkunden und die letzten Einzahlungsbelege bereitzuhalten. Die Kontrollorgane werden sichunaufgefordert mit Dienstausweis und Dienstmarke der Republik Österreich ausweisen und sind berechtigt, Ihre Wohnung zu betreten, um festzustellen, ob Sie im Besitz eines Radio- bzw. Fernsehgerätes sind."  Diese Warnung ließ der ORF von der Post an alle Haushalte Österreichs verteilen.

Am 17. September 1992 stieß der Standard ins gleiche Horn: "Den Kontrollen von Rundfunkgeräten sind Tür und Tor geöffnet - weiter als normalen Polizeibeamten." Daß die Post auch ohne Hausdurchsuchungsbefehl in die Wohnung kann "sei verfassungsrechtlich vollkommen in Ordnung und ausjudiziert,befindet der Wiener Verfassungsprofessor Bernhard Raschauer". Wirklich? Warum gehen dann nicht die Postbeamten auf Verbrecherjagd? Anruf bei Prof. Raschauer: "So hab' ich das sicher nicht gesagt." Vielmehr sei es im Gespräch mit dem Standard darum gegangen, ob ein Gesetz eine Behörde ermächtigenkönne, eine Wohnung zu betreten.

Zwischen Betreten und Hausdurchsuchung liegt aber ein großer Unterschied. Der Gasmann darf die Wohnung betreten, um den Zähler abzulesen, oder wenn der Verdacht auf eine Störung vorliegt. Den Rauchfangkehrer muß man ebenfalls hereinlassen. Und auch den Postbeamten ist Tür und Tor geöffnet, wenn mitdem Telefon etwas nicht in Ordnung ist. Eine große Zahl von Gesetzen ermächtigt Behörden dazu, die Wohnung zu betreten. Leider sind diese Bestimmungen oft nicht sehr klar gefaßt. In Par. 6 Abs. 1 der Rundfunkverordnung 1965 heißt es z.B.: "Zur Durchführung der den Fernmeldebehörden obliegendenAufsicht ist den hiezu ermächtigten und sich gehörig ausweisenden Organen der Zutritt zu den Empfangsanlagen zu gestatten oder zu ermöglichen."

Diese allgemeine Ermächtigung bedeutet allerdings nicht, daß die Post in jedem Fall Einlaß verlangen darf. Da ein Eingriff in das Hausrecht (Art. 9 StGG, Hausrechtsgesetz) vorliegt, muß die Post einen Grund haben - z.B. den Verdacht auf eine Störung.

Frau Dr. Überhuber von der Rechtsabteilung der Post liest dieselbe Bestimmung etwas anders. Unter Aufsicht und Zutritt zu den Empfangsanlagen versteht sie auch das Recht, die Wohnung zu betreten und sich dort umzusehen, ob überhaupt eine Empfangsanlage vorhanden ist. "Was wir machen, sind ja keineDurchsuchungen. Meist stehen die Geräte ja offen da. Wenn der Fernseher im Kasten steht, wird ihn der Kontrollor auch nicht finden." Obwohl diese Rechtsansicht durch das Gesetz sicher nicht gedeckt ist, hat sie doch etwas Wahres an sich. Wer den Kontrollor freiwillig hereinläßt, wird sich nämlichdann, wenn dieser das frei stehende Gerät sieht, nicht wegen einer Verletzung des Hausrechts beschweren können. Nach der ziemlich bedenklichen Judikatur des VfGH liegt nämlich eine Hausdurchsuchung nur dann vor, wenn systematisch gesucht wird.

Was ist, wenn man den Kontrollor nicht hereinläßt oder sich weigert, einen Kasten zu öffnen? In einem Erkenntnis vom 12. Juni 1986 (VfSlg. 10897/1986) hatte der Verfassungsgerichtshof sich mit folgendem Fall befaßt: Aufgrund einer telefonischen Anzeige ("Herr S. besitzt verbotene Funkgeräte undbewahrt sie im Kasten neben der Funkstelle auf." )kontrollierten zwei Beamte der Post unter Assistenz eines Polizisten das (genehmigte) Funkgerät des Herrn S. Dann verlangten sie, daß der Kasten geöffnet werde, was S. verweigerte. Sie öffneten den Kasten, fanden mehrere Funkgeräte undbeschlagnahmten sie.

Der VfGH entschied: "Da die Durchsuchung nicht von der Sicherheitsbehörde angeordnet und auch nicht vom Organ einer Sicherheitsbehörde vorgenommen wurde, ein solches Organ vielmehr nur zur Assistenzleistung bei der Amtshandlung von Organen der Fernmeldebehörde beigezogen worden war, sind dieVoraussetzungen des Par. 3 Hausrechtsgesetz nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer ist durch diese Amtshandlung daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden."

Was der VfGH hier zur Durchsuchung des Kastens gesagt hat, gilt wohl auch für eine Durchsuchung der gesamten Wohnung: Wird dem Kontrollor der Eintritt verwehrt, so darf er ihn nicht erzwingen. Es genügt auch nicht, wenn er einen Polizisten zur Assistenz holt. Vielmehr muß die Durchsuchung von derSicherheitsbehörde selbst angeordnet und vorgenommen werden. Der Polizist muß diese Anordnung dem Beteiligten vorweisen. Nur bei Gefahr im Verzug darf er auch ohne Anordnung suchen. Auf Verlangen des Beteiligten muß binnen 24 Stunden eine Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und ihreGründe zugestellt werden. Wird bei einer Hausdurchsuchung nichts Verdächtiges ermittelt, so muß dies dem Beteiligten auf Verlangen ebenfalls bestätigt werden.

Wird entgegen diesen Bestimmungen eine Hausdurchsuchung vorgenommen, so ist dies - falls es vorsätzlich geschieht - Amtsmißbrauch (Par. 302 StGB, Strafrahmen: sechs Monate bis fünf Jahre). Eine fahrlässige Verletzung des Hausrechts wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe biszu 180 Tagessätzen bestraft (Par. 303 StGB).

Strittig ist, ob die Polizei einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl benötigt. Das Fernmeldegesetz verlangt einen solchen nicht, aber der Verfassungsgerichtshof hat in (relativ alten) Entscheidungen eine andere Meinung vertreten. Bei Gefahr im Verzug ist ein richterlicher Befehl jedenfalls nichtnötig.

Weist man die Rundfunkbewilligung an der Wohnungstür vor, so fällt jedenfalls jeder Grund für eine Hausdurchsuchung weg. Das dürfte aber nach Auskunft der Post nicht vorkommen, da nur jene Haushalte überprüft werden, die keine Bewilligung haben. Soweit überhaupt geprüft wird. Denn die Beamten derPost werden es wohl kaum schaffen, allen angeblich 600.000 Schwarzsehern (ORF-Schätzung) einen Besuch abzustatten.




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