1992/12/31 An alle Finanzämter: Aufforderung zum Gesetzesbruch
DIR In einer Husch-Husch-Aktion beschloß das Parlament am 24. Juni d. J. die Novelle zum Sozialversicherungsgesetz, mit der ...
In einer Husch-Husch-Aktion beschloß das Parlament am 24. Juni d. J. die Novelle zum Sozialversicherungsgesetz, mit der die Sozialversicherung der Studierenden neu geregelt wird.
Der Hintergrund: Der Bezug der "Kinderbeihilfe" für Studierende ist wieder bis zum 27. Lebensjahr möglich, da die 1987 beschlossene Regelung, daß im "Normalfall" nur bis zum 25. Lebensjahr und bei vorliegen "besonderer Gründe" für eine Studienverzögerung auf Antrag bis zum 27. Lebensjahr ausbezahltwird, mehr Verwaltungsaufwand als Einsparungen gebracht hatte.
Um trotzdem angeblich mißbräuchlichen Bezug von Familienbeihilfe zu verhindern, wurde der Nachweis eines Mindeststudienerfolges eingeführt (Absolvierung von 8 Semesterwochenstunden pro Studienjahr im ersten Abschnitt).
"Da bei einer Angleichung der sozialversicherungsrechtlichen Regelungen der Nachweis des Mindeststudienerfolges von den Versicherungsträgern jeweils im Einzelfall zu überprüfen wäre, was einen unzweckmäßigen Verwaltungsaufwand haben würde und zu unzähligen Sozialgerichtsverfahren führen könnte, hatder Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger angeregt, den sozialversicherungsrechtlichen Kindesbegriff an den Bezug von Familienbeihilfe zu knüpfen und entsprechende Mitwirkungspflichten der Finanzbehörden bei der Vollziehung zu schaffen", weiß das Stenographische Protokoll desNationalrates (Ausschuß für Arbeit und Soziales) zu berichten.
Die Finanzämter sollen nun folgende Daten an die Sozialversicherungen (Krankenkassen) übermitteln:
Name (Familienname und Vorname)
Versicherungsnummer
Anschrift der Person, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.
Weiters hält die Novelle ausdrücklich fest: "Die übermittelten Daten dürfen nur zur Feststellung des Bestandes und des Umfanges von Leistungen nach diesem Bundesgesetz verwendet werden.".
Diese genaue und vorbildliche taxative Aufzählung der Daten und die strenge Zweckbindung lassen das Herz des Datenschützers höher schlagen. Doch der Pferdefuß steckt im Detail: woher soll bitte das Finanzamt die Sozialversicherungsnummer haben? Die Daten der zur Abrechnung verwendetenFamilienbeihilfekarte werden im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) taxativ aufgezählt, nur die Sozialversicherungsnummer ist dort nicht zu finden. Und auch auf den neuen Antragsformularen für die Familienbeihilfe wird die Sozialversicherungsnummer nicht gefordert. Das Finanzamt wird also perGesetz verpflichtet, Daten zu übermitteln, die es gar nicht hat bzw. nicht ermitteln bzw. verarbeiten darf.
Das kommt vom Hudeln. Diese Gesetzesänderung wurde von den Sozialsprechern Gottfried Feurstein (ÖVP) und Eleonore Hostasch (SPÖ) am grünen Tisch entworfen ohne die Betroffenen (das Finanzministerium und die Hochschülerschaft) zu informieren. Wäre nicht das Begutachtungsverfahren durch die direkteEinbringung der Novelle als Regierungsvorlage umgangen worden, hätte die ARGE DATEN auf den "kleinen" Widerspruch aufmerksam machen können.
Als einzig sinnvoller Ausweg bleibt nur, daß das Finanzministerium jenen Teil der Sozialversicherungsnummer übermittelt, den es kennt, nämlich das Geburtsdatum. Dieses ist im Regelfall ausreichend.
Doch aufgepaßt! Vielleicht kommen die grandiosen Sozialsprecher der Koalition auf die Idee, das FLAG zu ändern und das Finanzministerium zur Erhebung der Sozialversicherungsnummer, die es selbst gar nicht braucht, zu zwingen, womit sich wieder einmal bewahrheiten würde, daß jeder zusätzlicheDatenstrom weitere neue verursacht. Interessanter wäre eine andere "Lösung": Das Finanzministerium ergänzt die vier fehlenden Ziffern (die fortlaufende Nummer der an einem Tag Geborenen) durch eine Zufallszahl.
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