1992/12/31 Wiener Auftragnehmerkataster
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Mit einer umstrittenen datenschutzrechtlichen Zustimmungserklärung wird in Wien die Schwarzarbeit bekämpft. Eine Reihe interessanter Gutachten beschäftigte sich daher mit der Frage der Wirksamkeit von Zustimmungserklärungen nach dem DSG.
Der Magistrat der Stadt Wien führt einen Auftragnehmerkataster, in dem jene Firmen eingetragen sind, die bei öffentlichen Aufträgen zur Angebotslegung eingeladen werden. Im Zuge der aktuellen Ausländer- und Schwarzarbeitsdebatte beschloß man, künftig jene Unternehmen zu streichen, die illegalAusländer beschäftigen und deshalb verurteilt wurden. So weit, so gut. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist ein gerechtfertigtes Anliegen. Die Stadt Wien hat auch das Recht, vor einer Auftragsvergabe zu prüfen, ob sich die Firma überhaupt an die Gesetze hält.
Die notwendigen Daten (= Verurteilungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz) liegen zwar ebenfalls beim Magistrat der Stadt Wien (oder bei einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde), aber sie dürfen nicht übermittelt werden. DIR-LeserInnen wissen, warum: Auch die Weitergabe von Daten zwischenverschiedenen Aufgabengebieten desselben Auftraggebers ist eine Übermittlung. Und eine solche ist nur zulässig, wenn eine gesetzliche Ermächtigung vorliegt, wenn der Betroffene zustimmt oder wenn die Daten für den Empfänger eine wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgabenbilden. Im Einzelfall könnte eine Datenübermittlung auch im Rahmen der Amtshilfe durchgeführt werden.
Die Stadt Wien entschloß sich, Zustimmungserklärungen von den Betroffenen einzuholen: Die Firmen sollten zustimmen, daß personenbezogene Daten aus dem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz in Form der rechtskräftigen Straferkenntnisse bzw. der Einstellungsverständigungenvon den Bezirksverwaltungsbehörden an die MD-Stadtbaudirektion und an die Stadtkassen weitergeleitet werden dürfen. Die Firma sollte weiters erklären, die Zustimmungserklärung auf alle Rechtsnachfolger, Subunternehmer und auf die Arbeitsgemeinschaften, in denen die Firma als Mitglied genannt ist, zuüberbinden. Eine Firma, die die "freiwillige" Erklärung nicht unterschreibt, wird aus dem Auftragnehmerkataster gestrichen, kann daher auch keine Aufträge der Stadt mehr bekommen.
Dabei entstehen allerdings die folgenden datenschutzrechtlichen Probleme:
Eine Zustimmungserklärung - im konkreten Fall sogar ein Grundrechtsverzicht - ist prinzipiell freiwillig und widerrufbar. Da es aber Firmen gibt, die wirtschaftlich von der Gemeinde Wien abhängig sind, kann von Freiwilligkeit keine Rede sein. Zwei namhafte Wiener Universitätsprofessoren (Mayer undAicher) vertraten daher in einem Gutachten die Ansicht, daß keine gültige Zustimmungserklärung vorliegt.
Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts (zu dem organisatorisch auch das Büro der DSK zu rechnen ist) teilt diese Ansicht in seinem Gutachten nicht. Er hielt fest, was eine Zustimmungserklärung alles enthalten muß, um gültig zu sein:
die taxative Aufzählung der sich auf den Betroffenen beziehenden Datenarten,
die Bezeichnung des Empfängers (Behördenbezeichnung),
einen Hinweis auf den jederzeit möglichen schriftlichen Widerruf,
die Benennung des Übermittlungszweckes.
Das Wiener Papier erfüllt alle diese Kriterien, ist also prinzipiell zulässig.
Völliger Unsinn ist jedoch die geforderte "Überbindung" der Erklärung auf Subunternehmer und Arbeitsgemeinschaften. Zustimmungserklärungen kann nämlich jeder nur bezüglich seiner eigenen Daten abgeben. Aus demselben Grund dürfen bei der anschließenden Übermittlung auch nur die Daten der Firma, abernicht die der schwarzarbeitenden Ausländer übermittelt werden. Eine Übermittlung des gesamten Bescheidtextes (wie vom Magistrat geplant) wäre daher unzulässig.
Problematisch ist auch die Übermittlung der Einstellungsverständigungen. Endet ein Strafverfahren ohne Strafe, so ist nicht verständlich, warum die für den Auftragnehmerkataster verantwortlichen Beamten auch darüber Informationen haben wollen.
Interessant ist jedenfalls, die Kriterien des Verfassungsdienstes einmal auf die im Privatrecht üblichen Zustimmungserklärungen anzuwenden. Daß auf Bestellscheinen vermerkte Sätze wie "Ich möchte auch Sonderangebote anderer Firmen erhalten." nie und nimmer eine gültige Zustimmung zurDatenübermittlung enthalten, war ohnehin immer klar. Aber wie viele Zustimmungserklärungen haben Sie schon gesehen, aus denen klar hervorgeht, welche Daten wozu an wen übermittelt werden und die auch einen Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit enthalten. Meist werden diese Texte nach dem Prinzip -"je unklarer, desto besser" - abgefaßt. Wenn die Ansicht des Verfassungsdienstes auch im Privatrecht gilt, dann sind alle diese Formulierungen ungültig.
Als Probleme bleiben offen: Im Privatrecht nützen alle theoretischen Überlegungen nichts, solange sich kaum jemand daran hält. Vor allem im Bereich des Listbroking wird oft nicht einmal versucht, zuerst eine Zustimmung einzuholen. Im öffentlichen Bereich gäbe es zur Einholung vonZustimmungserklärungen die Alternative, ein entsprechendes Gesetz zu erlassen. Und dieser Alternative soll auch der Vorzug gegeben werden. Sonst kann es leicht passieren, daß eine (evtl. unausgereifte) Idee einiger Beamter nicht durch Gesetz, sondern nur durch "freiwillige" Zustimmungserklärungengedeckt ist.
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