1992/12/31 Das Stasi-Gesetz
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In Deutschland wurde Ende 1991 das Stasi-Unterlagen-Gesetz beschlossen. Eine kritische Betrachtung ergibt: vorbildliche Regelungen zur Akteneinsicht, hohes Problembewußtsein des Gesetzgebers und leider sehr weitgehende Bestimmungen zur Weiterverwendung der Akten.
Das Gesetz sieht vor, daß alle Unterlagen der Stasi erfaßt und vom "Bundesbeauftragten" verwahrt werden. Als Unterlagen werden nicht nur die Akten, Dateien, Karten, Filme etc. gewertet, sondern auch Duplikate und die "zur Auswertung erforderlichen Hilfsmittel, insbesondere Programme" - ein Beispielfür die detaillierte Ausgestaltung des Gesetzes. Ebenso detailliert ist die Aufgliederung des betroffenen Personenkreises in "Betroffene" (Opfer zielgerichteter Überwachung), "Mitarbeiter" (offizielle und inoffizielle), "Begünstigte" und "Dritte".
Den verschiedenen Personengruppen stehen auch verschiedene Rechte zu, besonders bei der Auskunft und Akteneinsicht. Die "Betroffenen" erfahren, wer sie bespitzelt hat, die "Mitarbeiter" können ihre früher abgelieferten Berichte nicht mehr einsehen, sondern nur ihren Personalakt. Dem enormenAktenumfang entsprechend wurde das Auskunftsverfahren flexibel gestaltet. Zuerst wird dem Betroffenen eine kurze Beschreibung der zu seiner Person aufgefundenen Unterlagen geschickt, evtl. nur die Mitteilung, daß Unterlagen vorhanden sind. Dann kann der Betroffene Einsicht nehmen und Duplikateanfertigen lassen. Auskunft und Einsichtnahme sind kostenlos. Sind in den Akten Namen anderer Personen genannt, so wird nur Einsicht in anonymisierte Duplikate gewährt, alle ausgefolgten Kopien müssen anonymisiert sein.
Wer eine Auskunft will, soll Hinweise geben, die die Auffindung der Unterlagen erleichtern. Dies gilt insbesondere für "Dritte", die nicht zielgerichtet bespitzelt wurden, weshalb ihre Daten unter dem Namen einer anderen Person abgelegt sind. (Zum Vergleich: Das österreichische DSG kennt solcheRegelungen nicht. Wenn Daten nicht direkt abrufbar sind, kann der Betroffene soviele Hinweise geben, wie er will. Die Auskunft erhält er nicht.) Alles in allem: flexible und detaillierte Regelungen, wie sie auch in Österreich nötig wären. Die Stapo-Auskunfts-Aktion in Österreich hatte alsRechtsgrundlage nämlich nur das fünf Paragraphen kurze Auskunftspflichtgesetz.
Weniger erfreulich sind die Bestimmungen über die Weiterverwendung von Akten: Neben der Verwendung zur Rehabilitierung, zur Auffindung der verschwundenen DDR-Milliarden, zur Aufklärung von Vermißtenschicksalen und dergleichen sind auch Sicherheitsüberprüfungen vorgesehen. Ohne daß ihre Einwilligungerforderlich ist, können folgende Personen darauf überprüft werden, ob sie Stasi-Mitarbeiter waren: Regierungsmitglieder und Abgeordnete, alle Beschäftigten im öffentlichen oder im kirchlichen Dienst (In Berlin wird ein Stasi-Spitzel nicht einmal bei der Müllabfuhr angestellt!), Notare,Rechtsanwälte, leitende Angestellte und Personen, die an "sicherheitsempfindlichen Stellen" beschäftigt sind.
Das alles gilt auch für Personen, die sich um eine solche Stelle bewerben. Nicht nur die Kenntnis der Überprüften, sondern auch die Einwilligung ist erforderlich bei Vorständen politischer Parteien bis hinunter auf Kreisebene, ehrenamtliche Richter und Kirchenfunktionäre und Betriebsräte. - Nebender Überprüfung von Personen auf ihre Stasi-Vergangenheit können die Akten noch verwendet werden für parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Gerichte und Staatsanwaltschaften, aber im allgemeinen nicht durch die Nachrichtendienste. Es ist auch nicht erlaubt, daß die Unterlagen über Computer vondiesen Stellen abgerufen werden können.
Das Gesetz enthält auch Regelungen über die Verwendung von Unterlagen für die historische Aufarbeitung und für die Medien. Für diese Zwecke soll zwar der Zugang möglichst frei sein, allerdings werden personenbezogene Daten nur über Personen der Zeitgeschichte, Politiker, Mitarbeiter und Begünstigteder Stasi weitergegeben. Auf deren schutzwürdige Interessen ist aber Rücksicht zu nehmen. Führt eine Veröffentlichung zu Entgegnungen, so sind diese zu den Akten zu nehmen und in Zukunft dürfen die Akten nur mit den Gegendarstellungen zugänglich gemacht werden.
(Quellen: dBGBl. I S. 2772-2287; EuGRZ 1992, 31)
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