1992/12/31 Studenten im Datennetz
DIR Die Novelle des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes soll bisher illegale Datenströme legalisieren
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Die Novelle des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes soll bisher illegale Datenströme legalisieren
"Mit Statistiken kann man bekanntlich alles beweisen. Dennoch sind statistische Informationen auch in der Bildungs- und Hochschulpolitik unverzichtbare Hilfsmittel für mittel- und langfristige Planungen, aber auch für Einzelentscheidungen im Alltagsbetrieb." (Bundesminister Dr. Erhard Busek)
Überquellende Hörsäle bereiten den Ministerialbeamten Kopfzerbrechen. Nicht, daß sie nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen - von den von Busek versprochenen 30 Milliarden ist nichts mehr zu hören - sondern nach neuen Restriktionen, die der "Studentenflut" einhalt gebieten. In den vergangenenMonaten wurde daher versucht, mit zweifelhaften Statistiken zu beweisen, wie viele "Scheinstudenten" es gebe und wieviel Geld sie dem Staat, dem Steuerzahler, kosten würden. StudentInnendaten, die von den Universitäten erhoben werden, gewinnen daher immer mehr Bedeutung. Der nun vorliegende Entwurfzur Novellierung des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes (AHStG) sieht daher neue Regelungen für die Erfasssung und Weiterleitung der StudentInnendaten vor.
Zentrale HörerInnenevidenz
Bei der Inskription fallen eine Menge Daten an, die von der Universität per Computer verarbeitet werden. Diese Daten werden auch an das Wissenschaftsministerium übermittelt, damit dieses seine "zentrale Hörerevidenz" und den jährlichen "Hochschulbericht" erstellen kann. Bisher enthielt der Par. 12(4) AHStG eine recht allgemeine Formulierung, derzufolge die "erfaßten Personaldaten der Studierenden, Immatrikulations- und Inskriptionsdaten, Prüfungsdaten und Daten über Studienabschlüsse" zu übermitteln sind. Im Gesetzesentwurf sollen diese umfassenden Daten genau aufgezählt werden:
1. Matrikelnummer, Name und allfällige akademische Grade, Geburtsdatum und Geschlecht;
2. Staatsbürgerschaft und Gebührenstatus gemäß Hochschultaxengesetz 1972;
3. Schulform und Datum der Reifeprüfung;
4. Stammhochschule, Aufnahme- und Abgangsdatum sowie Hörerstatus;
5. Staatenkennzeichen, Postleitzahl und Ort der Zustelladresse sowie Anschrift am Heimatort;
6. Kennzeichnung, Zulassungsdatum und -status sowie Inskription jedes Studiums;
7. Art und Datum erfolgreich abgelegter studienabschnitt- oder studienabschließender Prüfungen.
Prinzipiell begrüßt die ARGE DATEN, daß die zu übermittelnden Daten genau und taxativ aufgezählt werden. Doch der angeführte Datenumfang geht über die für die Hochschschulstatistik notwendigen Daten hinaus. Erst recht stellt sich die Frage nach dem Sinn der zentralen Hörerevidenz, da Aufgabe desWissenschaftsministeriums nicht die Überwachung jedes einzelnen Studierenden sein kann und bei allfälligen Verwaltungseingaben der Studierenden an das Ministerium die benötigten Daten sowieso mitgeliefert werden.
Nicht nur, daß die zentrale Hörerevidenz für die Aufgaben des Wissenschaftsministeriums nicht notwendig sind, die umfangreichen Angaben werden in einer Datenbank gelagert und auch nach dem Abschluß des Studiums nicht gelöscht. Auch in der Novelle ist keine Löschfrist vorgesehen! Auch MaturantInnen,die nur kurz an der Universität geschnuppert haben, bleiben auf ewig in der Datenbank erhalten.
Auch für die Führung der Hochschschulstatistik sind die Angaben zu umfangreich. Matrikelnummer, Name und Geburtsdatum sind reine Identifikationsdaten und haben in einer Statistik nichts verloren. Genaue Zeitangaben (Reifeprüfung, Aufnahme- und Abgangsdatum, Datum abgelegter Prüfungen) sind nichtnotwendig, da sinnvollerweise nur das Jahr bzw. das Semester dieser Ereignisse ausgewertet wird. Ebenfalls sind keine genauen Anschriften notwendig, da nur nach politischem Bezirk ausgewertet wird.
Hochschulstatistik
Bei der Immatrikulation, der Inskription, des Abganges von der Hochschule, der Verleihung eines akademischen Grades und einer Berufsbezeichnung sind statistische automationsgestützte Erhebungen durch den Par. 12 AHStG (3) gedeckt. In der Praxis müssen bei der Immatrikulation und bei derExmatrikulation Studierende Statistikblätter ausfüllen.
Dabei handelt es sich um folgende Daten:
a) Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft der Studierenden;
b) letzter gewöhnlicher Aufenthaltsort des Studierenden vor Beginn des Studiums und Wohnsitz im Zeitpunkt der Erhebung;
c) Beruf der Eltern und deren Stellung im Beruf, Schulbildung der Eltern;
d) Zahl der Geschwister, in Schulausbildung, Berufsausbildung oder beruflicher Tätigkeit;
e) Familienstand, Zahl der Kinder des Studierenden, Berufstätigkeit, Studium des Ehegatten;
f) berufliche Tätigkeit des Studierenden, Bezug der Studienbeihilfe und von Stipendien;
g) Vorbildung des Studierenden;
h) bisherige Studien (Fakultät, Studienrichtung, Studienfächer, Zahl der Semester) und abgelegte Prüfung.
Diese umfangreiche Datensammlung soll erhalten bleiben. Neu in die Novelle wurde aufgenommen, daß die "statistische" Erhebung mit der Matrikelnummer erfolgen soll, womit bloß die bisher gesetzlich nicht gedeckte Praxis legalisiert werden soll.
In der Einführung zur Hochschul-Statistikverordnung stellt sich das ministerielle Verständnis von Statistiken (laut Theorie anonym) folgend dar: "Die Matrikelnummer der Studierenden wird in sämtlichen Formularen der Studien- und Prüfungsadministration als eindeutiges Personenkennzeichen verwendet.Auch in den hochschulstatistischen Erhebungen ist sie seit 1967 durchgehend vorgesehen, obwohl sie unter den Erhebungsgegenständen von Par. 12 Abs. 3 AHStG nicht ausdrücklich erwähnt wird." Sie sei, so heißt es weiter, bloß Hilfsmerkmal und zudem notwendig, um ausgefüllte Erhebungsblätter denStudierenden zur Ergänzung zurückzustellen und außerdem wäre sonst die Auskunftspflicht mit ihren Strafmöglichkeiten nicht durchsetzbar.
Auch hier werden mehr Daten erhoben, als ausgewertet (Geburtsdatum, Geburtsort). Schulbildung der Eltern, die Ausbildung und berufliche Tätigkeit der Geschwister, der Bezug der Studienbeihilfe und von Stipendien und die Berufsziele werden nicht mehr erhoben und sollten daher nicht mehr im Gesetzaufscheinen. Der Sinn der Hochschulstatistik ist insgesamt fraglich, da kein direkter Nutzen feststellbar ist. Die Erhebung über Beruf der Eltern glaubte man früher durchführen zu müssen, um soziale Schranken abzubauen. Doch gezielte Programme zur Förderung von Arbeiterkindern etc. gibt es nichtbzw. man braucht dafür nicht die Hochschschulstatistik und schon gar nicht jedes Jahr. Zudem gibt es diese Daten auch bei der Volkszählung.
Die Matrikelnummer ist für Verlaufsstatistiken notwendig, deren Sinn ebenfalls umstritten ist. Auf eine parlamentarische Anfrage im Jahre 1990 konnte das Wissenschaftsministerium keine konkrete Antwort geben und behauptete nur ganz allgemein, daß Verlaufsstatistiken bei der Vorbereitung gesetzlicherMaßnahmen sich als notwendig erweisen würden.
Doppelt kostet mehr
Somit werden also sowohl im Wissenschaftsministerium als auch im statistischen Zentralamt umfangreiche Statistiken über die Studierenden geführt. Im Sinne der Kosteneffizienz und Minimierung der Datenflüsse sollte in Zukunft nur noch die wirklich benötigten statistischen Daten in anonymisierter Formvon der Universitätsdirektion an das Statistische Zentralamt übermittelt werden. Die zentrale Hörerevidenz sollte ersatzlos aufgelöst werden. Einerseits fehlt den Universitäten für dringend notwendige Ressourcen (Personal, Lehraufträge, ...) das Geld und auf der anderen Seite verschwendet dieStaatsbürokratie mit unnötigen Datensammlungen und Statistiken Unsummen.
HörerInnenevidenz in der Universitätsbibliothek
In den vergangenen Jahren hielten Computer auch in die Universitätsbibliotheken Einzug. Die Entlehnung wird dort nun vom Computer verwaltet. Die Menschenschlange vor der Bücherausgabe wurde zwar länger, dafür erfolgt nun die Mahnung und Strafgeldeinhebung automatisch und unerbittlich. Der einzige"Vorteil": die Entlehnausweise, ebenfalls im Computer verwaltet, werden nun jedes Semester automatisch verlängert, da die Universitätsbibliothek automatisch die Inskriptionsdaten übermittelt bekommt. Peinlicherweise geschieht dies ohne gesetzlicher Grundlage. Diese soll mit der AHStG-Novellenachgeliefert werden.
An die Universitätsbibliothek sollen daher Matrikelnummer, Familienname, Vorname(n), akademischer Grad, Geburtsdatum, Staatsbürgerschft, Geschlecht, Zustell- und Heimatadresse übermittelt werden. Auch hier werden mehr Daten weitergegeben, als dies für die Entlehnung von Büchern notwendig ist. SindFrauen bei der Entlehnung anders zu behandeln als Männer? Kriegt man mit einem akademischen Grad die Bücher schneller? Bekommen fleißige Entlehner zum Geburtstag eine Glückwunschkarte?
Bei der händischen Entlehnverwaltung wurden nur Vorname, Familienname und Zustelladresse erhoben und bei Ausländern der Gebührenstatus, da von Ausländern, die nicht Inländern gleichgestellt sind, eine Sicherstellung eingehoben wird. Auf diese Daten sollte sich auch die computergestützte Verwaltungbeschränken.
Weiters ist nicht einzusehen, warum gleich die Daten aller inskribierten Studierenden an die Bibliothek übermittelt werden, da nicht alle inskribierten die Bibliothek benutzen. Angaben über Personen, die nicht in einem Rechtsverhältnis (alt: Entlehner) mit der Bibliothek stehen, darf die Bibliothekaber nicht verwerten, da sie den Benützern gegenüber im Sinne des Privatrechts tätig ist!
Die Matrikelnummer ist völlig überflüßig und hätte nur Sinn, wenn, ungesetzlicherweise, Verknüpfungen mit anderen Datensätzen angestrebt werden. Auf den Entlehnausweisen scheint die Matrikelnummer nicht auf, stattdessen steht dort eine eigene Entlehnausweisnummer.
Hier hilft nur noch Datenschutzeinsatz
Die Daten der Studierenden sollen/werden in einem nicht zu rechtfertigenden Ausmaße weitergeleitet, sodaß eine genaue Durchleuchtung der Datenverarbeitungen in diesem Bereich notwendig wäre. Eine Systemüberprüfung durch die Datenschutzkommission wäre angebracht.
Literaturtip:
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung: Hochschul-Statistikverordnung. Österreichische Studienvorschriften, Textausgabe, Heft 1/4.
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