1992/12/31 Volkszählung I
DIR Erinnern Sie sich noch?
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Erinnern Sie sich noch?
Vor mehr als einem Jahr fand in Österreich eine Volkszählung statt. Nun wäre es Zeit zu erfahren, wie Struktur und Aufbau der Österreichischen Wohnbevölkerung an diesem legendären 15.5.1991 ausschaute. Immerhin wurden seither rund 100.000 Österreicher geboren, rund 90.000 damals gezählte sindverstorben, 3-700.000 haben ihre Wohnung gewechselt, einige zehntausend Menschen kamen als Asylanten, Flüchtlinge oder Gastarbeiter neu ins Land. Für rund eine Million Österreicher kommen die Volkszählungsdaten zu spät, auf sie treffen die Zahlen nicht mehr zu.
Doch von Volkszählungsergebnissen zu sprechen ist noch viel zu früh. Noch immer werden tausende Volkszählungsbögen von Gemeindebediensteten penibel ausgefüllt. Immer schwieriger wird es, die tatsächliche Lebenssituation vor mehr als einem Jahr zu rekonstruieren.
Das Statistische Zentralamt (ÖSTAT) meldet derzeit rund 126.000 Reklamationsverfahren.
Da die direkt abgelieferten Daten für die Volkszähler reichlich unbrauchbar sind, durchlaufen alle Volkszählungsbögen ein mehrstufiges Bearbeitungsverfahren. Wobei zwangsläufig von Stufe zu Stufe ein immer geringerer Fertigstellungsgrad erreicht wird.
Stufe 1: SIGNIERUNG I
Diese umfaßt: Prüfung auf Vollzähligkeit der Belege, Gewährleistung der vorgesehenen Belegreihenfolge, Prüfung der Wohnsitzangeben, Gewährleistung der für die EDV-Erfassung notwendigen Ausfüllqualität. Sprich: unvollständig ausgefüllte Bögen werden von den Gemeindebeamten nachträglich ausgebessert("ex-offo-Hören"). Was die Beamten tatsächlich eintragen bleibt wohl für ewig statitisches Geheimnis und der Phantasie der Leser und Beamten überlassen.
Derzeit bearbeitet: 79% der Wohnbevölkerung
Offen: 21% (oder rund 1,5 Mio) Personen
Stufe 2: Einlesen in das EDV-System
Mittels eines Beleglesers werden je Stunde ca. 5.000 VZ-Bögen erfaßt.
Derzeit bearbeitet: 70% der Wohnbevölkerung
Offen: 30% (oder rund 2,2 Mio) Personen
Stufe 3: OVID - Optical Character Reader Video Image Digitizing
Jene Zeichen, die der Blechtrottel, pardon Belegleser IBM 1288 in Stufe 2 nicht automatisch erkennen konnte, werden nun manuell eingetippt.
Derzeit bearbeitet: 68% der Wohnbevölkerung
Offen: 32% (oder rund 2,35 Mio) Personen
Stufe 4: Erfassung neuer Objekte
Aktualisierung des Gebäudeverzeichnisses im ÖSTAT.
Derzeit bearbeitet: Gebäude für 64% der Wohnbevölkerung
Offen: Gebäude bei 36% (oder rund 2,65 Mio) Personen
Stufe 5: Rechnerische Kontrolle der Objektverzeichnisse
Überprüfung, ob die Summenzahl je Objekt mit der Zahl der tatsächlich abgegebenen Personenbögen übereinstimmt. Tatsächlich ergeben sich hier sehr oft Rechenfehler durch die Gemeinden.
Derzeit bearbeitet: Gebäude für 56% der Wohnbevölkerung
Offen: Gebäude bei 44% (oder rund 3,25 Mio) Personen
Stufe 6: Vorplaus A und B
Eine vorgelagerte Plausibilitätsprüfung, in der die Reihenfolge der Zählungsblätter überprüft wird.
Derzeit bearbeitet: Gebäude für 53% der Wohnbevölkerung
Offen: 47% (oder rund 3,5 Mio) Personen
Stufe 7: HWZ-Plaus
Eine Plausibilitätsprüfung, in der die Datensätze der Häuser- und Wohnungszählung überprüft werden. Die AufwendigenPlausibilitätskontrollen sollen sicherstellen, daß die grundsätzlich anonymen Datensätze eindeutig zuordenbar bleiben und somit auch, zumindest theoretisch, wieder personenbezogenidentifiziert werden könnten.
Derzeit bearbeitet: Gebäude für 18% der Wohnbevölkerung
Offen: 82% (oder rund 6,1 Mio) Personen
Stufe 8: VZ-Mikroplaus I
Hier wird die innere Konsistenz der Personenblätter überprüft. z.B.: Arbeitslose, die täglich in die Arbeit fahren, Säuglinge, die schon verwitwet sind, Akademiker ohne Volksschulabschluß usw.
Stufe 9: VZ-Makroplaus I
Aus den Einzeldaten werden statistische Tabellen generiert und diese, im Vergleich zu früheren Volkszählungen auf ihre Plausibilität überprüft. Z.B.: wenn es 1991 wesentlich mehr 100-jährige geben sollte, als 1981 90-jährige usw. Bei Abweichungen erfolgen wiederum Korrekturen.
Derzeit bearbeitet: Gebäude für 11% der Wohnbevölkerung
Offen: 89% (oder rund 6,6 Mio) Personen
Die meiste Zeit dürften aber noch die Anhörungsverfahren zu den derzeit laufenden 126.253 Reklamationsverfahren benötigen. Geht es doch hier in jedem Fall um einige tausend Schilling pro Jahr, die zwei oder mehr Gemeinden für sich reklamieren. Rechnet man eine ganze Volkszählungsperiode (10 Jahre),dürfte der Streitwert bei rund öS 6-7 Mrd. liegen.
An der Auswertung arbeiten im ÖSTAT 275 Personen. Nicht berücksichtigt wurden jene hunderte Gemeindebediensteten, die die VZ-Bögen korrigieren müssen.
Wenn in zwei Jahren die ersten echten Rohdaten verfügbar sind, werden diese Zahlen auf rund 2,5 Mio Österreicher nicht mehr zutreffen. Das kann man nur als statistische Unschärfe in höchster Qualität bezeichnen!
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