1992/12/31 Militärkommando OÖ/BMLV:
DIR Löschungsrecht - nicht für den Betroffenen
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Löschungsrecht - nicht für den Betroffenen
In DIR März '90 und Juni '91 berichteten wir über die Auskunftspraxis des österreichischen Bundesheers. Nachdem sich ein interessierter Bürger zweimal bei der DSK beschwert hatte, erhielt er endlich die erwünschte Datenschutzauskunft - auch so rätselhafte Abkürzungen wie die "Diagnose1-31.12.87-732-00-1-3-" wurden aufgeklärt.
Der wehrpflichtige Bürger - nennen wir ihn wieder E. L. (*) - dachte aber, daß das Heer den gespeicherten Datenwust nicht zur Gänze benötigt. Daher stellte er bei beiden Behörden (BMLV und MilKdo OÖ) einen Löschungsantrag nach Par. 12 DSG. Dieser Paragraph verpflichtet Datenverarbeiter "unrichtigeoder entgegen den Bestimmungen des Par. 6 ermittelte oder verarbeitete Daten ... richtigzustellen, zu löschen oder die Richtigstellung oder Löschung zu veranlassen". Daten sind insbesondere dann "entgegen den Bestimmungen des Par. 6" verarbeitet, wenn ihre Speicherung nicht oder nicht mehr notwendigist.
L. ist der Ansicht, daß die Datenarten "Vornamen der Eltern", "Religionsbekenntnis" und "Nummer des Untersuchungsarztes" überhaupt nie notwendig waren und unter anderem die folgenden Datenarten überholt und daher nicht mehr notwendig sind: Körpermaße, EKG-Befunde und EKG-Ruhe-Werte, Röntgen(Schirmbild), Blut-Labor, Harn-Labor, Spirometrie (Lungenfunktion), Audiometrie, Augenuntersuchung, Isometrie und vor allem die Ergebnisse der psychologischen Test-Reihe. Alle diese Datenarten sind noch genauso gespeichert, wie sie bei der Stellung im Dezember 1987 erhoben wurden. L. meint aber, daßvon den Daten nur mehr die zusammenfassenden Wertungen gespeichert bleiben dürfen, die Details aber gelöscht werden müssen.
Da sowohl das BMLV als auch das Militärkommando die Löschung abgelehnt hatten, wandte sich L. an die DSK - doch diese wies die Beschwerde mit Bescheid vom 19. Februar 1992 (120.365/8-DSK/92) ab. Für die Begründung der achtzehn abgewiesenen Löschungsanträge sind der DSK zwei Seiten gerade lang genug.Die zentralen Sätze lauten: "Hinsichtlich der Frage, welche Daten für das Ergänzungswesen eine wesentliche Voraussetzung iS des Par. 6 DSG bilden, ist davon auszugehen, daß diese Daten nicht nur der notwendigen Identitätsfeststellung dienen, sondern auch die Grundlage für die Einberufung undEinteilung zu bestimmten militärischen Dienststellen bilden.
Der Beschwerdeführer wurde bei seiner Stellung als 'beorderbar' eingestuft [...], somit ist auch die Speicherung seiner Daten im personellen Ergänzungswesen im Einklang mit den Bestimmungen des Par. 6 DSG. [...] In weiterer Folge dient die Dokumentation des Gesundheitszustandes als Voraussetzung fürdie Einberufung bzw. Einteilung des Wehrpflichtigen sowie als laufender Vergleich der Gesundheitsdaten während der verschiedenen Arten des ... Präsenzdienstes und damit der Feststellung der gesundheitlichen Situation des Wehrpflichtigen auch im Hinblick auf einen allfälligen künftigen Einsatz."
Eine genauere Betrachtung des Bescheids ergibt dreierlei:
1. Die Datenschutzkommission hat sich überhaupt nicth mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Daten überholt seien und auch nicht damit, ob überholte Daten überhaupt zu löschen seien. Damit verfehlt die DSK einen wesentlichen Zweck des Datenschutzgesetzes: Dieses sieht nämlich vor, daß dieDatenspeicherung auf das Notwendige zu beschränken sei, und dazu gehört eben auch, daß überholte und unnötig gewordene Daten gelöscht werden.
Das hat auch die Regierung klar gesehen, als sie 1975 den Entwurf für das DSG vorgelegt hat. Die DSK sieht das offenbar nicht ganz so: "Der Beschwerdeführer wurde bei seiner Stellung als 'beorderbar' eingestuft [...], somit ist auch die Speicherung seiner Daten [...] im Einklang mit den Bestimmungendes Par. 6 DSG." Mit anderen Worten: Wenn Daten einmal im Computer drin sind, dann bleiben sie das auch. Ein Betroffener hat derzeit keine wirksame Möglichkeit, sein Löschungsrecht im Hinblick auf überholte Daten durchzusetzen.
2. Die DSK hat auch nicht die einzelnen Datenarten daraufhin geprüft, ob sie notwendig (= wesentliche Voraussetzung im Sinne des Par. 6 DSG) seien. Daß die ganze Datenverarbeitung als solche rechtmäßig sei, genügt der DSK. Wiederum mit anderen Worten: Wer eine Datenbank betreiben darf, der darfdarin speichern, was er will. Nach dem DSG hingegen müssen nicht nur die ganze Datenbank, sondern auch alle Einzeldaten rechtmäßig verarbeitet sein.
3. Nach dem DSG dürfen Daten auch nur für einen bestimmten Zweck gespeichert werden. Die DSK hingegen hat die Behauptung des BMLV akzeptiert, die Gesundheitsdaten würden u. a. für den "laufenden Vergleich der Gesundheitsdaten" gespeichert. Damit wird das Gebot der Zweckbindung de facto aufgehoben.Richtig wäre: Daten werden für einen bestimmten Zweck (die Durchführung der Stellung) erhoben, dann ausgewertet. Die zusammenfassende Auswertung bleibt als Grundlage für die Einteilung zu verschiedenen militärischen Diensten gespeichert, der Rest wird gelöscht. Realität ist: Daten werden erhoben(Zweck: Stellung), dann vollständig gespeichert (Zweck: Vergleich). Derartige Pseudozwecke lassen sich sehr leicht finden. Vorschläge: "wissenschaftliche Auswertung", "Dokumentation", "Speicherung zur allfälligen Wiederverwertung", ...
Nun wird sich mit der ganzen Frage der Verfassungsgerichtshof zu befassen haben. Das Recht auf Löschung ist nämlich (als Teil des Grundrechts auf Datenschutz) in der Verfassung verankert und L. macht von seinem Recht Gebrauch, den DSK-Bescheid beim Höchstgericht anzufechten.
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