1992/12/31 CASE - Einmal abseits vom Computer
DIR Sozialhilfe wird immer nötiger - und immer teurer. Moderne Managementmethoden sollen die Kostenexplosion eindämmen.
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Sozialhilfe wird immer nötiger - und immer teurer. Moderne Managementmethoden sollen die Kostenexplosion eindämmen.
Wenn es um neue Wege in der Betreuung sozial Schwacher und Gestrandeter geht, hat das Land Vorarlberg allemal die Nase vorn. Sei es bei der Privatisierung der Vorsorgeuntersuchung und der privatrechtlichen Datensammlung durch die AKS (Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin), sei es bei derPrivatisierung von Sozialeinrichtungen. Mit der Hoffnung, daß engagierte Vereinsmitarbeiter eher als pragmatisierte Beamte zur Selbstausbeutung neigen, wenn es um Hilfe für Bedürftige geht. Außerdem läßt sich erst bei der Existenz mehrerer Hilfsorganisationen das gesunde Konkurrenzdenken wecken,wenn sich diese um den enger werdenden Subventionstopf balgen.
Mit CASE soll nun der nächste Schritt erfolgen. Mehrere Organisationen fördern die Konkurrenz untereinander, aber sie erhöhen leider auch die Reibungsverluste. Allzuoft kommt es zu Mehrfachbetreuungen derselben Klienten. Diese werden umworben von mehreren Organisationen, zu richtigen Therapieopfern,zumindest aus der Sicht der Sozialbeamten, die den Einsatz der verschiedenen Hilfsorganisationen steuern sollen.
Um diese Doppelbetreuungen in den Griff zu bekommen, sollen die Daten jedes Klienten erfaßt werden und samt einer ausführlichen Beschreibung einer Zentraleinrichtung gemeldet werden. Diese entscheidet dann, wer die Betreuung dieses Klienten in Hauptverantwortung übernehmen soll.
Freilich, in der geduldigen CASE-Theorie, verfaßt von Herrn Primarius Dr. Haller, ist noch von "anonymisierten Klienteninformationen" die Rede. Die Prognose ist jedoch nicht allzu gewagt, daß dadurch das angestrebte Ziel der Verhinderung von "antitherapeutischen Doppel- und Mehrfachbetreuungen"nicht verhindert werden kann. Alle bisherigen Datenschutzerfahrungen zeigen, daß derartige Einrichtungen sehr rasch klientenbezogene, nichtanonyme Daten benötigen.
Nun kann die Verhinderung von Mehrfachbetreuungen tatsächlich ein wichtiges therapeutisches Anliegen sein. Die dazu verwendete Methode, einen zentralisierten hochsensiblen Datenbestand über Vorarlbergs Problemfälle aufzubauen, ist jedoch abzulehnen. Ein derartiger Bestand könnte allzuleicht fürnicht-therapeutische Zwecke genutzt werden, etwa um willkürlich definierte Sozialschmarotzer herauszufiltern, einzelne Klientengruppen zu kriminalisieren oder zu institutionalisieren. Tatsächlich würde durch eine derartige Zusammenführung verschiedenster Klientendaten aus unterschiedlichenEinrichtungen die freie Wahl der Betreuungseinrichtung und der Therapie durch den Klienten massiv beeinträchtigt. Damit wäre der einzige Vorteil, den Klienten aus der Privatisierung der Sozialbetreuung gewinnen könnten, die Verbreiterung des Angebots, in Frage gestellt.
Eine Vermeidung von Mehrfachbetreuungen müßte an der Wurzel beginnen. Es müßte versucht werden, herauszufinden, warum Klienten mehrere Betreuungseinrichtungen konsultieren.
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