1991/12/31 Landesverteidigung mit Sozialversicherungsnummer
DIR Herr O.(*) teilt uns mit, daß im Zusammenhang mit den Reservistenübungen seit 1990 auf dem "Personalveränderungsblatt" d...
Herr O.(*) teilt uns mit, daß im Zusammenhang mit den Reservistenübungen seit 1990 auf dem "Personalveränderungsblatt" die Sozialversicherungsnummer erhoben wird. Dies sei neu. Früher wurde die Sozialversicherungsnummer zum Zwecke der Abdeckung der Krankenversicherung erhoben. Herr O. will wissen,auf welcher Grundlage diese zusätzliche Datenerhebung erfolgt.
Die ARGE DATEN frägt parallel bei der DSK und beim BM für Landesverteidigung an.
Die DSK ist rasch mit ihrer Version zur Stelle:
Laut 44. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (1988) wurde das Verteidigungsministerium beauftragt "für Personen, die aufgrund der Bestimmungen des Wehrgesetzes 1978, ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienst leisten ... den Beginn, das Ende und die Art des Präsenzdienstes sowieden Evidenzbereich dem Hauptverband auf automationsunterstütztem Wege mitzuteilen." Abschließend stellt die DSK fest, daß diese Übermittlung zwar vorbereitet, aber derzeit noch nicht durchgeführt ist. Die Stellungnahme der DSK endet ein wenig kryptisch mit dem Hinweis, daß dieSozialversicherungsnummer als Datenart 17 - im Hinblick auf Notwendigkeiten, die sich aus dem Wehrgesetz und dem Heeresgebührengesetz ergeben - registriert wurde.
Einige Tage später die Version des Verteidigungsministeriums:
Die Erfassung erfolgt aufgrund des Einkommensteuergesetzes 1988 Par.69 Abs 3, lautet der lapidare Hinweis.
Gemäß Par.69 Abs. 3 sind bei der Auszahlung von Bezügen 22% Lohnsteuer einzubehalten, "soweit diese Bezüge 230 S täglich übersteigen. Die Vorlage einer Lohnsteuerkarte hat zu unterbleiben. Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Jahresausgleichverfahren hat die auszahlende Stelle bis zum 31. Jännerdes Folgejahres einen Lohnzettel auszustellen und an das Wohnsitzfinanzamt des Arbeitnehmers zu übermitteln." Nun kommt jedoch die entscheidende Passage: "Dies kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten im Wege eines Datenträgeraustausches übermittelt werden."
Diese Art des automatisierten Datenaustausches wird durch eine Verordnung geregelt. Wir zitieren aus dieser Verordnung vom 19.7.1989 (BGBl 410/89): Die angeführte Übermittlung eines Lohnzettels an das Wohnsitzfinanzamt kann durch einen in magnetisch gespeicherter Form erstellten Datenträger ersetztwerden, wenn der Versicherungsträger oder der Arbeitgeber dieses Verfahren beim Bundesministerium für Finanzen bis zum 31. Oktober jenes Jahres beantragt, für das die Lohnzettel zu erstellen sind. Weiter unter Par.2: Auf Grund der Anmeldung zu diesem Verfahren sind dem Versicherungsträger oderArbeitgeber Richtlinien zu entsenden, die den Satzaufbau und die Regeln für die Felddinhalte der zu übermittelnden Datensätze enthalten. Der Datenträger muß diesen Richtlinien entsprechen.
Damit war das Prinzip des Datenaustausches klar, auch die Funktion der Sozialversicherungsnummer als universelles Personenkennzeichen, Unklar blieb, welche Daten tatsächlich an das Finanzamt weitergegeben wurden. Das Verteidigungsministerium blieb kryptisch. Weitergegeben werden "Name, Anschrift,Sozialversicherungsnummer, Bankverbindung, Übungsort und Übungsdauer, Entschädigungsanspruch und Verrechnungsdaten". Was unter diesen ominösen "Verrechnungsdaten" zu verstehen sei, blieb vorerst offen, würden doch die restlichen Daten ausreichen, um den Jahresausgleich durchführen zu können. Daherhaben wir eine Anfrage beim Finanzministerium begonnen. Wir werden darüber später berichten.
AMV beteiligt sich am Datenverbund
In diese Situation paßt auch die Mitteilung von Herrn M.(*). Herr M. war kurzfristig arbeitslos, bezog Arbeitslosengeld und wollte dazu für die Durchführung des Jahresausgleiches eine Bestätigung für das Finanzamt. "Die brauchen Sie nicht", war die Antwort des AMV-Referenten, "diese Daten gehenonline zum Bundesrechenamt." Herr M. war verblüfft. Offensichtlich hatten alle einen Überblick über seine Bezüge, nur er selbst erhielt keine zusammenfassende Abrechnung.
Datenverbund realisiert
Ergebnis der Recherchen: Die Bedenken der ARGE DATEN und auch anderer Datenschutzstellen, die bei der Verwendung der Sozialversicherungsnummer im Finanzamtsbereich angemeldet wurden, haben sich voll bestätigt. Die Sozialversicherungsnummer wird, entgegen den ersten Beteuerungen, nicht zur Prüfungund Feststellung der Identität eines Antragstellers verwendet oder zur einzelfallbezogenen Überprüfung der Angaben eines Antragstellers (Amtshilfe) bei anderen Behörden - beide Funktionen wären im Sinne der Aufspürung von Abgabenhinterziehungen verständliche Kontrollmaßnahmen - sondern zursystematischen Datenübermittlung zwischen den verschiedenen Arbeitgebern und den Finanzämtern. Dies ohne Kontroll- und Informationsrecht der betroffenen Personen.
Damit wird durch diese Regelung ein Stück informationelle Selbstbestimmung demontiert. Welche Daten tatsächlich übermittelt werden, allfällige fehlerhafte Übermittlungen oder auch die fehlerhafte Zusammenführung aufgrund falscher Sozialversicherungsnummern werden erst nach Erlassung einesSteuerbescheides bekannt. Statt einer Überprüfung aller Unterlagen bei Antragstellung, können dann Fehler nur im Zuge einer Berufung gegen den Bescheid geltend gemacht werden. Diese Berufungsfrist ist natürlich wesentlich kürzer, als die bisherigen Antragsfristen. Wird diese Frist - aus welchenGründen auch immer - versäumt oder der Fehler erst später erkannt, dann bleiben die Steuervorschreibungen gültig.
Schlußbemerkung: Nachdenklich stimmt die Auskunft der DSK. Offensichtlich recherchierte sie an der falschen Stelle. Immerhin ging es bei der Erfassung der Sozialversicherungsnummer nicht um innere heeresorganisatorische Abläufe und auch nicht um einen Datenverbund zwischen Bundesheer undSozialversicherung, wie die DSK mitteilte, sondern um eine Datenübermittlung zwischen Bundesheer und Finanzamt.
Die von der DSK erteilte Auskunft kam zwar prompt, dies sei öffentlich und positiv erwähnt, war aber schlicht und einfach falsch. In diesem Fall erblickte der tatsächliche Sachverhalt durch die umfangreichen Recherchen der ARGE DATEN das Licht der Öffentlichkeit. Es ist aber im allgemeinenPrivatpersonen nicht zuzumuten, umfangreichere und genauere Recherchen anzustellen als die sachlich zuständige Behörde. Abgesehen davon sind die Zugangsmöglichkeiten zu entscheidenden Informationen für die Behörde im Zuge der Amtshilfe wesentlich umfassender.
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