2009/08/27 Entgeltfortzahlung für Selbständige nur gegen Öffnung des Krankenakts? Mag. jur. Michael Krenn
Für Absicherung Selbstständiger gegen krankheitsbedingten Einkommensentfall sind bei SVA und privaten Berufsunterbrechungsversicherungen Nachweise ärztlicher Diagnosen erforderlich. Dies ist jedoch bei manchen Erkrankungen für die Betroffenen wenig erfreulich.
Bei Betroffenen sorgt die Praxis der SVA (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft), von freiwillig Zusatzversicherten neben einer ärztlichen Bestätigung hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit auch die Übermittlung der Diagnose zu verlangen, für Ärger. Vor allem, bei Krankheitsbildern, bei denen der Patient nicht möchte, dass Dritte davon Kenntnis erlangen. Ein Vergleich mit privaten "Betriebsunterbrechungsversicherungen" zeigt allerdings, dass sich die SVA damit in "guter Gesellschaft" befindet.
Zusatzversicherung der SVA
Die SVA bietet selbständig Erwerbstätigen an, durch den Abschluss einer freiwilligen Zusatzversicherung, das Risiko eines Einkommensentfalls im Krankheitsfall, zu reduzieren. Bei Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit erhält man aus der Zusatzversicherung Kranken- oder Taggeld. Voraussetzung für einen Abschluss ist, dass der Betroffene nach dem GSVG (Sozialversicherungsgesetz) krankenversichert ist und der Abschluss bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt. Für die Zusatzversicherung sind gesonderte Beiträge zu entrichten, die als "Betriebsausgaben" steuerlich absetzbar sind.
Unangenehme Überraschung im Versicherungsfall
Auf Betroffene kann bei der - grundsätzlich sinnvollen - Einrichtung der Zusatzversicherung im Falle der Inanspruchnahme von Leistungen allerdings auch eine unangenehme Überraschung warten. Wer davon ausgeht, dass es im Leistungsfall ausreicht, wie bei Unselbständigen auf eine ärztliche Krankmeldung zu verweisen, wird als Selbstständiger eines besseren belehrt: Die SVA zahlt nur gegen Vorlage der ärztlichen Diagnose. Dies mag im Falle einer Erkältung unproblematisch sein, jedoch existieren auch Krankheitsbilder, bei denen Betroffene über eine Datenübermittlung an die Versicherung nicht erfreut sein werden. Man denke etwa an HIV oder Geschlechtskrankheiten.
Keine rechtliche Grundlage?
Im Gegensatz zu privaten Versicherungsträgern wird die SVA nicht aufgrund vertraglicher "Versicherungsbedingungen" tätig, sondern gesetzesunmittelbar. Auch für die freiwilligen Zusatzversicherungen gibt es keine "Versicherungsbedingungen" auf zivilrechtlicher Grundlage, sondern es gilt das GSVG. Eine konkrete Regelung hinsichtlich der Übermittlung von Daten für die genannte Zusatzversicherung findet sich dort nicht. Was es allerdings gibt ist die "Auskunftspflicht" des Versicherten.
Gemäß § 22 GSVG haben Versicherte dem Versicherungsträger, auf Anfrage, über alle Umstände, die für das Versicherungsverhältnis, die Anspruchsberechtigung sowie die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen maßgeblich sind, längstens binnen zwei Wochen wahrheitsgemäß Auskunft zu erteilen. Innerhalb dieser Frist haben sie auf Verlangen des Versicherungsträgers auch alle Belege und Aufzeichnungen, die für diese Umstände von Bedeutung sind (insbesondere erforderliche Steuerbescheide und Einkommensnachweise) zur Einsicht vorzulegen.
Arztdiagnose als maßgeblicher Umstand?
Mangels gesetzlicher Sonderbestimmungen würde die Verpflichtung zur Übermittlung der ärztlichen Diagnose nur auf diese allgemeine Auskunftsverpflichtung gestützt werden. Diese ist recht weitgehend definiert und umfasst - ohne auf Einzelheiten Bezug zu nehmen - alle Umstände, die für das Versicherungsverhältnis, die Anspruchsberechtigung sowie die Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen maßgeblich sind. Die Frage ist, ob dieses Kriterium auf die verlangte Arztdiagnose zutrifft. Die Antwort ist relativ klar: Nein. An welcher Krankheit der Versicherte leidet, ist nämlich für die Frage des Leistungsanfalls und der Leistungshöhe völlig unerheblich. Um dies zu bemessen, reichen die Tatsache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie allenfalls Einkommensdaten aus. Es ist auch nicht ersichtlich, wozu die SVA diese Diagnosen bei der Leistungsbemessung benötigt.
Eine unnötige und gesetzwidrige Schikaneaktion der Betroffene nicht nachkommen müssten. Jedoch haben die wenigsten Versicherten - welche möglicherweise aufgrund von Krankheit in finanzieller Not sind - Interesse an Streitereien und spielen so das Spiel mit.
Vergleich zu privaten Berufsunterbrechungsversicherungen
Neben der gesetzlichen Zusatzversicherung besteht für Selbständige auch die Möglichkeit sich gegen krankheitsbedingte Einkommensausfälle durch den Abschluss einer privaten Betriebsunterbrechungsversicherung abzusichern. Private Versicherer haben gegenüber der SVA das Privileg - abgesehen von den verpflichtenden Mindeststandards die etwa das Versicherungsvertragsgesetz zugunsten des Versicherten vorschreibt - weitgehend frei in der Vertragsgestaltung und nicht an das GSVG gebunden zu sein. Inhalt der Vertragsabschlüsse werden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherung, die im Normalfall die wenigsten Versicherten lesen.
Dass die Lektüre interessante Aufschlüsse bringen kann, zeigen die Klauseln Bedingungen zur Datenbekanntgabe und Übermittlung.
Die datenschutzrechtliche Bestimmung in § 11a Abs 2 Versicherungsvertragsgesetz gibt privaten Versicherungsträgern zwar für den Versicherungsfall "nur" die Ermächtigung, Auskünfte über Diagnose und Art und Dauer der Behandlung einzuholen. Dagegen sprechen die üblichen Vertragsbedingungen jedoch oft von "unerlässlichen Auskünften", sehen also eine Datenermittlung aller Daten vor, welche für den Versicherungsträger hilfreich sein mögen, um den Versicherungsfall aus seiner Sichtweise beurteilen zu können. Eine Empfehlung der DSK zu klareren und eindeutigeren Klauseln blieb bislang unberücksichtigt (K211.634/0004-DSK/2006).
Problematisch ist, dass der Versicherte in vielen Fällen mittels der Versicherungsbedingungen auch sämtliche in Frage kommende Personen vorab von der ärztlichen Veschwiegenheitspflicht entbindet. Ob eine derartige "Generalaufhebung" der Verschwiegenheitspflicht zulässig sein kann, ist zu überdenken. Auch ist nicht einsichtig, warum die Aufhebung nicht einzeln für jeden Versicherungsfall geschehen kann. Der Patient könnte sich dann im Einzelfall entscheiden, ob er die Verschwiegenheitspflicht aufheben will und die Versicherung eine entsprechende Leistung davon abhängig macht. Oder ob sie ausreichende Daten erhält, um den Fall beurteilen zu können.
Fazit
Wer sich als Selbständiger in Österreich gegen krankheitsbedingten Einkommensentfall absichern möchte, kann dies nur tun indem er seine Krankheitsgeschichte den Versicherern öffnet. Dies ist insbesondere bei privaten Versicherern problematisch, da dort die Gefahr besteht, dass Gesundheitsdaten durch das zentrale Informationsverbundsystem der Versicherer (ZIS) weiter verbreitet werden. Im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung wird hingegen ohne gesetzliche Grundlage agiert.
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