2008/03/19 Wirtschaftsauskunftsdienste - weitere Erfolge für Geschädigte
Gericht spricht Schadenersatz wegen Datenmissbrauch zu - Weiteres Verfahren vor dem ZRS Wien endet mit Löschungsauftrag gegen Kreditinformationsdienst - Rechtslage klärt sich langsam auf - hunderttausende Österreicher von rechtswidrig verarbeiteten Bonitätsdaten betroffen - prangerartige Veröffentlichung führt zu Schadenersatzanspruch - Aktion STERC geht weiter
Im Rahmen der Aktion STERC ("Ausmisten" bei den Wirtschaftsauskunftsdiensten) ergingen weitere Gerichtsurteile.
Gericht spricht Schadenersatz wegen Datenmissbrauch zu
Nachdem ein Betroffener eine unberechtigte Inkassoforderung nicht bezahlte, meldete das Inkassounternehmen den Betroffenen "zur Strafe" als Zahlungsunwilligen bei einem Wirtschaftsauskunftsdienst. Nach Intervention der ARGE DATEN wurden die Daten zwar gelöscht, der Schaden, ein verweigerter Telekomvertrag, war aber nicht rückgängig zu machen.
RA Höhne führte im Auftrag des VKI (Ausfallshaftung übernahm das BMSK) ein Schadenersatzverfahren gegen das Inkassobüro und gegen den Wirtschaftsauskunftsdienst durch. Geklagt wurden je 750,- Euro gemäß §33 DSG der immaterielle Schaden wegen der kreditschädigenden und prangerartigen Verbreitung fehlerhafter und nicht DSG-konformer Daten.
Das Inkassobüro beendete das Verfahren sofort mit einem Vergleich und bezahlte Schadenersatz und die Prozesskosten, der Wirtschaftsauskunftsdienst wurde zur Zahlung verurteilt.
Aus der Entscheidung 53Cg106/07h des ZRS Wien: "Im §6 Abs. 1 Z 1 DSG ist der Grundsatz verankert, dass Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen. Dieser Grundsatz erfordert eine entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Datenverwendung zur Wehr zu setzen. Eine derartige Verständigung ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Die Aufnahme der hier in Rede stehenden Eintragung in die Datenbank der Beklagten ist somit rechtswidrig erfolgt (6 Ob 275/05t). ... Eine solche Eintragung ist geeignet, das berufliche Fortkommen zu gefährden oder zu beeinträchtigen, weil potenzielle Geschäftspartner mit Sicherheit Personen, deren Kreditwüdigkeit in Frage steht, meiden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die vom Kläger begehrte Schadenersatzleistung für die mit der gesetzwidrigen Eintragung in die Zahlungsverhaltensdatenbank verbundene Bloßstellung als angemessen."
Verfahren vor dem ZRS Wien endet mit Löschungsauftrag
Mit Unterstützung der ARGE DATEN erging im Verfahren 58Cg88/07y am Wiener Landesgericht neuerlich ein Urteil gegen einen Kreditinformationsdienst. Aufgrund der offenbar klaren Rechtslage wurde das Urteil sofort nach der Verhandlung mündlich verkündet, in Zivilverfahren ein unüblicher Vorgang.
Wesentlicher Inhalt der Entscheidung war, dass
a) Dateien von Wirtschaftsauskunftsdiensten generell als öffentliche Dateien anzusehen sind, sofern sie sich an einen unbestimmten Personenkreis wenden (Kostenpflicht oder AGBs stellen noch keine Einschränkung der Öffentlichkeit dar),
b) Dateien von Wirtschaftsauskunftsdiensten gesetzlich nicht angeordnet sind, sondern nur auf Grund der Gewerbeordnung erlaubt sind,
c) gegenüber öffentlichen Dateien, die nicht gesetzlich angeordnet sind ein Löschungsanspruch gemäß §28 Abs. 2 DSG besteht,
d) Daten nur nach vorheriger Information des Betroffenen verwendet werden dürfen, fehlt diese Information, dann ist die Verwendung rechtswidrig,
e) der Löschungsanspruch nicht an die Vorlage von amtlichen Personaldokumenten geknüpft ist.
Rechtslage klärt sich langsam auf
Mit diesen Entscheidungen, aber auch einigen OGH-, DSK-Entscheidungen und DSK-Empfehlungen (die ARGE DATEN berichtete laufend darüber), klärt sich nunmehr die Rechtslage in Hinblick auf die Tätigkeit von Wirtschaftsauskunftsdiensten.
Kern ist, dass alle Personen, die in derartige Listen aufgenommen werden, darüber verständigt werden müssen. Fehlt diese Verständigung, ist die Datenverwendung automatisch rechtswidrig.
Weiters dürfen nur für die Kreditwürdigkeit relevante Informationen verarbeitet werden, d.h. keine strittigen Forderungen, keine sofort gezahlten Forderungen und auch keine Bagatellbeträge. In Einzelfällen wurden Forderungen von 4 EuroCent gemeldet und führten zu negativen Bonitätseinträgen.
Ein weiterer Eckpfeiler einer DSG-konformen Datenverwendung ist die laufende Aktualisierungspflicht. Einerseits müssen bonitätsrelevante Änderungen unverzüglich eingetragen werden, andererseits muss zumindest einmal im Jahr geprüft werden, ob die Voraussetzungen einer Eintragung überhaupt noch gegeben sind.
Die Weitergabe bzw. Veröffentlichung fehlerhafter, rechtswidrig verarbeiteter oder irreführender Bonitätsdaten ist als Kreditschädigung zu bewerten und führt zu einem Schadenersatzanspruch nach §33 DSG, auch wenn kein unmittelbarer materieller Schaden gegeben ist. Rechtswidrigkeit ist schon allein dadurch begründet, dass der Betroffene nicht rechtzeitig von Einträgen informiert wurde.
Hans G. Zeger, Obmann der ARGE DATEN: "Nach unseren Recherchen sind derzeit mehrere hunderttausend Österreicher von diesen rechtswidrigen Einträgen betroffen. Die meisten Wissen davon nichts oder erfahren es erst verspätet, wenn sie etwa keinen Telefonvertrag erhalten."
Aktion STERC geht weiter
Immer noch ist eine sehr große Zahl von Menschen nicht darüber informiert, dass sie ungerechtfertigt in Bonitätslisten geführt werden, hier ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten.
Hans G. Zeger: "Solange die Politik nicht rechtsstaatlich sinnvolle Regelungen verabschiedet werden die Betroffenen gezwungen sein in Einzelverfahren ihre Rechte durchzusetzen. Gerade in Hinblick auf die Schadenersatzmöglichkeiten kann das für einzelne unbelehrbare Kreditinformationsdienste teuer werden."
Nicht rechtskräftig
Gegen die Urteile wurde von Seiten der Wirtschaftsauskunftsdienste Berufung angekündigt, sie sind daher noch nicht rechtskräftig.
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