rating service  security service privacy service
 
2007/02/03 Übermittlung der Einkommensdaten von Steuerbehörde zu Versicherungsanstalten
Vfgh entscheidet Gesetzesprüfungsverfahren - Übermittlung der Einkommensdaten von Rechtsanwälten an die gewerbliche Sozialversicherung durch die Abgabenbehörde verstößt nicht gegen Grundrecht auf Datenschutz

Vorgeschichte

Mit B 84/03-7 vom 1.3.2006 leitete der Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich einer Bestimmung des gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes in Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Datenschutz  ein. § 229 a Abs. 2 GSVG (gewerbliches Sozialversicherungsgesetz) sieht die unaufgeforderte Übermittlungsverpflichtung hinsichtlich der Einkommensdaten von selbständig Erwerbstätigen von den Finanzämtern an den gewerblichen Sozialversicherungsträger vor, um das Vorliegen der Voraussetzungen zur Pflichtversicherung überprüfen zu können. Hinsichtlich dieser Bestimmung war zu beurteilen, ob sie einen angemessenen Eingriff in die Datenschutzrechte der Betroffenen darstellt bzw. sich die Zielsetzung (Ermittlung der sozialversicherungsrelevanten Einkünfte des Betroffenen) nicht durch einen gelinderes Mittel verwirklichen lassen würde. Insbesondere die Tatsache, dass die gewerbliche Sozialversicherung durch die Übermittlung des Einkommenssteuerbescheides regelmäßig auch in Kenntnis von Einkommensdaten gelangt, welchen in Hinblick auf die gewerbliche Pflichtversicherung gar keine Relevanz zukommt (etwa Einkünften aus unselbständiger Arbeit), rief Betroffene auf den  Plan.


Opting-out-Prinzip

In Hinblick auf einzelne Berufsgruppen stellt sich dabei eine Sonderproblematik: Mit § 5 des GSVG wurde gewissen Berufsgruppen die Möglichkeit des sogenannten "opting outs" geboten. Dies  bedeutet, dass die berufliche Standesvertretung gegenüber dem gewerblichen Sozialversicherungsträger erklären kann, dass für ihre Mitglieder keine Erfassung in der gewerblichen Pflichtversicherung erwünscht ist. Konsequenz dieser Erklärung ist es, dass die jeweiligen Erwerbstätigen dann nicht mehr von der gesetzlichen Pflichtversicherung erfasst werden, eine Versicherungsmöglichkeit besteht für die Betroffenen aber weiterhin auf freiwilliger Basis im Rahmen der gesetzlichen Selbstversicherung. In den betreffenden Berufsgruppen wird aber üblicherweise die Versicherung der Mitglieder in einem autonomen System durch die Standesvertretung erledigt. Von dieser Möglichkeit des "opting outs" haben unter anderem die beruflichen Vertretungen der Ärzte, Tierärzte, Notare und auch der Rechtsanwälte Gebrauch gemacht. Die selbständigen Einkünfte, welche ein Rechtsanwalt aus seiner anwaltlichen Tätigkeit erzielt, fallen somit nicht unter die gewerbliche Pflichtversicherung.

Daher stellt sich folgende Ausgangsposition dar: Die Einkommensdaten der betreffenden Berufsgruppen werden durch das Finanzamt an die gewerbliche Sozialversicherung weitergeleitet, obgleich die Betroffenen gar nicht der gewerblichen Pflichtversicherung unterliegen, regelmäßig kommt der Sozialversicherungsträger damit auch noch in Kenntnis von Einkommensdaten, die für die gewerbliche Sozialversicherung vorweg gar nicht relevant sein können.


Gegenargumente im Gesetzprüfungsverfahren

Im Rahmen des eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren wurden unter anderem Stellungnahmen der Bundesregierung, des Bundesministers für Finanzen sowie der gewerblichen Sozialversicherung eingeholt. Im Rahmen der eingeholten Stellungnahmen wurde dabei auf der Verfassungsmäßigkeit der gewählten Vorgehensweise beharrt: Die Regelung stelle einen angemessenen Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar, die Verwirklichung der gesetzlichen Ziele sei mit einem gelinderen Eingriff nicht möglich.

Als Grund für die gewählte Vorgehensweise wurde vor allem folgendes Argument gebracht: Es sei möglich und durchaus -speziell bei Rechtsanwälten- auch nicht unüblich, dass diese neben den Einkünften aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit, die tatsächlich nicht versicherungsrelevant seien, auch noch weitere selbständige Einkünfte beziehen würden, welche durchaus der gewerblichen Pflichtversicherung unterlägen. Beispielsweise wurden dafür Einkünfte aus Autorentätigkeiten, als Hausverwalter sowie etwa auch aus Aufsichtsratstätigkeiten genannt.

Hervorgehoben wurde in den betreffenden Stellungnahmen auch die administrative Entlastung der Behörden im Sinne der Verwaltungsökonomie, weiters wurde behauptet, es gebe angeblich kein mit angemessenem Aufwand durchführbares gelinderes Mittel zur Ermittlung des versicherungsrelevanten Einkommens. Erst die Mitteilung der Abgabenbehörde würde den zuständigen Versicherungsträger überhaupt in die Lage versetzen, überprüfen zu können, ob in Bezug auf den Betroffenen ein versicherungsrelevantes Einkommen vorliegen würde oder nicht.

Dem hielt der beschwerdeführende Rechtsanwalt entgegen, dass trotz dieser Ausführungen es nicht nötig sei, die Höhe jener Einkünfte bekanntzugeben, welche er aus anwaltlicher Tätigkeit erzielt habe, da diese -vollkommen unstrittig- vorweg für die gewerbliche Pflichtversicherung nicht relevant seien.


Höchstgericht schließt sich den Behördenargumenten an

In seiner Entscheidung vom 2.10.2006 schloss sich das Höchstgericht letztendlich den Argumenten der Befürworter der Regelung vollinhaltlich an. Gestützt wurde dies vor allem auf die bereits oben beschriebenen Argumente hinsichtlich möglicher selbständiger Nebeneinkünfte von Rechtsanwälten. Die Regelung sei für die Feststellung des versicherungsrelevanten Einkommens erforderlich und zweckmäßig. Die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides bilde dafür letztendlich die einzige Möglichkeit, welche sich mit vertretbarem Verwaltungsaufwand verwirklichen lasse. Dass die gewerbliche Sozialversicherung damit aber auch in Kenntnis von für die Erledigung ihre Aufgaben nicht relevanten Einkommensdaten komme, lasse sich nicht vermeiden.

Weiters wurde auch auf die Regelungen zum Datenschutz und zur Wahrung des Datengeheimnisses innerhalb der gewerblichen Sozialversicherung verwiesen, auch dadurch sei der Schutz der Betroffenen garantiert.


Wirklich keine gelinderen Eingriffe möglich?

Die Entscheidung des VfGH wirft vor allem auf, ob es wirklich nicht möglich ist, die Frage, ob ein für die gewerbliche Pflichtversicherung relevantes Einkommen vorliegt, auch ohne vorherige Datenübermittlung zu beantworten. Dass Rechtsanwälte neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit häufig noch weitere selbständige Tätigkeiten ausüben mögen, welche in Hinblick auf eine gewerbliche Pflichtversicherung relevant sein können, ist sicherlich unbestritten. Das ändert aber nichts daran, dass die Einkünfte aus der anwaltlichen Tätigkeit -ebenso unbestrittenermaßen - für die gewerbliche Pflichtversicherung eben grundsätzlich nicht von Bedeutung sind, selbiges gilt natürlich auch für Einkünfte, die gar nicht aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit resultieren.

Die Antwort auf die Frage, warum es nicht möglich ist, dass die Abgabenbehörde vor einer Übermittlung der Daten an den Sozialversicherungsträger die Einkommensdaten aus der anwaltlichen Tätigkeit  sowie aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit aussondert und nur jene Daten übermittelt, welche überhaupt relevant sein können, bleibt das Höchstgericht jedenfalls schuldig. Ein solches Vorgehen wäre mit den Kenntnissen der Abgabenbehörde und in Anbetracht der Tatsache, dass dafür gar keine komplizierten Ermittlungsschritte nötig sind, sicherlich zwanglos möglich.

Auch die Tatsache, dass sich Rechtsanwälte freiwillig nach dem GSVG selbstversichern können, bietet an sich kein  Argument für die bestehende Vorgehensweise, da ein Betroffener ja dann von sich aus unter Bekanntgabe der relevanten Einkünfte einen Antrag auf Aufnahme in die Selbstversicherung stellen könnte.

Einen höheren Verwaltungsaufwand würde ein solches Vorgehen sicherlich nicht bedeuten -im Gegenteil. Die gewerbliche Sozialversicherung verarbeitet momentan aufgrund der gesetzlichen Vorgehensweise in gigantischem Ausmaß  Einkommensdaten, die für sie gar nicht relevant sind, was bei der hier vorgeschlagenen Lösung wegfallen würde.

Das Höchstgericht hat somit eine Lösung bestätigt, die nicht nur in Hinblick auf den Datenschutz fragwürdig ist sondern- im Gegenteil zu seinen Ausführungen- für die Administration insgesamt zusätzlichen Aufwand mit sich bringt.

Archiv --> Widerrufsbegehren gemäß DSGVO Art 7 (allgemeine Version) - V1.0

Die angezeigten Informationen und Artikel werden im Rahmen des ARGE DATEN Informationsdienstes kostenlos zur Verfügung gestellt. Alle Angaben sind sorgfältig recherchiert, es wird jedoch für die Richtigkeit keine Gewähr übernommen. Alle Angaben, Aussagen und Daten beziehen sich auf das Datum der Veröffentlichung des Artikels. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insbesondere Links, auf Websites gemachte Beobachtungen und zu einem Sachverhalt gemachte Aussagen zum Zeitpunkt der Anzeige eines Artikels nicht mehr stimmen müssen. Der Artikel wird ausschließlich aus historischem und/oder archivarischen Interesse angezeigt. Die Nutzung der Informationen ist nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieser Informationsdienst kann professionelle fachliche Beratung nicht ersetzen. Diese wird von der ARGE DATEN im Rahmen ihres Beratungs- und Seminarservice angeboten und vermittelt. Verwendete Logos dienen ausschließlich zur Kennzeichnung der entsprechenden Einrichtung. Die verwendeten Bilder der Website stammen, soweit nicht anders vermerkt von der ARGE DATEN selbst, den in den Artikeln erwähnten Unternehmen, Pixabay, Shutterstock, Pixelio, Aboutpixel oder Flickr.

© ARGE DATEN 2000-2024 Information gemäß DSGVOwebmaster