2008/07/14 Gescheiterte "Gesundheitsreform" verhindert "E-Medikations-Datenbank"
Koalitionsmurks, gegenseitige Blockade und tägliches Scheitern haben auch Vorteile - mit der gescheiterten Gesundheitsreform wurde auch die "E-Medikations-Datenbank" zu Grabe getragen - leider nur vorläufig - kein Nutzen für Patienten - ein klares Signal in Richtung Automatenmedizin - die wichtigsten Argumente gegen die "E-Medikations-Datenbank"
Die sogenannte „Gesundheitsreform“ mit ihren Begleiterscheinungen, einschließlich den Ärztestreiks, war in aller Munde. Weniger bekannt und in der medialen Darstellung kaum präsent war die Tatsache, dass im Zuge des Gesetzes das oft kritisierte ELGA-System wieder seinen langen Schatten voraus wirft. Kernstück der "Gesundheitsreform" wäre eine zentrale E-Medikations-Datenbank gewesen, die eine zentrale Überwachung ärztlicher Verschreibungspraxis zum Ziel hat.
Gescheiterte Gesetzesnovelle
Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Rahmen der "Gesundheitsreform" das Krankenversicherungs-Änderungsgesetz in Begutachtung gebracht, welches Novellen vor allem der Sozialversicherungsgesetze, des Apothekengesetzes, des Ärztegesetzes, des Zahnärztegesetzes sowie des Rezeptpflichtgesetzes beinhaltet.
ELGA und E-Medikations-Datenbanken
Der geplante § 31d des ASVG hätte den Hauptverband der Sozialversicherungsträger dazu verpflichtet, sich an der Planung zur Einführung und an der Umsetzung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) zu beteiligen. Davon umfasst ist war auch die Teilnahme an der E-Medikations-Datenbank, an denen sich ebenso sämtliche Vertragspartner der Krankenversicherung - sprich die behandelnden Ärzte- sowie Apotheker verpflichtend beteiligen müssen. Entsprechende Bestimmungen finden sich auch in den Vorschlägen zu den Änderungen in Apothekengesetz, Ärztegesetz sowie Zahnärztegesetz.
E-Medikations-Datenbank - Was ist das?
Grundidee der E-Medikations-Datenbanken ist es, die bei der elektronischen Rezeptverrechnung zwischen der jeweiligen Schnittstelle des Gesundheitssystems - Arzt oder Apotheker - anfallenden Daten nicht nur für Abrechnungszwecke zu verwenden, sondern diese auch für andere Zwecke weiter zu nutzen. Um die eigentlichen Ziele zu kaschieren und aus populistischen Gründen wurde - wie so oft - die Sicherheit des Patienten und seine "verbesserte" Betreuung in den Vordergrund gerückt.
Im Frühjahr 2006 hat im Bundesland Salzburg ein Pilotprojekt stattgefunden. In seinem Rahmen wurden die Kassenrezepte und Privatkäufe der Patienten erfasst und zentral gespeicehrt. Interaktionen und Mehrfachbezüge der Medikamente sollten überprüft werden, vor allem mit dem Argument, durch eine zentrale elektronische Erfassung können „Wechselwirkungen“ von Medikationen erfasst und verhindert werden.
Beim Pilotprojekts erfolgte die Teilnahme der Patienten freiwillig, im Vollbetrieb wäre eine Verpflichtung vorgesehen.
Patienteninteresse oder zentrale Kontrolle von Verschreibungen?
In der Pilotphase wurde noch das medizinische Interesse in den Vordergrund gerückt wurde, den Patienten mittels zentraler Datenverarbeitung vor Interaktions-Schäden medizinischer Wirkstoffe zu schützen. Der Gesetzesentwurf deckte die wahren Absichten auf.
In den Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf heißt es: Im Hinblick auf den geplanten Aufbau von E-Medikations-Datenbank sollen Ärzte, Zahnärzte, Dentisten sowie Apotheker zur Teilnahme verpflichtet werden. E-Medikations-Datenbank sollen als Teil der Elektronischen Gesundheitsakte damit Voraussetzung für die Vertragspartnerregelungen sein.
Nach der Durchführung eines Pilotprojektes im Bundesland Salzburg ist nunmehr das Ziel, E-Medikations-Datenbank österreichweit bereits mit 1. Jänner 2010 in Betrieb zu nehmen. Die Einführung soll schrittweise erfolgen, sodass auch in anderen Bundesländern Pilotprojekte bereits vor dem 1. Jänner 2010 durchgeführt werden können.
Kein Nutzen für Patienten
Selbstverständlich bringt die E-Medikations-Datenbank keinen nutzen für den Patienten, in erster Linie aus einer Reihe praktischer Gründe.
Zumersten konnte bisher kein Befürworter erklären, warum ein Apotheker, der die Befunde eines Patienten nicht kennt, innerhalb weniger Sekunden eine bessere Auskunft geben sollte, als ein Vertrauensarzt. Bestenfalls könnte der Apotheker nur wiedergeben, welche Unverträglichkeiten ein Computerprogramm auf Grund der Medikamente errechnete, klassische Automatenmedizin.
Weiters bestehen Unverträglichkeiten auch zu nicht rezeptpflichtigen Stoffen, nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel, diese wären nicht erfasst, der Patient würde ein unvollständige Scheinantwort erhalten.
Zu letzt ist zu bedenken, dass neben den dokumentierten Unverträglichkeiten auch individuelle Unverträglichkeiten existieren, die nur im Rahmen profunden medizinischen Wissens und laufender Kenntnis des Patienten, seiner Reaktionen auf Medikamente, erkannt werden können. Das kann aber nur ein behandelnder Arzt.
Überwachung von Vertragsärzten?
Die - gescheiterte - Novelle enthielt umfassende Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen bestehende Verträge mit behandelnden Ärzten zu verlängern sind und wann nicht. Qualität, Effektivität und Effizienz der Behandlung durch niedergelassene Ärzte sollen laut Erläuternden Bemerkungen dadurch sicher gestellt werden, dass Verträge nach Ablauf von fünf Jahren erlöschen, wenn den in einer Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit festgelegten Kriterien nicht entsprochen wird.
In der Verordnung sollen Standards, denen Vertragsärzte entsprechen müssen, um nach Ablauf von fünf Jahren einen Rechtsanspruch auf Verlängerung des Vertrages zu haben, geregelt werden: Dabei soll nach dem Vorhaben auf die möglichen Unterschiede im Leistungskatalog der einzelnen Vertragspartner Bedacht genommen werden. Effizientes Vorgehen bei ärztlichen und ärztlich veranlassten Leistungen sowie die Einhaltung festgelegter Behandlungsleitlinien werden dabei eine gewichtige Rolle spielen. Sprich: Wer zuviel/nicht effizient genug verschreibt, fliegt raus.
Die Katze ist aus dem Sack: Im Grunde soll das ELGA-System, insbesondere die E-Medikations-Datenbanken, weniger dazu dienen, Patienten mehr Sicherheit in der Behandlung zu ermöglichen, sondern dazu, dem Ministerium sowie dem Hauptverband möglichst viel Datenmaterial zu liefern und dadurch die Grundlage einer automatisiserten Prozessmedizin zu schaffen, vergleichbar dem Onlinebanking oder Fahrkartenautomaten. Auch private Unternehmen hoffen auf leichteren Zugriff auf Patientendaten.
Die zentrale, elektronische Sammlung aller Verschreibungen kommt eine Schlüsselrolle zu. Alle Mediziner bestätigen, dass man auf Grund von Medikamenten sehr gut auf Krankheiten und Diagnosen eines Menschen rückschließen kann. Die Daten sind daher zur Steuerung der Gesundheitsvorsorge und seiner Kosten ideal, für die Behandlung im Einzelfall sind sie natürlich zu wenig.
Wer zu teuer kommt, also zu viele teure Medikamente verschreibt, bekommt in Zukunft keinen Vertrag mehr.
Resumee
Durch die zentrale, elektronische Verarbeitung von Verschreibungen soll ein teures Instrumentarium geschaffen werden, welches sensible Gesundheitsdaten ohne Rücksichtnahme auf das Schutzinteresse der Patienten sammelt. Besonders ärgerlich ist, dass so getan wird, als würden diese Maßnahmen im Interesse der Patienten sein.
Das Gegenteil ist der Fall: Kein verantwortungsvoller Arzt wird Medikamente verschreiben, die ein Patient seiner Auffassung nach nicht benötigt. Die zentrale Kontrolle der Verschreibung wird wohl rasch die vorbeugende Kostenschere aktivieren. Zu befürchten ist, dass nach dem Prinzip "billig ist gut", "nur nicht auffallen" oder "lieber eine Verschreibung weniger und ein Kranker mehr" gearbeitet wird. Mit fürsorglicher Behandlung für die Patienten hat das nichts zu tun.
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