2008/05/23 Stellungnahme der ARGE DATEN zum Entwurf eines Lebenspartnerschaftsgesetzes
Entwurf des Bundesministerium für Justiz zum „Lebenspartnerschaftsgesetz“ - wichtiger Schritt in die richtige Richtung - Entstaubung partnerschaftlicher Beziehungen notwendig - Gelegenheit sollte genutzt werden, um staatliche Bevormundungen zu streichen
Die ARGE DATEN als Privacy-Organisation versteht sich als Vereinigung, der neben der Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz auch der Schutz der Privatsphäre ein besonderes Anliegen ist. In diesem Sinne ist jegliches Gesetzesvorhaben, welches darauf abstellt, die Entscheidungsfreiheit des einzelnen hinsichtlich der Möglichkeit einer privatautonomen Gestaltung seiner persönlichen Lebensverhältnisse zu fördern und zu erweitern, zu begrüßen. Teil dieser privatautonomen Entscheidungsfreiheit – und damit dem Recht auf Privatsphäre - ist das Recht, die Form des Zusammenlebens frei wählen zu können, dies ohne unnötige Bevormundung durch den Gesetzgeber sowie Gefahr unbegründeter Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen. In diesem Sinne hat die ARGE DATEN in der Vergangenheit – insbesondere hinsichtlich des mittlerweile aufgehobenen § 209 StGB und der in Folge resultierenden Problematik zu löschender Datenverarbeitungen - auch bislang schon Aussendungen und Stellungnahmen zum Bereich gleichgeschlechtlicher Sexualität abgegeben.
„Lebenspartnerschaftsgesetz“ längst überfällige Initiative
Der Gesetzgeber ist vor allem in Anbetracht der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dazu angehalten, einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen für geichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zu schaffen, dies in Anlehnung an die gesetzlichen Begünstigungen, welche für die Lebensgemeinschaft der Ehe zwischen Mann und Frau vorgesehen sind.
In diesem Sinne begrüßt die ARGE DATEN den vorliegenden Entwurf als wichtigen Teil der Achtung der Privatsphäre im Sinne einer Respektierung des Rechts auf privatautonome Gestaltung der eigenen Lebensverhältnisse. Als positiv wird anhand des vorliegenden Entwurfs bewertet, dass versucht wird, eine Gleichstellung mit den Begünstigungen der Ehe in umfangreichen Rechtsmaterien wie Erbrecht, Strafprozessrecht oder Bestandsrecht vorzunehmen. Obwohl in verschiedenen Gesetzesmaterien darüber hinaus noch Anpassungen notwendig sein werden, ist das Ansinnen, eine umfassende Gleichstellung zu bewirken als positiv zu bewerten.
Staatliche Eingriffe in Lebensführung sollten minimiert werden
Diesem positiven Gedanken steht allerdings als „Wermutstropfen“ gegenüber, dass der Gesetzgeber anhand des vorliegenden Entwurfs nicht nur die Nicht-Diskriminierung und somit eine annähernde Gleichstellung mit der ehelichen Gemeinschaft anstrebt, sondern gleichzeitig auch jene Bestimmungen zur ehelichen Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in den vorliegenden Gesetzesentwurf transferiert hat, welcher die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, wie er sein Zusammenleben gestalten möchte, in unnötiger Weise beschränken.
In diesem Zusammenhang ist vor allem auf § 8 des vorliegenden Entwurfs zu verweisen, welcher die „Rechte und Pflichten“ innerhalb der künftigen Gemeinschaft definiert. In § 8 Abs 2 wird die Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen sowie zur Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand normiert.
Diese Verpflichtungen wurden § 90 ABGB nachempfunden und schränken das Recht die Art des gemeinsamen Zusammenlebens nach persönlichem Wunsch – ohne obrigkeitliche Anordnung - frei gestalten zu können, in erheblicher Weise ein.
Insbesondere ist nicht einsichtig, warum im Sinne der persönlichen Entscheidungsfreiheit eine Verpflichtung zum „gemeinsamen Wohnen“, sofern man eine Lebenspartnerschaft eingehen möchte, normiert wird. Gerade in modernen Partnerschaften ist es oft gelebte Normalität, dass Lebenspartner getrennte Wohnsitze nehmen, dies nicht nur als Ausnahme bzw. aus beruflichen Gründen sondern als bewusst gefasste Entscheidung, das gemeinsamen Zusammenleben eben in dieser Form zu gestalten. Derartig gestalteten Lebensgemeinschaften die Möglichkeit der gesetzlichen Anordnung zu verweigern, ist mit dem Anspruch, das eigene Zusammenleben nach dem persönlichen Empfinden selbst regeln zu können, jedenfalls nicht vereinbar. Zu bedenken ist, dass die Aufgabe der gemeinsamen Wohnung für denjenigen Ehegatten bzw. Lebenspartner, der eine andere Wohnung sucht, zum Teil mit erheblichen, nachteiligen Folgen verbunden ist (3Ob313/97v; 2Ob170/98h; 3Ob188/07d).
Auch die gesetzlich festgelegte Verpflichtung zur ehelichen Treue ist in dieser Form als unnötiger und bevormundender Eingriff des Gesetzgebers, welche die Wahlmöglichkeit des einzelnen, seine persönlichen Lebensverhältnisse nach eigenem Ermessen gestalten zu können, abzulehnen. Zu bedenken ist, dass „Treue“ im Rahmen einer Lebensgemeinschaft etwas ist, dass die durch die Betroffenen gelebt werden muss und nicht durch einen Gesetzgeber verordnet werden kann.
Auch im Entwurf gilt, dass die Verpflichtung zur Treue - wie auch im Rahmen der Ehe - nicht für sich gerichtlich geltend gemacht werden kann, allerdings ein Verstoß wiederum anderwertige nachteilige Folgen nach sich zieht, dies etwa hinsichtlich der Bestimmungen zu einem Verschuldensausspruch bei Auflösung der Lebensgemeinschaft in § 13 des vorliegenden Entwurfs.
Die Erläuternden Bemerkungen zu § 8 des in Begutachtung gebrachten Entwurfs räumen ein, dass diese Bestimmung bereits im Vorfeld der Kritik ausgesetzt war. Die Argumente, weshalb der Gesetzgeber sein diesbezügliches Vorgehen dennoch für gerechtfertigt hält, vermögen nicht zu überzeugen. Dass diese Verpflichtungen „nicht zwingend“ seien, ist definitiv nicht richtig, da zwar - wie ausgeführt - die Erzwingung über ein gerichtliches Verfahren ausgeschlossen ist, hingegen ein Zuwiderhandeln gegen die gesetzlich normierten Verpflichtungen mit Sanktionen im Rahmen des Scheidungs-/Auflösungsverfahren verbunden ist.
Orientierungshilfe ja - Zwangsmaßnahmen nein
Dass die normierten Verpflichtungen „als Orientierungshilfe für Paare zu einem von der Rechtsordnung erwünschten Verhalten in der Partnerschaft dienen sollen“, spiegelt zwar eine positive Absicht des Gesetzgebers wider, ein derartiges Ansinnen ist aber trotzdem abzulehnen. Letztendlich obliegt jedem Einzelnen die Gestaltung seiner Partnerschaft, Paare zu einem gesetzlich bzw. gesellschaftlich gewünschten Verhalten zu zwingen, ist Ausfluss eines überkommenen obrigkeitsstaatlichen Denkens und ein aussichtsloses Unterfangen.
Dieser obrigkeitsstaatliche Gedanke findet seinen Ausdruck auch in den korrespondierenden gerichtlichen Strafbestimmungen, welche durch eine Novelle des Strafgesetzbuches auch auf die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ausgeweitet werden sollen. Gradmesser derartiger gerichtlicher Strafbestimmungen sollte es sein, Verhaltensweisen zu sanktionieren, welche in die Entscheidungsfreiheit anderer Personen eingreifen, weshalb die Nötigung zur Eheschließung bzw. die Täuschung zur Eheschließung als Strafdelikt ihre Berechtigung haben.
Anders sieht die Sache bei §192 StGB, der Bestimmung zur Mehrfachehe bzw. mehrfachen Lebenspartnerschaft aus. Zwar ist einzuräumen, dass aus gesellschaftspolitischen Gründen „Mehrfachehen“ auch dann, wenn sie auf einer freien Willensbildung sämtlicher Beteiligten beruhen, nicht erwünscht sein mögen. Dies rechtfertigt allerdings per se noch keine Strafdrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, letztendlich reicht es aus, dass „Mehrfachehen“ mit der zivilrechtlichen Ungültigkeit behaftet werden und der Verursacher zu Schadenersatz verpflichtet ist. Das Zusammenleben mit mehreren Partnern lässt sich – selbst wenn man das anstreben wollte - durch eine derartige Strafbestimmung ohnedies nicht hintanhalten.
Auch das "Institut der Ehe" sollte modernisiert werden
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der vorliegende Entwurf jene gesetzlichen Bestimmungen, welche zum Institut der Ehe gelten, auf die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft annähernd deckungsgleich transferiert, dies sowohl hinsichtlich der anzuwendenden Begünstigungen als auch der Verpflichtungen. Dies ist grundsätzlich auch im Sinne des Nicht-Diskriminierungsgedankens und dem Prinzip „gleiche Rechte - gleiche Pflichten“ zu begrüßen.
Die kritisierte Problematik ist daher an sich keine, die speziell gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften betreffen würde. Vielmehr besteht diese darin, dass der Gesetzgeber, anstatt die sich bietende Möglichkeit zu nutzen, gesetzliche Regelungen, die der heutigen Realität teilweise einfach nicht mehr stand halten, auch für heterosexuelle Paare zu überarbeiten, diese Regelungen einfach auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften überträgt.
Im allgemeinen Vertragsrecht, gilt das Prinzip der „Privatautonomie“ bzw. der „Typenfreiheit“ dahingehend, dass der Gesetzgeber es jedem Rechtssubjekt offen lässt, seine privaten Verhältnisse zu anderen Personen nach eigenen Vorstellungen im Einvernehmen zu regeln. Bestimmte genormte Vertragstypen stehen zwar zur Verfügung, können dem Einzelnen aber nicht aufgezwungen werden.
Grundsätzlich ist nicht einsichtig, warum dieses Prinzip nicht auch für die Regelungen der höchstpersönlichen Verhältnisse gelten sollte bzw. warum der Gesetzgeber nicht zumindest bereit ist, dem Einzelnen neben dem- sicherlich wichtigen und positiven- Institut der Ehe auch weitere „Rechtstypen“ zur Regelung des gemeinsamen Zusammenlebens zur Verfügung zu stellen. Die derzeitige Situation bedeutet letztendlich, dass der Einzelne entweder gezwungen ist, ein vorgegebenes Rechtsinstitut zu akzeptieren, welches im Falle von getrenntem Wohnens bzw. ehelicher Untreue mit grob nachteiligen Folgen einhergehen kann oder sich andererseits damit abzufinden, dass er eben vollkommen ohne jede gesetzliche Basis auskommen muss. Dies hat dann neben fehlenden Absicherungsmöglichkeiten vor allem zur Folge, dass – etwa im Falle von Vermögensaufteilungen- behelfsweise die Regelungen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts herangezogen werden müssen, was letztendlich weder juristisch noch faktisch ein wünschenswertes Ergebnis sein kann.
Abschliessend ist zu fordern, dass der Gesetzgeber den Anlass dazu nutzt - so wie andere Staaten auch - neben dem Institut der Ehe noch ein weiteres zivilrechtliches Institut zur Regelung der rechtlichen Folgen eingegangener Partnerschaften zur Verfügung zu stellen, den allseits bekannten „Zivilpakt“. Dies soll im Endeffekt gewährleisten, dass im Sinne einer pluralistischen Gesellschaft auch Personen, die die gesetzlich normierten Vorgaben der Ehe bzw. der neuen „Lebenspartnerschaften“ nicht mittragen wollen, die Möglichkeit erhalten, ihre Partnerschaften im Sinne der freien Gestaltung ihrer privaten Lebenssphäre auf ein rechtliches Fundament zu stellen.
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