2007/12/06 Sicherheitspolizei - Steigende Telefonüberwachungswünsche - Sinkende Genehmigungsquoten
Dramatisches Ansteigen der Überwachungswünsche des Innenministeriums - Gerichte weisen jedoch immer mehr Anträge zurück - jetzt im Parlament liegendes Sicherheitspolizeigesetz soll Überwachung ohne Gerichtsbeschluss erlauben
Dramatisches Ansteigen der Überwachungswünsche
Die Telefonüberwachung hat bei der Polizei Hochkonjunktur. In den letzten Jahren ist starkes Ansteigen der Überwachungsanträge zu verzeichnen. Von 2003 auf 2005 um 67%, zwischen 20 und 30% liegen die durchschnittlichen jährlichen Zuwachsraten. Wermuthstropfen für das Innenministerium: die Genehmigungsquote durch die Gerichte - insbesondere bei der Handyortung - sinkt jedoch kontinuierlich.
Dazu die wichtigsten Eckzahlen
2005:
1748 Handyortungen beantragt (Steigerung zum Vorjahr: 15%), 1080 genehmigt (Genehmigungsquote 62%)
insgesamt: 6053 Telefonüberwachungen beantragt, 4560 genehmigt (Genehmigungsquote 75%)
2004:
1518 Handyortungen beantragt (Steigerung zum Vorjahr: 45%), 980 genehmigt (Genehmigungsquote 65%)
insgesamt: 5166 Telefonüberwachungen beantragt, 3760 genehmigt (Genehmigungsquote 73%)
2003:
1049 Handyortungen beantragt, 709 genehmigt (Genehmigungsquote 68%)
insgesamt: 4018 Telefonüberwachungen beantragt, 2863 genehmigt (Genehmigungsquote 71%)
Für die Jahre 2006 und 2007 liegen der ARGE DATEN die abschließenden Zahlen noch nicht vor.
Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz
Die jetzt im Parlament zur Durchschleusung vorliegende Sicherheitspolizeinovelle soll diesen - aus der Sicht des Innenministeriums - bestehenden Mangel beseitigen und für eine Vielzahl der Fälle eine Telefonüberwachung ohne Gerichtsbeschluss ermöglichen.
Der neue Passus im Wortlaut: "§53(3b) SPG Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines Menschen besteht, sind die Sicherheitsbehörden zur Hilfeleistung oder Abwehr dieser Gefahr darüber hinaus berechtigt, von den Betreibern im Mobilfunkbereich Auskunft über Standortdaten der von dem gefährdeten Menschen mitgeführten Endeinrichtung zu verlangen sowie technische Mittel zur ihrer Lokalisierung zum Einsatz zu bringen. Die Sicherheitsbehörde trifft die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit des Auskunftsbegehrens, dessen Dokumentation dem Betreiber unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 Stunden nachzureichen ist. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, die Auskünfte unverzüglich und gegen Ersatz der Kosten nach § 7 Z 4 der Überwachungskostenverordnung – ÜKVO, BGBl. II Nr. 322/2004, zu erteilen."
Was harmlos klingt und angeblich Lawinenopfern und Selbstmordkandidaten zu Gute kommen soll umfasst natürlich auch alle Fälle, bei denen eine Gefährdung durch Dritte vorliegt oder auch nur behauptet wird oder wo eine beobachtete Gefährdung behauptet wird. Wie soll jedoch das Telefon einer Person geortet werden, die man namentlich noch gar nicht kennt? Also wird es im Anwendungsfall darauf hinauslaufen alle Handys einer bestimmten Stelle, eines bestimmten Bereiches zu orten und die Daten aufzuzeichnen.
Gesetz mit Hintertüre
Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Selbst dem Datenschutzrat waren die Bestimmungen zu schwammig, er konnte sich jedoch nicht zu einer klaren ablehnenden Stellugnnahme durchringen. Ich habe daher von meinem Recht auf ein Votum Separatum Gebrauch gemacht (http://ftp.freenet.at/privacy/gesetze/dsr-stellungnahme-spg-2...). Hätte man nur den Opferschutz im Auge gehabt, dann hätte man die Bestimmung wesentlich klarer und eingeschränkter formulieren müssen."
In der operativen Anwendung wird es im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass eine Vielzahl von Handydaten nunmehr ohne Gerichtsbeschluss verwertet werden, auch solcher, auf die nicht unmittelbar die neue Bestimmung anzuwenden ist. Diese Grundrechtseingriffe nimmt man offenbar als Kollateralschäden in Kauf.
Besonders bedenklich ist, dass mit dieser Bestimmung ein Systembruch stattfindet und die Polizei wieder ein Stück mehr Überwachung ohne Kontrolle durchführen kann. Damit wird offenbar schon der Boden für die nächste Gesetzesänderung vorbereitet, in der man dann feststellen wird, dass die bloße Ortung von Opfern nicht ausreicht, sondern auch die Telefonverbindungsdaten erforderlich sind und - für die Fälle wo die genauen Anschlussdaten des Opfers nicht bekannt sind - alle Handydaten jener Personen überwacht werden dürfen, die als Betroffene/Opfer in Frage kommen.
Unzureichende Begründungspflicht
Auch die nachzureichende Dokumentation gegenüber dem Mobilfunkbetreiber entpuppt sich als Scheinsicherung. Bei allen vergleichbaren Gesetzesbestimmungen beschränkt sich eine derartige Dokumentation bloß auf einen Stehsatz der Art: "Die Auskunft ist nach den Bestimmungen des §53 Abs. 3b SPG erforderlich."
Niemand darf sich der Illusion hingeben, dass die Polizei inhaltliche Begründungen liefern wird.
Reparatur ist noch möglich
Auch wenn das Gesetz schon auf der Tagesordnung des Nationalrates steht, kann durch Initiativanträge eine Reparatur erfolgen und dieser Passus im Sinne der Rechtsstaatlichkeit gestrichen werden.
mehr --> Sicherheitspolizeigesetz mit neuen ausufernden Ermächtigungen mehr --> Regierungsvorlage SPG-Novelle 2007 mehr --> Votum Separatum im Datenschutzrat zur SPG-Novelle 2007
|