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2007/07/13 Gefahren einer "Demokratiereform" à la eVoting
Erstaunlich wenig Echo hat jene Wahlrechtsreform, welche zuletzt mit breiter Mehrheit im Nationalrat verabschiedet wurde, ausgelöst - Verkauft wurde das Wahlrechtsänderungsgesetz 2007 als größte Wahlrechtsreform der Zweiten Republik, kritische Stimmen sehen dieses eher als Ergebnis koalitionärer Gegengeschäfte alten Stils - eVoting enthält enorme datenschutzrechtliche Gefahren

Neben der Verlängerung der Legislaturperiode des Nationalrats auf fünf Jahre sowie der Herabsetzung des Mindestalters zur Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts auf 16 Jahre bei Europa- und Nationalratswahlen sowie für das aktive Wahlrecht bei den Bundespräsidentenwahlen wurde auch die Einführung des Briefwahlrechts bei Nationalrats-, Europa- und Bundespräsidentenwahlen beschlossen. Begleitet wurde die Reform mit Ankündigungen aus dem Innenministerium, man werde sich nun als nächstem Ziel der flächendeckenden Einführung des sogenannten eVotings widmen. Eine gefährliche Drohung, die zu einigen Betrachtungen zum geheimen und persönlichen Wahlrecht sowie den Gefahren, welche diesem durch bedenkenlosen Umgang mit Instituten wie "Briefwahl" und eVoting droht, anregt.


Briefwahl neu

Schon bisher hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass Personen, welche zum Wahltermin ihre Stimme nicht am Wahllokal ihres Wohnortes abgeben konnten, dennoch die Teilnahme am jeweiligen Urnengang ermöglicht wurde. Die bisherige Möglichkeit der Stimmabgabe, die natürlich auch weiterhin existieren wird, sieht die Stimmabgabe mittels sogenannter "Wahlkarte" vor. Diese Wahlkarte ist ein verschließbarer Briefumschlag, in welchem das eigentliche Wahlkuvert samt Stimmzettel zu deponieren ist. Diese Wahlkarte war bislang im Inland bei einem Wahllokal, im Ausland bei einem Notar, der Vertretungsbehörde oder einer vergleichbaren Institution abzugeben.

Die neu geschaffene Möglichkeit der Briefwahl sieht nun zusätzlich vor, dass eine Stimmabgabe auch mittels Briefwahl auf dem Postweg möglich sein soll, wenn der Wahlberechtigte eidesstattlich erklärt, dass die Stimmabgabe persönlich und geheim erfolgt ist. Im Ausland besteht die Möglichkeit der Übermittlung über eine österreichische Vertretungsbehörde. Ungültig soll die abgegebene Stimme allerdings dann sein, wenn die eidesstattliche Erklärung fehlt, unvollständig ist, erst nach Schluss des letzten Wahllokales abgegeben wurde, die Wahlkarte falsch übermittelt wurde bzw. die Stimme später als acht Tage nach dem Wahltag einlangt.


Gefahren dieser Regelung

Was als Demokratieerweiterung und Vereinfachung für die Bürger verkauft wird, bringt bei näherer Betrachtung erhebliche Gefahren mit sich. Schon die bisherige Regelung war missbrauchsanfällig. Sofern die Stimmabgabe nicht in einer geschützten Wahlzelle in einem staatlich eingerichteten Wahllokal abgegeben wird, kann von einer Gewährleistung des geheimen und persönlichen Wahlrechts in Wahrheit schon nicht mehr gesprochen werden.


Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelung?

Mit der neu geschaffenen Möglichkeit der Briefwahl verbunden mit eidesstattlicher Erklärung ist in keiner Weise gesichert, dass der Wähler tatsächlich die Möglichkeit hat, von seinem geheimen Wahlrecht Gebrauch zu machen. Man denke etwa an die Situation einer im Ausland lebenden Familie, die von der entsprechenden Briefwahlmöglichkeit Gebrauch macht. Die Vorstellung, dass der geheime Wahlakt hier zu einer Art "gemeinsamen Willensbildung" verkommt und man auch dazu genötigt sein kann, seine Stimme unter den Augen anderer abzugeben, ist keineswegs an den Haaren herbeigezogen.

Es ist nicht einmal gesichert, dass der Wahlberechtigte seine Stimme überhaupt selbst abgeben kann. Zumindest theoretisch besteht die Möglichkeit, dass jemand für mehrere Personen die Stimmabgabe vornimmt und diese lediglich die Erklärung unterzeichnen, dass die Stimmabgabe geheim und persönlich erfolgt ist. Mit Sicherheit ein Missbrauch, die Möglichkeiten zur Kontrolle werden aber wohl schwierig werden. Das geheime und persönliche Wahlrecht zum Nationalrat ist in Art. 26 B-VG gesichert. Der Verfassungsgerichtshof hat die Briefwahl bislang unter dem Gesichtspunkt des geheimen Wahlrechts durchaus auch kritisch betrachtet. In seiner Entscheidung G18/85 vom 16.3.1985, wo sich das Verfassungsgericht mit der Briefwahl auf niederösterreichischer Lokalebene befasste, heißt es etwa, dass das Recht auf geheime Wahl den Staat auch zu positiven Leistungen verpflichtet, und zwar zur Zurverfügungstellung aller notwendigen Einrichtungen, um die korrekte Abhaltung geheimer Wahlen zu gewährleisten und zu sichern.

Bleibt der Wähler, der sich zur Stimmabgabe mit Wahlbrief entschließt, wenn er "geheim" wählen will, während des Wahlakts insofern vollkommen auf sich selbst gestellt, als er der Einflussnahme durch außenstehende Dritte zugunsten eines bestimmten Wahlverhaltens nur selbst begegnen kann, sieht das der VfGH als Verstoß gegen das geheime Wahlrecht. Genau dies ist aber durch die beschlossene Regelung der Fall. Die Verfassungsmäßigkeit der beschlossenen Regelung ist daher äußerst fragwürdig.


eVoting

Nicht beschlossen, zumindest aber in Diskussion ist das sogenannte eVoting. Unter eVoting werden generell verschiedene Formen elektronischer Wahlen verstanden, daher kann eVoting sowohl bedeuten, dass die Stimmabgabe wie bisher in einem Wahllokal erfolgt, allerdings unter Zuhilfenahme elektronischer Wahlmaschinen und automationsunterstützter Verarbeitung der abgegeben Stimmen. Ebenso als "eVoting" bezeichnet wird auch die Möglichkeit der Stimmabgabe via Internet. Dies ist offensichtlich das Ziel des derzeitigen Regierungsprogramms, welches als Vorteile des eVotings die vereinfachte Abwicklung sowie den verbesserten Zugang zur Demokratie- vor allem auch für Auslandsösterreicher - lobt. Die Gefahren einer solchen Regelung sind allerdings immanent.

Was zum Thema "geheimes und persönliches" Wahlrecht zur Briefwahl gesagt wurde, gilt natürlich uneingeschränkt und noch verstärkt für jegliche Wahl über das Internet. Es ist nicht gesichert, dass eine entsprechende Stimmabgabe geheim bzw. durch den Wahlberechtigten persönlich erfolgt. Darüber hinaus besteht bei jeder automationsunterstützten Datenverarbeitung die technische Möglichkeit, erfolgtes Wahlverhalten mit den computerbezogenen Daten des Benutzers abzugleichen und daraus personenbezogene Informationen über das Wahlverhalten zu ermitteln. Neben den Gefahren für das geheime Wahlrecht ist weiters auf Manipulationsmöglichkeiten bei der elektronischen Stimmauswertung zu verweisen. Während Manipulationen im großen Stil  bei der händischen Stimmauszählung zumindest bei bundesweiten Wahlen nahezu ausgeschlossen sind, können bei der automationsunterstützten Stimmauswertung schon geringe Eingriffe große Folgen nach sich ziehen. Was mit der Stimme eines Wählers nach deren Abgabe passiert, ist für diesen bei der elektronischen Auswertung jedenfalls intransparent.


Internet noch immer kein Dienst für alle

Auch sollte nicht vergessen werden, dass noch immer erhebliche Teile der stimmberechtigten Bürger das Internet nicht bzw. nicht mehr nutzen. Nicht nur die ältere Generation oder weniger gebildete Schichten sind von diesem Phänomen betroffen, sondern auch die größer werdende Generation der "Internetmüden", die vieleicht im Büro ein Mailsystem nutzen oder auch für berufliche Tätigkeiten ganz gezielt bestimmte Intranet- und Internetdienste benutzen, wie früher eben klasseische EDV-Programme, aber weder in der Freizeit, noch in ihrem politischen Selbstverständnis etwas mit Internet oder gar Web2.0 zu tun haben möchten.

Damit wird aber klar, das noch für Jahrzehnte neben der bestehenden flächendeckenden klassischen Wahlzellen-Infrastruktur eine teure und höchst komplizierte virtuelle Wahl-Infrastruktur aufgebaut und erhalten werden müßte. Wobei die Kosten der Wahlzellen-Infrastruktur im wesentlichen Fixkosten sind, d.h. unabhängig von der Zahl der Wähler anfallen und somit bei geringerer Nutzung keinerlei Einsparungseffekte entstehen würden.

Kosten die vermeidbar wären und besser in eine effiziente politische (Schul-)bildung investiert wäre. Wenn schon nicht als Pflichtfach, so doch als flächendeckend angebotenes Freifach für alle Schüler ab 14 Jahre.

Auch Zusätzliche Wähler wird man durch mehr Technik nicht gewinnen. Bürger die heute zu Hause bleiben, tun dies nicht, weil Ihnen die Farbe des Wahlzettels nicht gefällt oder der Bleistift zu altmodisch ist, sondern, weil sie sich beim bestehenden Partei- und Politangebot nicht wiederfinden.


Erfahrungen mit eVoting

Noch in Erinnerung sind uns allen die negativen Erfahrungen mit der maschinellen Stimmabgabe bei den amerikanischen Präsidentenwahlen. Manipulationsvorwürfe im Zusammenhang mit der elektronischen Stimmabgabe sind schon aufgrund der Nähe von Kandidaten zu den jeweiligen Softwareherstellern nie verstummt, transparent nachvollzogen können Wahlergebnisse nach elektronischer Stimmabgabe oft nicht mehr. Im März dieses Jahres feierte das "eVoting" via Internet  bei den estnischen Parlamentswahlen Europapremiere auf nationaler Ebene, nachdem dort bereits zuvor auf lokaler und regionaler Ebene diverse Urnengänge auf Internetbasis durchgeführt wurden. Das Interesse der Bevölkerung an dieser Möglichkeit der Stimmabgabe hielt sich allerdings in äußerst bescheidenen Grenzen. In Österreich besteht seit 2001 die gesetzliche Voraussetzung dazu, bei Hochschülerschaftswahlen sowie den Wahlen zur Wirtschaftskammer elektronisch abzustimmen. Mangels praktischer Umsetzung fand bislang allerdings noch kein Urnengang via Internet statt.


eVoting - ein verzichtbarer Modegag

Was als "mehr Demokratie" verkauft wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Aufweichung demokratischer Grundprinzipien. Institute wie Briefwahl oder eVoting mögen nach Modernität und Bürgernähe klingen, nicht umsonst hat aber der Gesetzgeber bislang strenge Auflagen an die Durchführung von Wahlgängen gestellt. Zu vermuten ist auch, dass das Institut "eVoting" gezielt forciert werden könnte, weil dadurch Kostenersparnis erwartet wird. Mit dem Argument "eVoting" könnten etwa auch Begehrlichkeiten geweckt werden, die Zahl der Wahllokale zu reduzieren. Große Bevölkerungskreise wären dann aber am Ausüben des  Wahlrechts nahezu gehindert. Vorsicht ist anbetrachts der bisherigen Ankündigungen jedenfalls geboten.

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