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2007/08/10 Befreiung von der Rezeptgebühr reduziert Datenschutzrechte der Patienten
Statt dem angekündigten "Meilenstein" erfolgen Eingriffe in die Datenschutzrechte der Patienten - Hausärzte werden neuerlich bürokratisch belastet und erhalten Einblick in Einkommensverhältnisse der Patienten

Vollmundig wurde die von der Bundesregierung im Rahmen der letzten Klausur erzielte "Einigung" zur Befreiung von der Rezeptgebühr als "Riesenerfolg" und "Meilenstein für Betroffene" verkauft. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die geplante Regelung allerdings in mehrfacher Sicht als überaus problematisch. Seitens der Ärztekammer hagelt es Proteste, da die Abwicklung wieder einmal teilweise der mit Verwaltungsangelegenheiten ohnedies bereits überlasteten Ärzteschaft aufgebürdet wird. Datenschützer müssen dagegen in anbetracht der geplanten Eingriffe in Betroffenenrechte Bedenken anmelden.


Die geplante Regelung

Ziel der durch die Bundesregierung in der Klausur von Eisenstadt vorgestellten, geplanten Regelung ist es, untere Einkommen bei der Bezahlung von Rezeptgebühren zu entlasten, indem es zu einer "Deckelung" des für Rezeptgebühren zu zahlenden Betrages mit zwei Prozent des Nettoeinkommens von Betroffenen kommt. Das heißt: Der maximal für Rezeptgebühren zu entrichtende Betrag darf zwei Prozent des monatlichen Nettoeinkommens nicht überschreiten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sollen dabei nicht berücksichtigt werden. Bei Selbständigen soll der letztgültige Einkommenssteuerbescheid als Berechnungsrundlage dienen. Die Einsparungen für etwa 300.000 Betroffene sollen bis zu 200 Euro jährlich betragen.


Abwicklung über eigenes "Rezeptgebührenkonto" sowie e-card

Was von der Regierung als "sozialer Meilenstein" hinausposaunt wird, entpuppt sich anbetracht der geplanten Abwicklungsmodalitäten in vielerlei Hinsicht als durchaus problematisch. Kern der Durchführung ist die Einrichtung eines eigenen "Rezeptgebührenkontos" beim Hauptverband der Sozialversicherten. Auf diesem werden die entsprechenden Einkommensdaten von Betroffenen verarbeitet. Sobald die beschriebene "zwei-Prozent-Grenze" erreicht ist, erstattet der Hauptverband der Sozialversicherten Meldung an den Hausarzt, der das Erreichen der "zwei-Prozent-Grenze" auf der e-card verbucht.

Dort ist dann für jeden, der Zugang zu den auf der e-card gespeicherten Daten hat, auch ersichtlich, dass derjenige von der Rezeptgebühr befreit ist. Kritik verursacht vor allem der administrative Aufwand dieser Lösung, der die Krankenkassen zwei Millionen Euro jährlich kosten wird. Geplant ist den Löwenanteil durch weitere Beitragserhöhungen zu bestreiten. Dem Vernehmen nach zeigt man sich beim Hauptverband der Sozialversicherten über die geplante Lösung nicht sehr angetan und hat erst im letzten Moment grünes Licht gegeben. Verständlicherweise empört ist die Ärztekammer, dass den Hausärzten - neben allen sonstigen Lasten - nun auch noch ein Teil der Lasten der Abwicklung dieser Befreiung aufgebürdet werden soll.


Datenschutz wohin?

Betrachtet man die geplante Lösung genauer, wird deutlich, dass diese massiv in die datenschutzrechtlichen Interessen von Betroffenen eingreift. Die Problematik besteht darin, dass - entgegen bisheriger Regelungen - die Einkommensdaten von Betroffenen durch den Hauptverband auf einem eigenen Konto zentral verarbeitet werden und an den Hausarzt die Überschreitung der Einkommensgrenze übermittelt werden soll.

Zunächst wird für den Hausarzt - im Zusammenhalt mit den bisher entrichteten Rezeptgebühren - das Einkommen des betreffenden Patienten zumindest ermittelbar. Selbes gilt natürlich für sämtliche sonstigen Anlaufstellen des Gesundheitssystems, die durch betroffene Patienten konsultiert werden. Der betroffene Patient wird an diesem Prozess, bei dem letztendlich sein Einkommen offen gelegt  wird, nicht beteiligt geschweige denn gefragt, ob er überhaupt an diesem Verfahren teilnehmen möchte. Besonders im Zusammenhang auf die künftig geplante "Elektronische Gesundheitsakte" ELGA, bei der es zu einer zentralen Verarbeitung von Gesundheitsdaten kommen soll, ist ein solches Vorgehen problematisch.

Anhand der angedachten Lösung und des wenig sensiblen Vorgehens der Regierung wird deutlich, wohin der Zug im Gesundheitswesen fährt: Zentrale Verarbeitung umfangreicher Datenbestände die von sensiblen Gesundheitsdaten bis zu persönlichen Einkommensdaten reicht, wird im Zusammenhang mit den zahlreichen Schnittstellen, die im Gesundheitswesen Zugang zu personenbezogenen Daten haben, zu einer datenschutzrechtlich explosiven Mischung, die angebliche Verwaltungseffizienz weit über den Schutz der Betroffenen vor Datenmissbrauch gestellt.


Datenschutzrechtliche Zulässigkeit fragwürdig

Die Zulässigkeit der Übermittlung von Einkommensdaten an Hausärzte sowie sämtliche weiteren Ansprechpartner im Gesundheitssystem ist datenschutzrechtlich überaus fragwürdig. Insbesondere in Hinblick auf die Zweckmäßigkeit der entsprechenden Datenerhebung stellt sich die Frage, ob eine solche Übermittlung gerechtfertigt sein kann. Zu betonen ist insbesondere, dass der ursprüngliche Zweck der Erhebung von Einkommensdaten durch den Hauptverband sicherlich nicht darin liegt, diese ohne Beschränkung an Dritte  zu übermitteln. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass mit Sicherheit Lösungen existieren, welche einen weitaus geringfügigeren Eingriff in Betroffenenrechte darstellen. Eine Durchsetzung der geplanten Regelung nur auf Verordnungsbasis - wie dies offensichtlich angedacht ist - kann dem Grundrecht auf Datenschutz sicherlich nicht genügen.


Resumee

Die geplante Lösung lässt sich somit unter folgenden Schlagworten zusammenfassen: Hoher Verwaltungsaufwand, mühsame Abwicklung, zusätzliche Belastung der Ärzteschaft und - vor allem - keine Berücksichtigung der Datenschutzrechte von Betroffenen. Die Jubelstimmung auf Seite der Bundesregeierung anbetrachts der getroffenen Einigung ist somit aus Sicht des Datenschutzes sicherlich nicht gerechtfertigt.

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