2002/06/24 Online - Betreiber haften für Diskussionsbeiträge
OGH bestätigt grundsätzliche Providerhaftung bei Diskussionsbeiträgen - Grenze und Grauzone liegt bei der Zumutbarkeit der Kontrolle - Internetrecht befindet sich auf der sensiblen Gratwanderung zwischen Rechtssicherheit und Zensur
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung gegen ein Vorarlberger Online-Forum in dem ein Anwalt wüstest beschimpft wurde, hat das Gericht die grundsätzliche Haftung der Provider (Betreiber) von Onlineforen bestätigt.
Dr. Hans G. Zeger: 'Die Entscheidung selbst ist nicht überraschend. Schon bisher war klar, daß Betreiber von Web-Sites, Online-Foren, Chatrooms, Gästebüchern usw. für die Verwendung der von ihnen bereitgestellten Mitteln verantwortlich sind. Die Idee, man stelle bloß ein technisches Instrument (Programm) in den 'rechtsfreien' Raum Internet und jeder Benutzer und Betroffene müsse sich selbst um seine Rechte kümmern, ist bestenfalls 'geistfrei'.'
Tatsächlich ist die ARGE DATEN laufend mit Anfragen zu diesem Thema konfrontiert, wobei meist nicht die prinzipielle Haftung das Thema ist, sondern die Frage der Grenzziehung zwischen Zensur und Rechtssicherheit bzw. die Zumutbarkeit der Kontrolle.
Dazu liefert das Urteil zwei wesentliche Klarstellungen: 'Der Betreiber muß ab Kenntnis eines rechtswidrigen Inhalts handeln.' [alt] und 'Er muß bei Inbetriebnahme eines Forums, daß gesellschaftspolitisch oder sonstwie emotionell stark besetzt ist, Vorkehrungen treffen, daß es ermöglicht, rechtswidrige Inhalte zu erkennen.' [neu]
Die erste Feststellung ist alt und bekannt, die zweite Feststellung berührt neue Aspekte der Providerhaftung. Künftig wird ein Betreiber immer auch eine inhaltliche Abwägung treffen müssen, wie wahrscheinlich rechtswidrige Beiträge sind und sein bereitgestelltes System nach dieser Wahrscheinlichkeit organisieren müsen. D.h. er wird entscheiden müssen, ob er ein Forum täglich, wöchentlich oder gar nicht kontrolliert, ob er erst bei entsprechenden Hinweisen tätig wird oder ob er das Verbreiten von Beiträgen erst nach Kontrolle durch eine Redaktion erlaubt (sogenannte moderierte Listen).
Hans G. Zeger, 'Diese Abschätzung kann sich im Einzelfall als äußerst schwierig gestalten. Es ist daher zu befürchten, dass langfristig die Rechtssprechung dazu tendiert, die Haftung im Einzelfall zu bejahen, daher wird im Zweifelsfall ein Provider moderierte Foren einrichten oder den Betrieb der Foren ganz unterlassen und daraufhin werden die Gerichte - unter Hinweis auf die Fülle der moderierten Foren - eine generelle Prüf- und Kontrollpflicht der Betreiber festschreiben.'
Es wäre daher ein wichtiger Beitrag zur Rechtssicherheit, aber auch zur Kommunikationsfreiheit, wenn Internet-Benutzer-Gruppen oder auch die Vereinigungen der Internet-Provider Mustervereinbarungen schaffen, denen sich Benutzer und Betreiber unterwerfen und die die Notwendigkeit der Kontrolle der einzelnen Diskussionsbeiträge reduzieren.
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