2005/06/16 "Wer ein Fremder ist, bestimme ich!" - Fremdenrechtspaket im Datenschutzrat
Fremdenrechtspaket endlich im Datenschutzrat - auch Regierungsvorlage enthält wenig Erfreuliches zum Thema Privatsphäre- gigantischer Informationsverbund wirft legal und illegal in Österreich lebende Personen in einen Topf - Gesetzespaket erlaubt willkürliche und diskriminierende Interpretation der persönlichen Grundrechte - auch Österreicher können von erniedrigenden und unwürdigen Behandlungen betroffen sein - Einladung zum Missbrauch der Asylinformationen
Fremdenrechtspaket endlich im Datenschutzrat (DSR)
Mehrfach vertagt, wird am Donnerstag, 16. Juni 05 die Fremdenrechtsmaterie im Datenschutzrat behandelt.
Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Offensichtlich wird der Datenschutz von Fremden als 'heiße Kartoffel' angesehen. Mehrmals auf der Tagesordnung des DSR kam es immer wieder zur Vertagung. Die bisherigen Stellungnahmen des DSR-Büros und des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramts waren schlicht vernichtend, was Menschenrechts- und Verfassungskonformität des Fremdenrechtspaketes betrifft. In letzter Sekunde, vor dem wichtigen Expertenhearing am 20. Juni im Parlament beschäftigt sich der Datenschutzrat nun doch mit dieser brisanten Materie."
Selbst die nunmehrige, möglichst schmeichelweich formulierte Stellungnahme des Datenschutzrates ortet noch immer eine Fülle verfassungsrechtlicher Bedenken. Zu mindestens 24 Gesetzesstellen werden - teils schwerwiegende - Datenschutzbedenken geäußert.
Unbestimmte Formulierungen, fehlende Determinierungen, ausufernde Datenabgleichsmöglichkeiten und unzureichende Festlegung welche Informationen wann erhoben, verwendet und weitergegeben werden dürfen, prägen das Bild dieser Fremdengesetze.
"Wer ein Fremder ist, bestimme ich!"
Sprach der Polizist und beamtshandelte einen Bürger, dem man das "Herkunftsland ansieht", erkennungsdienstliche Behandlung, Nachweis der Mittel zur Bestreitung des Unterhalts, Personendurchsuchung und Wohnungsdurchsuchung inklusive.
Was als absurdes Schreckgespenst eines Polizeistaates erscheint, wäre mit dem neuen Fremdenrechtspaket möglich. Das Gesetz würde es erlauben, ohne jeglichen Anlassfall oder Begründung mutmaßliche Fremde zum Identitätsnachweis zu verpflichten. Nicht einmal die schwammige Formulierung der Identitätsfeststellung 'in begründeten Fällen', wie sie im Beamtenentwurf vorgesehen war, findet sich in der Regierungsvorlage (§32 FPG-RV) wieder.
Der gesamte Entwurf enthält jedoch keinerlei Abgrenzung, wie ein Fremder von einem Österreicher zu unterscheiden wäre. Im Ergebnis bedeutet diese Bestimmung, dass die Polizei jeder beliebigen Person unterstellen kann Fremder zu sein und diese müsste dann das Gegenteil nachweisen.
Hans G. Zeger: "Unbemerkt wird damit eine generelle Ausweispflicht für alle Bürger eingeführt. Zumindest jener Menschen, 'denen man die Herkunft ansieht'."
Ein geradezu klassischer Fall von Diskriminierung und ein verheerendes Signal an alle eingebürgerten Österreicher. Im übrigen auch eine EU-rechtswidrige Bestimmung, dürfen sich doch EU-Bürger, auch sie sind Fremde, in Österreich ohne jegliche Genehmigung oder Nachweis des Unterhalts aufhalten.
Gefährliches Verbundsystem
Alle Fremdendaten sollen in Zukunft in einem gigantischen Verbundsystem verwaltet werden. Wer letztlich Zugang zu welchen Daten hat, geht aus dem Gesetz nicht eindeutig hervor.
Hans G. Zeger: "Das Informationsverbundsystem ist als gigantischer Datentopf zu sehen, in dem letztlich alle Fremden, seien es EU-Bürger, Asylanten, mit Visum einreisende Touristen, noch nicht eingebürgerte Verwandte von Österreichern oder schlicht Kriminelle, landen."
Die im Verbundsystem vorgesehene Datensammlung über Fremde und deren Abgleich und Verknüpfung mit Fahndungsdaten und der Zentralen Meldeevidenz führt zu einer undurchschaubaren Vermischung von bloß administrativen Daten legal in Österreich lebender Personen, von sensiblen Daten über Personen mit Asylantrag und von Daten zu Personen mit deliktischen Hintergrund. Es ist zu befürchten dass auf Grund dieser Konstruktion und durch die Unübersichtlichkeit der Datenpräsentation Fremden generell in der Wahrnehmung der amtshandelnden Personen in die Nähe deliktischer Aktivitäten gereiht werden. (AsylG, FPG, NAG)
Willkürliche und diskriminierende Interpretation der persönlichen Grundrechte
Durch die fehlende Klarstellung welche Daten zu welchen Zwecken ermittelt und verwendet werden dürfen, ist der willkürlichen und letztlich diskriminierenden Interpretation der Grundrechte Tür und Tor geöffnet.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit dazu einige Beispiele:
- weiterhin existieren umfassende Betretungsbefugnisse von Grundstücken, Betriebsstellen, Arbeitsstellen, Räumen und Fahrzeugen (§36 FPG). Der Verdacht, dass sich fünf Fremde in den Räumen aufhalten reicht aus. Eine klare Aushöhlung des Haus- und Wohnungsrechts.
- das Informationsverbundsystem für Fremdendaten läßt weiterhin völlig offen, wer welche Daten abrufen darf (§56 AsylG)
- die Übermittlungsmöglichkeiten für Fremdendaten sind weiterhin unzureichend definiert (determiniert) (§57 AsylG)
- eine umfassende Auskunftsermächtigung erlaubt es der Polizei auf Verdacht beliebige Personen (inklusive Österreicher) zur Auskunft über Fremde zu verpflichten, die Einschränkung "auf Grund bestimmter Tatsachen" ist nicht definiert (§33 FPG)
- der Inhalt der Ausweise und Fremdenpässe ist nicht vollständig (abschließend) festgelegt und unzureichend geregelt (§50ff AsylG, §68 FPG)
Unzureichende Datensicherheit
Das Gesetzespaket sieht unzureichende Aufzeichnungen, wer auf das zentrale Fremdenregister zugegriffen und Abfragen gemacht hat bzw. Datenabfragen in Auftrag gegeben hat vor, dies lädt geradezu zum Missbrauch mit Asylanteninformationen ein. Wie die Erfahrung mit dem EKIS (elektronischen kriminalpolizeilichen Informationssystem) zeigte, besteht bei Sicherheitsbeamten die Tendenz durch "Freundschaftsdienste" vertrauliche sicherheitspolizeiliche Informationen weiter zu geben. Dies könnte Asylsuchende besonders gefährden. Nur die verpflichtende Protokollierung aller Abfragen und eine engmaschige Überprüfung kann hier die Gefahr des Missbrauchs reduzieren. (§102 FPG)
Wenige Verbesserungen zum Beamtenentwurf
1,5 kg Papier (Regierungsvorlage und Erläuterungen inklusive) bedarf es, um die menschenrechtsfeindliche Grundtendenz des Gesetzes zu kaschieren. Trotz zahlreicher Umformulierungen und Umreihungen erfolgten gegenüber dem Beamtenentwurf nur wenige Verbesserungen.
So wurde zumindest in zwei der drei Hauptgesetze (Asylgesetz und Fremdenpolzeigesetz) der Begriff "erkennungsdienstliche Behandlung" definiert und die DNA-Analyse davon ausgenommen, im dritten Hauptgesetz, dem Niederlassungsgesetz bleibt jedoch die "erkennungsdienstliche Behandlung" undefiniert. Problematisch ist auch, dass mit den Bestimmungen die Asylbehörden Zugriff auf die erkennungsdienstlichen Daten der Sicherheitspolizei erhalten, was der Zweckbestimmung dieser Daten (die Verwendung zur Verfolgung und Aufklärung krimineller Delikte) widerspricht.
Korrigiert, offenbar auf Grund der Stellungnahme der ARGE DATEN, wurde die Übermittlungsermächtigung von Asylwerberdaten an jenes Land aus dem der Asylsuchende geflohen ist (§57 Abs.11 AsylG). Nunmehr setzt eine derartige Datenübermittlung zumindest voraus, dass das Land ein sicherer Herkunftsstaat ist, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde oder der Asylantrag abgewiesen wurde.
Hans G. Zeger: "Leider erfolgt selbst bei schweren legistischen Schnitzern die Korrektur nur halbherzig und unvollständig. Eine Datenübermittlung ist jetzt immer noch möglich, wenn die Asylabweisung noch gar nicht rechtskräftig ist."
Damit besteht weiterhin die Gefahr, dass durch derartige Datenübermittlungen an das Herkunftsland im Land verbliebene Verwandte, quasi in Sippenhaftung, Repressalien ausgesetzt werden könnten.
Flickwerk der Diskriminierung
Hans G. Zeger: "Insgesamt macht die Regierungsvorlage, trotz Umfang und umständlicher Formulierungen den Eindruck eines legistischen Flickwerks, das nur unzureichend den menschenverachtenden Grundtenor kaschiert."
|