2003/09/01 Zentrales Melderegister (ZMR) - Kein Ende mit undurchsichtigen Abfragen?
Mit 1. September sollten ZMR-Abfragen ohne Angabe des Geburtsdatums abgestellt werden - BMI und private ZMR-Anbieter kündigen weiter an - Private ZMR-Anbieter hoffen auf baldige Gesetzesänderung für leichteren ZMR-Zugang - Mit starker Unterstützung einer WKO-Providerlobby - BMI gibt sich uninformiert
Mit 1. September sollte bedenkliche ZMR-Abfrage abgestellt werden
Auf Grund unserer Stellungnahmen, aber auch, wie BMI-Sprecher Major Gollia am 29.7 bestätigte, auf Grund von Bedenken von Seiten der Datenschutzkommission, steht seit rund 6 Monaten fest, dass die vom BMI und privaten Unternehmen angebotenen ZMR-Abfragen rechtswidrig sind. Eine Sanierung bis 'Anfang September' wurde durch das BMI zugesagt.
Hans G. Zeger, Datenschutzrat: 'Es ist eines Rechtsstaates unwürdig, wenn die Sicherheitsbehörden Monate verstreichen lassen, bis ein rechtswidriger Zustand beseitigt ist. Wohl kein Polizist würde sich bei einem Raser mit dem Versprechen zufrieden geben, in ein paar Monaten sowieso langsamer zu fahren.'
Aus aktuellem Anlaß wurden die Online-Angebote neuerlich evaluiert. Ein Abweichen von der bisherigen Praxis konnte nicht festgestellt werden. Das BMI bietet weiterhin öffentlich die Abfragemöglichkeit von Personen ohne Kenntnis des Geburtsdatums an. Welche anderen Anbieter, wie IMD, ADVOKAT, TELEKOM AUSTRIA, PROINFORM usw. dies auch machen, ist aus den Online-Angaben und Geschäftsbedingungen nicht eindeutig feststellbar.
Hoffen auf baldige Gesetzesänderung?
Wie Mitarbeiter eines ZMR-Anbieters in einem Gespräch andeuteten, hoffen die Firmen auf eine baldige Gesetzesänderung, die den bisherigen Zustand legalisiert. Damit wäre ihr lukrativer Handel mit Bürgerdaten gesichert. Auf Anfrage beim BMI wird ein derartiges Änderungsvorhaben dementiert.
Hans G. Zeger: 'Leider können wir nicht absehen, was das Dementi tatsächlich Wert ist. Besonders im Bereich ZMR agierte das BMI und BM Strasser immer wieder mit hinhaltenden Auskünften und Terminzusagen. Auch eine Gesetzesänderung als sogenannter Initiativantrag einiger Abgeordneter aus dem Dunstkreis der ZMR-Provider-Lobby wäre denkbar. Vorteil dieser Vorgangsweise: die Änderung könnte vorbei an allen Begutachtungsverfahren relativ unbemerkt in den Nationalrat eingebracht werden.'
Eine Beschränkung des Datenhandels auf das gesetzliche Maß würde zu einem drastischen Rückgang der ZMR-Einnahmen führen. Laut BMI wurden im Jahr 2002 rund 1 Mio. EUR eingenommen. Für die Zusatzumsätze der privaten Anbieter liegen keine offiziellen Zahlen vor, eine Abschätzung der Angebote und der behaupteten Kundenzahlen ergibt einen zusätzlichen Betrag von rund 1 Mio. EUR für 2002.
Hans G. Zeger: 'Bleibt die ZMR-Abfrage auf das rechtlich zulässige Maß beschränkt, dann dürften sich die Abfragen und damit die Einnahmen um 60-90% reduzieren.'
'Nagelprobe' für alle Politiker
Die ZMR-Frage wird zur Nagelprobe für alle Nationalratsabgeordneten, völlig unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit. Da im sogenannten Koalitionsübereinkommen keine Änderungen zum ZMR vereinbart sind, können auch die Politiker der blau-schwarzen Koalition frei nach ihrem Gewissen entscheiden. Die ARGE DATEN wird sich genau ansehen, welche Parteien auch in Fragen der Privatsphäre Bürgerinteressen vertreten. Dies umso mehr als der der FP nahestende Volksanwalt Stadler eine Prüfung des Innenministeriums rund um die ZMR-Vorgänge plant.
Schluss mit dem ZMR-Datenhandel
Unter dem unwürdigen Handel mit Bürgerdaten sollte endgültig ein Schlussstrich gezogen werden. Weiters sollte es dem Bürger wieder möglich sein, kostenlos eine Auskunftssperre beim ZMR zu erhalten.
Hans G. Zeger: 'Es kann nicht sein, dass das BMI zweifach an Daten verdient, die es nur treuhändisch für Verwaltungsaufgaben übertragen bekommen hat. Einmal mit zweifelhaften Abfragen und ein zweites Mal, wenn sich ein Bürger gegen diese Abfragen schützen möchte.'
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