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2007/05/14 Entwurf zur Telefon- und Internetüberwachung sorgt für große Empörung in Österreich
Nunmehr vorliegender Entwurf zum Telekomgesetz speichert Telefon- und Internetverhalten aller ÖsterreicherInnen - alle ÖsterreicherInnen unterliegen in Zukunft verstärktem Überwachungsdruck - "Wer etwas zu verbergen hat, kann die neue Richtlinie ganz leicht unterwandern" - Dammbruch bei den Grundrechten, ohne Aussicht auf einen sinnvollen Sicherheitsgewinn - Hunderte BürgerInnen haben bisher über http://www.freenet.at bei Politikern gegen diese Vorratsdatenspeicherung protestiert

Entwurf zum Telekomgesetz speichert Telefon- und Internetverhalten aller Österreicher

Dieser Tage wurde der Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes zur Begutachtung verschickt. In Zukunft sollen alle Daten zur Telefon- und Internetnutzung jedenfalls sechs Monate (auf Vorrat) für weitere Auswertungen gespeichert werden.

Von jedem Telefonat wird damit in Zukunft aufgezeichnet und auf Verlangen den Behörden bereitgestellt, wer welche Telefonnummer angerufen hat, zu welcher Uhrzeit, wie lange das Gespräch dauerte und bei Mobiltelefonen von welchem Standort zu welchem Standort das Gespräch erfolgte.

Auch bei Rufnummernunterdrückung oder bei Geheimnummern werden diese Daten gespeichert. Selbst nicht erfolgreiche Anrufe werden aufgezeichnet. In der Internetnutzung wird zu jedem verschickten und empfangenen Mail gespeichert, wer der Absender bzw. der Adressat ist, wann das Mail verschickt wurde.

Angesichts der massenhaft verschickten SPAM-Mails (etwa 95% aller Mails sind mittlerweile Spam) eine wahrliche Sisyphos-Arbeit mit einem Datenmaterial, das rasch in Terabyte-Bereiche steigt.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: "Sollte dann wirklich im Falle einer Straftat der Wunsch bestehen, diesen Datenhaufen zu durchsuchen, würde die Suche der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen geradezu zu einem Kinderspiel. Aus den Telefon- und Internetverkehrsdaten lässt sich zwar bei bekannten Personen, deren Kommunikationsbeziehungen herausfiltern, der umgekehrte Weg ist nicht möglich. Die Daten sind jedoch nicht geeignet, aus Kommunikationsmustern Verdächtige zu identifizieren."

Es besteht dann die akute Gefahr, dass die langwierige Suche in den Telefon- und Internetdaten wichtige Ressourcen zur Verbrechensaufklärung blockiert und somit kontraproduktiv ist.


Kein Sicherheitsgewinn zu erwarten

Die Maßnahme kann jedenfalls als schwerwiegender Einbruch in die Grundrechte gewertet weden, insbesondere der Verfassungsgrundsatz der unbeobachteten Kommunikation wird damit endgültig aufgegeben.

Trotzdem ist keinerlei Sicherheitsgewinn zu erwarten, ganz im Gegenteil handelt es sich um ein populistisches Sicherheitsplacebo, das von unverantwortlichen Politikern leichtfertig verstreut wird und damit zum bloßen Aktionismus verkommt.

"Wer etwas zu verbergen hat, kann die neue Richtlinie ganz leicht unterwandern". Insbesondere der organisierten Kriminalität und den angeblich strategisch so toll ausgerüsteten Terrorgruppen wird es ein Leichtes sein die Datenaufzeichnungen durch Mehrwertkartenhandys, Provider mit Standort außerhalb der EU, kaskadierende Internetzugänge, Mobiltelefone mit Zulassung außerhalb der EU-Staaten, Verschlüsselung die Datenaufzeichnungen usw. wirkungsvoll zu unterwandern bzw. sicherzustellen, dass keine Verbindung zu den Personen hergestellt werden kann. Der dazu notwendige relativ geringe zusätzliche, technische, finanzielle und organisatorische Aufwand wird, sofern diese Gruppen tatsächlich so gut organisiert sind, wie es Politiker tagtäglich behaupten, leicht zu bewältigen sein.

Selbst innerhalb der EU wird es keine lückenlose Datenaufzeichnung geben, so sind die Firmen-eMailknoten vom Gesetzesentwurf ausgenommen.

Hans G. Zeger: "Erfasst werden offenbar nur ein paar Dumme und jene Bürger, die nichts zu verbergen haben, aber sich vielleicht mit Minderheitenthemen oder Themen abseits vom Main-Stream beschäftigen. Ihnen wird man dann bei Bedarf, etwa wenn nach angeblichen Terrorzellen gesucht wird, ausgiebig nachstellen können."

Wäre die Vorratsdatenspeicherung schon Anfang des Jahres in Kraft gewesen, dann hätte man zwar nicht die Urheber des "Terrorvideos" (http://www2.argedaten.at/static/gimf-botschaft.wmv), das angeblich Österreich und Deutschland bedrohte, ausfindig machen können, jedoch wäre es möglich gewesen, alle Personen, die das Video abgerufen hatten, ausfindig zu machen. Diese wären dann gezwungen gewesen, sich zu rechtfertigen, warum sie dieses Video abgerufen haben. Ein offensichtlich verfassungswidriger Eingriff in die Meinungsfreiheit.


Besonders unangenehme Konsequenzen für "Vertrauensberufe"

Unabsehbare Konsequenzen hat die Vorratsdatenspeicherung für sogenannte Vertrauensberufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater und Journalisten. Deren Kommunikationsverhalten beziehungsweise derer Klienten kann nunmehr genauestens analysiert werden. Da ja nicht mehr gezielt gegen einen Berufsvertreter vorgegangen wird, sondern von "allen" die Daten gespeichert werden, sind auch die bisherigen Verschwiegenheitspflichten dieser Berufe wirkungslos.


Rechtliche Bedenken gegen EU-Richtlinie

Basis für den beispiellosen Eingriff in Grundrechte ist die EG-Richtlinie 2006/24/EG, die die Vorratsdatenspeicehrung für die Mitgliedsstaaten vorsieht. Tatsächlich bestehen jedoch erhebliche rechtliche Bedenken, dass Rat und Parlament überhaupt nicht berechtigt seien eine derartige Richtlinie, die direkt in Verfassungsrechte der BürgerInnen eingreift zu beschließen.

Aus diesen Gründen gibt es auch schon Beschwerdeverfahren vor dem EUGH gegen diese Richtlinie. Österreich hätte die Möglichkeit unter Hinweis auf diese Beschwerdeverfahren noch mit der Umsetzung der Richtlinie zuzuwarten oder auch selbst eine entsprechend qualifizierte Beschwerde einzubringen. In diesen Fällen wäre auch kein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie zu erwarten.


Jetzt protestieren

Die ARGE DATEN hat unter http://www.freenet.at eine Seite eingerichtet, die es ermöglicht Politier direkt mit seinen Bedenken zu konfrontieren. Mehrere hundert BürgerInnen haben davon schon Gebrauch gemacht.


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