Datenschutzbehörde  Datenschutz Europa privacy service
 
2010/05/25 VfGH: Transsexuelle haben Grundrecht auf Datenschutz
MMag. Michael Krenn
Transsexuelle können sich bei Änderung ihrer Geschlechtsdaten in amtlichen Dokumenten auch auf ihr Grundrecht auf Datenschutz berufen.

Eine Entscheidung des VfGH (B1973/08) beschäftigt sich mit einer bislang kaum behandelten Grundrechtsproblematik: Wie ist mit Personen umzugehen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben und die Änderung ihrer personenbezogenen Daten in amtlichen Dokumenten begehren? Im vorliegenden Falle hatte die zuständige Behörde eine Änderung abgelehnt und damit grundrechtswidrig gehandelt.

Änderung von Personendaten nach Geschlechtsumwandlung

Die Betroffene hatte nach Durchführung einer Geschlechtsumwandlung einen Antrag auf Änderung der Eintragung der Geschlechtsbezeichnung im Geburtenbuch des zuständigen Standesamtes von "männlich" auf "weiblich" begehrt, welcher sowohl erst- als auch zweitinstanzlich abgewiesen worden war. Begründend führte die Behörde aus, dass die Personenstandsbehörde nicht selbst beurteilen könne, ob eine Geschlechtsumwandlung erfolgt sei oder nicht. Die Personenstandsbehörde sei daher ausschließlich auf unabhängige Gutachten angewiesen.

Sämtliche vorgelegten Bestätigungen und Befunde hätte die beschwerdeführende Partei selbst vorgelegt. Überdies seien sie von Sachverständigen erstellt worden, die bei Beantwortung der Frage, ob eine Geschlechtsumwandlung erfolgt sei, allenfalls einen Teilbereich abdecken würden. Aus jenen Bestätigungen, die Laserbehandlungen zur Haarentfernung bzw. die Durchführung einer phonopädischen Behandlung belegen, gehe zwar die Bestrebung der beschwerdeführenden Partei hervor, ihr äußeres Erscheinungsbild dem anderen Geschlecht anzunähern, sie gäben aber nur ungenügend Auskunft über den erzielten Erfolg. Dem psychotherapeutischen Befund fehle hingegen die als notwendig erachtete Zukunftsprognose. Insgesamt fehle eine Gesamtbeurteilung, die nur von einem auf Transsexualismus spezialisierten Sachverständigen oder eventuell von einem unabhängigen Amtsarzt abgegeben werden könne. Die Gutachten und Befunde seien daher von ihrer Aussage unzureichend. Gestützt wurde die Entscheidung auch auf den sogenannten „Transsexuellenerlass“ des Bundesministeriums für Inneres, welcher vorsieht, dass zur Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung ein Befund über eine geschlechtsanpassende Operation, sohin bei Mann zu Frau Transsexuellen die Entfernung von Keimdrüsen und primären Geschlechtsorganen sowie die Formung einer Neovagina, vorzuweisen sei.

Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof

Die Betroffene stützte ihre Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof auf  ihr Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sowie das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art8 EMRK. Durch den Geschlechtsvermerk "männlich" in Reisedokumenten und dienstlichen Dokumenten werde auch das Grundrecht auf Datenschutz verletzt, da für jedermann die Transsexualität offensichtlich werde. Dies habe bereits zu Verzögerung, ja sogar zur Verweigerung der Einreise in Fremdstaaten geführt.

Die Aufrechterhaltung der Diskrepanz zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und dem Geschlechtsvermerk in Dokumenten stelle weiters eine massive Diskriminierung dar und verletze die Menschenwürde und die Privatsphäre gröblichst. Die Betroffene sei rechtlich als Frau einzustufen, da sie sich Operationen unterzogen habe  (3 Jahre Laser- und Nadelepilationen) und der beigelegten psychotherapeutischen Befundung explizit zu entnehmen sei, dass der kontinuierliche Wunsch, dem anderen Geschlecht zuzugehören, bestehe.  Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde daher zum Ergebnis kommen müssen, dass die beschwerdeführende Partei als Transsexuelle zur diskriminierten Personengruppe zähle.

VfGH: Behörde hat Willkür geübt

Der VfGH führt in seinem Erkenntnis zunächst an, dass die personenstandsmäßige  Beurkundung des Geschlechts zu berichtigen sei, wenn sie nach der Eintragung unrichtig geworden ist.

Das Personenstandsgesetz sage aber nichts darüber aus, wann davon auszugehen ist, dass sich das Geschlecht einer Person geändert habe. Die österreichische Rechtsordnung und auch das soziale Leben würden davon ausgehen, dass jeder Mensch entweder weiblich oder männlich sei, eine ausdrückliche Regelung der Transsexualität sei bisher nicht erfolgt.

Der belangten Behörde sei vorzuwerfen, dass sie davon ausgegangen sei, dass die beschwerdeführende Partei Gutachten und Befunde eines unabhängigen Sachverständigen als Beweismittel zwingend beizubringen habe. Dabei habe sie außer Acht gelassen, dass sie von Amts wegen gehalten sei, die materielle Wahrheit zu erforschen. Die Behörde habe zu den entscheidungsrelevanten Fragen, ob eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderes Geschlechtes vorliege und ob mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen sei, dass sich am Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nichts mehr ändern werde, die verpflichtenden Erhebungen unterlassen.  Der bekämpfte Bescheid wurde daher aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Ungeklärte Problematik

Die Sache ist abermals durch die Behörde zu entscheiden, durch die VfGH-Entscheidung steht fest, dass die Überprüfung, welchem Geschlecht eine Person zuzuordnen ist, amtswegig erfolgen muss. Darüber hinaus bietet das Erkenntnis keinerlei Aufschlüsse. Dabei ist die Problemstellung höchst komplex und aus Sicht der betroffenen Person nachvollziehbar. Es ist logisch, dass ein Geschlechtsdatum, welches nicht dem äußeren Erscheinungsbild einer Person entspricht, zu massiven Problemen bei jedem Behördenkontakt führen kann und wird. Dazu muss gar nicht die Einreise in andere Staaten herangezogen werden, schon jede polizeiliche Routinekontrolle und überhaupt jedes persönliche Auftreten bei Behörden birgt mögliche Schikanen in sich.

Andererseits ist klar, dass die Zuordnung von Personenstandsdaten auch im öffentlichen Interesse erfolgt und es daher nicht der letzte Schluss sein kann, dass sich jeder das angeführte Geschlecht „aussuchen“ kann. Richtig wurde durch den VfGH festgehalten, dass es an einer generellen gesetzlichen Definition mangelt, nach welchen Kriterien Personen Geschlechtsdaten zuzuordnen sind. Eine klare gesetzliche Lösung dieser Frage wäre wünschenswert.


Die angezeigten Informationen und Artikel werden im Rahmen des ARGE DATEN Informationsdienstes kostenlos zur Verfügung gestellt. Alle Angaben sind sorgfältig recherchiert, es wird jedoch für die Richtigkeit keine Gewähr übernommen. Alle Angaben, Aussagen und Daten beziehen sich auf das Datum der Veröffentlichung des Artikels. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insbesondere Links, auf Websites gemachte Beobachtungen und zu einem Sachverhalt gemachte Aussagen zum Zeitpunkt der Anzeige eines Artikels nicht mehr stimmen müssen. Der Artikel wird ausschließlich aus historischem und/oder archivarischen Interesse angezeigt. Die Nutzung der Informationen ist nur zum persönlichen Gebrauch bestimmt. Dieser Informationsdienst kann professionelle fachliche Beratung nicht ersetzen. Diese wird von der ARGE DATEN im Rahmen ihres Beratungsservice angeboten. Verwendete Logos dienen ausschließlich zur Kennzeichnung der entsprechenden Einrichtung. Die verwendeten Bilder der Website stammen, soweit nicht anders vermerkt von der ARGE DATEN selbst, den in den Artikeln erwähnten Unternehmen, Pixabay, Shutterstock, Pixelio, Aboutpixel oder Flickr.

© ARGE DATEN 2000-2025 Information gemäß DSGVO webmaster