2009/01/28 Personalauswahl der ÖBB ein Fall für den Datenschutz
ÖBB-Personalselektion beschäftigt den OGH - vorgesetzte Mitarbeiter betätigen sich als Hobby-Psychologen und beurteilen Charaktereigenschaften der Untergebenen - OGH hält derartige Psycho-Erhebungen für grundsätzlich zulässig und öffnet damit Tür und Tor für das Schnüffeln der Arbeitgeber in die Privat- und Persönlichkeitssphäre der Mitarbeiter
Die Personalpolitik der Österreichischen Bundesbahnen kommt nicht aus den Schlagzeilen. Obersten Gerichtshof beschäftigte sich mit ÖBB-Personalbeurteilung. Stein des Anstoßes war dabei ein Beurteilungssystem durch vorgesetzte Mitarbeiter. Neben der fachlichen Bewertung wurde auch eine persönliche Einschätzung anhand individueller Charaktereigenschaften vorgenommen.
Personalrekruiting in der ÖBB
Auslöser war die Errichtung einer neuen Betriebsführungszentrale durch ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen unter dem Dach der Österreichischen Bundesbahnen. Für diese neue Zentrale wurden zahlreiche Personalpositionen ausgeschrieben, vom Zuglenker bis zu Funktionen in der unteren Managementebene. Neben einem Anforderungsprofil wurden potentielle Bewerber aus dem Unternehmen zur Teilnahme an einem Testverfahren sowie zu einer Beurteilung durch die jeweils aktuell zuständige Führungskraft verpflichtet. Aufgrund der Ausschreibung bewarben sich 167 Mitarbeiter aus dem Unternehmen selbst.
Im Rahmen der Beurteilung wurden durch die Führungskräfte Personalbeurteilungsbögen erstellt und weitergegben. Die Fähigkeiten der Bewerber wurden durch ein Notensystem bewertet. Beinhaltet waren folgende Kriterien: Fachliches Wissen, Genauigkeit, Persönlichkeitskompetenz, Belastbarkeit, Lösungsorientiertheit, Motivation, Veränderungsbereitschaft, Verantwortungsbereitschaft, Wertschätzung. Daneben wurden die verschiedenen Bewertungskriterien noch in Einzelbewertungen unterteilt und eine Gesamteinschätzung ermittelt.
Betriebsrat lehnte Vorgangsweise ab
Der Zentralbetriebsrat der ÖBB hielt nichts von der "Potentialanalyse" bei den Mitarbeitern, die bereits in ähnlicher Funktion tätig waren. Außerdem forderte der Zentralbetriebsrat für ein derartiges Verfahren eine Betriebsvereinbarung, zu einer solchen kam es trotz mehrmaliger Forderungen nicht.
Mit einer Klage begehrte der Betriebsrat die Unterlassung der Verwendung der Führungskraft-Beurteilungsbogen ohne entsprechender Betriebsvereinbarung. Die Beklagte soll schuldig gesprochen werden, sämtliche Führungskraft-Beurteilungsbögen zu beseitigen und zu vernichten. Zur Sicherung dieses Anspruchs wurde die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt.
Verfahren
Nachdem das Gericht erster Instanz dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung stattgegeben, das Berufungsgericht diesen abgewiesen hatte, ging die Angelegenheit an den Obersten Gerichtshof. Dieser verweist in seinem Erkenntnis zunächst auf § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG, nach welchem die Einführung von Systemen zur Beurteilung von Arbeitnehmern des Betriebs zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen, sofern mit diesen Daten erhoben werden, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind.
Dazu, welche Daten der Personalbeurteilung dienen, gibt es keinerlei gesetzliche Materialien, sondern lediglich Meinungen aus der juristischen Literatur. Nach diesen ist etwa eine Erhebung von Daten, die eine Beurteilung des Arbeitnehmers im Hinblick auf Gesichtspunkte erlauben, die mit seiner Arbeitnehmerrolle überhaupt nichts zu tun haben, untersagt.
Sind Personalbewertungen, die in den Persönlichkeitsbereich eingreifen, zulässig?
Die Beurteilung kann nach grundsätzlich persönlichkeits- oder leistungsorientiert vorgenommen werden. Ihr liegt immer auch eine personenbezogene Bewertung des Mitarbeiters zugrunde, sie begnügt sich nach Auffassung des Höchstgerichts nicht mit einer reinen Bestandsaufnahme von Fakten.
Nach Meinung des Höchstgerichts konnten bei den ausgeschriebenen Tätigkeiten deshalb konkrete Anforderungsprofile verwendet werden, da auch die Tätigkeiten ausreichend konkretisiert waren. Weiters habe es sich um besonders verantwortungsvolle, sowohl im Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis, als auch im Team zu erbringende Tätigkeiten gehandelt, die nicht nur an die fachliche, sondern auch an die persönliche und soziale Kompetenz besondere Anforderungen stellten.
Wenngleich das Höchstgericht einräumt, dass der Beurteilung durch Vorgesetzte zwangsläufig auch subjektive Elemente innewohnen, so könne nicht übersehen werden, dass auch Persönlichkeits- und Sozialkompetenzen zu beurteilen seien. Dazu kommt, dass der Beurteiler eine zusammenfassende ausführliche Begründung zu geben habe.
Personalbeurteilung höchst subjektiv
Zusammenfassend kommt das Höchstgericht zum Schluss, dass die Beurteilung im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers steht, weil eine konkrete und unmittelbare betriebliche Verwendung bevorsteht, die eine Beurteilung ohne Zustimmung des Betriebsrats rechtfertigt.
Die Haltung des Höchstgerichts ist aus mehreren Gründen problematisch
Unstreitig war, dass es sich bei der gewählten Vorgehensweise, Mitarbeitern im Rahmen von Personalbeurteilungen subjektive Bewertungen zuzuordnen, um eine Form der Verarbeitung personenbezogener Daten handelt.
Dabei ist zu bedenken, dass es überaus fragwürdig erscheint, ob eine subjektive Einschätzung höchstpersönlicher Eigenschaften von Mitarbeitern durch vorgesetzte Einzelpersonen den angestrebten Zweck erfüllen kann, die richtigen Mitarbeiter an die richtige Stelle zu bekommen. Ein solcher Zweck könnte nur durch den Vergleich objektivierter Mitarbeiter fertigkeiten erreicht werden.
Wie richtig angedacht wurde, sind die verwendeten persönliche Einschätzungen höchst subjektiver Natur, die Datenermittlung somit äußeren Einflüssen stark unterworfen (Verhältnis der handelnden Personen, Tagesverfassung des Beurteilenden, etc..). Damit handelt es sich bei einem derartigen Beurteilungssystemen bei nüchterner Betrachtung schlichtweg um eine zum erwünschten Zweck ungeeignete und daher nicht gerechtfertigte Datenerhebungen.
Auch die Überlegung, dass sich die jeweiligen Mitarbeiter durch ihre Bewerbung "freiwillig" einem derartigen Beurteilungssystem unterworfen hätten, ist unbefriedigend, da die einzige Möglichkeit, eine erwünschte Stelle zu bekommen, ja im Akzeptieren des umstrittenen Systems liegt. Eine ungeeignete Datenerhebung aber nicht zu einer zulässigen wird, wenn die Betroffenen sich ihr unterwerfen.
Resumee
Die Gefahr derartiger Beurteilungssysteme liegt vor allem darin, dass Erhebungen persönlicher Eigenschaften ausufern können und sich letztendlich immer irgendeine Argumentation finden lässt, warum es für den Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen nützlich sein kann, über Bewertungen zu bestimmten Eigenschaften von Mitarbeitern zu verfügen.
Letztendlich bedeutet ein derartiges Vorgehen auch ein uferloses Vordringen in die Privat- und Persönlichkeitssphäre der Mitarbeiter. Besonders dann, wenn es sich um Mitarbeiter handelt, welche ohnehin schon seit Jahren ihre berufliche Eignung bewiesen haben.
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