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2009/07/23 Datenschutzrat - Votum Separatum zum Fremden-Diskriminierungs-Paket 2009
Dr. Hans G. Zeger
Fremden-Diskriminierungs-Paket 2009 verletzt Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere den Schutz der Privatsphäre - willkürliche Verfahren, ineffiziente Strukturen und schikanöse Praktiken prägen den vorrgelegten Entwurf - Entwurf sollte zurückgezogen werden und alle fremdenrechtlichen Fragen sollten im Rahmen eines Migrationsgesamtkonzeptes neu geordnet werden



Votum Separatum Dr. Hans G. Zeger in der Sitzung des Datenschutzrates vom 20. Juli 2009 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Grundversorgungsgesetz - Bund 2005, das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden  (kurz: Fremdenrechts-Änderung 2009)

Art. 1 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, meist als "DatenschutzRichtlinie" verlangt in Abs 1:

"Die Mitgliedstaaten gewährleisten nach den Bestimmungen dieser Richtlinie den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten."

Dieser sehr weitgehende Grundrechtsanspruch ist weder auf Österreicher, noch auf EU-Bürger beschränkt, sondern betrifft alle Personen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, in Österreich aufhalten, Schutz suchen oder hilfsbedürftig sind.

In diesem Sinne sind gesetzliche Maßnahmen immer so zu treffen, dass sie die Grundrechte und Grundfreiheiten nur im absolut notwendigen Ausmaß beschränken und nur dort, wo es keine gelinderen Mittel gibt.

Diesen Grundsatz missachtet das vorgelegte Fremdenrechts-Änderungs-Paket 2009 in mehrfacher Weise.


1. Entwicklung einer parallelen Datenschutzstruktur

Wie schon die Mehrheitsstellungnahme des Datenschutzrates zutreffend anmerkt, werden im Fremdenrechts-Änderungs-Paket 2009 ein Teil geltenden Datenschutzbestimmungen wiederholt und abgewandelt. Weiters ist das Paket voll mit unbestimmten Formulierungen zur Datenermittlung, Nutzung und Weitergabe.

Dies hat zur negativen Konsequenz, dass es Betroffenen, die unter besonderen schwierigen Verhältnissen nach Österreich gekommen sind bzw. hier leben müssen, die durchwegs nicht rechtskundig sind, praktisch unmöglich gemacht wird, zu erkennen, welche Bestimmungen tatsächlich anzuwenden sind.

Dies führt zu Benachteiligung nicht vertretener, nicht rechtskundiger Personen oder im Falle einer Vertretung, zu unnötig komplexen und damit langwierigen Verfahren, bei denen aus formalen Gründen immer wieder neue Anträge gestellt werden müssen, die dann aus formalen Gründen abgelehnt werden. Dies führt zu vermeidbar langen und inhumanen Verfahrenszeiten.

Es besteht der dringende Eindruck, dass Undurchschaubarkeit der rechtlichen Abläufe wesentliches Gestaltungselement dieses Entwurfes ist. Zum einen kann damit eine zukünftige willkürliche Entscheidungspraxis verschleiert werden. Versuche von Betroffenen in diesem Bestimmungswirrwar zu ihrem Recht zu kommen, können dann populistisch und öffentlichkeitswirksam als Verschleppungs- und Verzögerungstaktik dennunziert werden und liefern erst recht wieder den Vorwand weiterer - rechtsstaatlich bedenklicher - Beschränkungen der Fremdenrechte.


2. Unklare und unzureichende Entscheidungsstrukturen

Die Regelungen zur Erlangung gültiger Aufenthaltstitel sind intransparent, widersprüchlich und unvollständig. Dies führt dazu, dass kein Betroffener von vornherein abschätzen kann, wie sich sein Verfahren entwickelt.

Auch für die ausführenden Beamten sind die Grundsätze nicht eindeutig festgelegt, sie sind auf Auslegungen, Erläuterungen, Erlässe, formelle und informelle Weisungen von Vorgesetzten, Aufsichtsstellen und letztlich direkt vom Innenministerium angewiesen.

Damit nähert sich der Gesetzestext der willkürlichen Interpretationsmöglichkeit und erlaubt keine Rechtssicherheit. Da auch ein geordneter Instanzenzug fehlt, werden weitere zahllose Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof die Folge sein. Auch wenn die Mehrzahl der Beschwerden abgelehnt werden wird, werden Einzelerkenntnisse zur Änderung, Aufhebung oder Uminterpretation einzelner Bestimmungen führen.

Bestimmungen, die dann längst wieder durch neue Änderungen und Adaptionen überholt sind. Das Ende ist letztlich ein willkürlich ausgeübtes Migrationsrecht. Es wird damit - offenbar bewusst - ein ineffizientes und teures System geschaffen. Offenbar auch zum Zweck, die in der Bevölkerung latent bestehende Fremdenfeindlichkeit weiter zu bedienen und Argumente zu liefern, dass Fremde, insbesondere wenn sie um ihr Recht kämpfen, den "Österreichern an der Tasche hängen".


3. Diskriminierende und willkürliche Datenverwendung

Insbesondere Bestimmungen zur Abschiebung von Fremden bzw. der Verhängung der Schubhaft bauen auf einer diskriminierenden und der Datenschutz-Richtlinie widersprechenden Datenverwendung auf.

Schubhaft auf Basis ungesicherter Informationen, etwa über Herkunft eines Asylwerbers, Alters eines Asylwerbers, fehleranfälliger biometrischer Daten, unklarer Identitätsnachweise usw. ist als zentrales Rechtsinstrument vorgesehen und kann viel zu leicht verhängt werden. Fremde, die aus welchen Gründen auch immer, keinen Aufenthaltstitel erlangen können, werden auf dieselbe Stufe wie Kriminelle gestellt.

Zum Beispiel werden Familienzusammenführungen und das führen eines menschenrechtskonformen Familienlebens geradezu unmöglich gemacht, indem nur dann Angehörigen ein Aufenthaltstitel zuerkannt wird, wenn ein menschenwürdiges Leben in keinem anderen Staat möglich ist. Eine unbestimmte Formulierung, die Behörden beliebig interpretieren können. Es ist keine Situation denkbar, in der ein Betroffener ausreichende Daten vorlegen könnte, die belegen, dass kein anderer Staat nicht auch ein Familienleben gem. EMRK ermöglichen könnte.

Ein Beispiel von vielen, die die menschenrechtswidrigen, geradezu zynischen Geist dieser Fremdenrechts-Änderungen dokumentieren.


4. Resumee

Der Entwurf reiht sich in eine lange Reihe fremdenfeindlicher Rechtsbestimmungen ein und soll offenbar nur das Chaos im Migrationsrecht erhöhen.

Der Entwurf ist vom Geist der Abwehr und Verunglimpfung alles Fremden geprägt. Da es - erfreulicherweise - gegen fremden Zuzug aus EU-Staaten keine Handhabe gibt (es sei jedoch daran erinnert, dass an dritter Stelle der häufigsten ausländischen Kriminaltäter deutsche Bürger stehen), entladen sich alle nur denkbaren bürokratischen und administrativen Schikanen und Vorurteile gegen Zuwanderer aus Drittstaaten. Ein wesentliches Diskriminierungsmittel dazu ist der ungehemmte und vielfach überschiessende Einsatz von Registern, Evidenzen, Personenidentifikation und sonstiger persönlicher Daten.

Der Entwurf ignoriert dabei, dass Österreich schon seit dem 19. Jhdt. ein Zuwandererland ist und auf einen geordneten Zuzug qualifizierter bzw. motivierter Personen und ihrer Angehörigen angewiesen ist. Darüber hinaus gehört es zu den humanitäten Verpflichtungen eines Rechtsstaates, schutzsuchenden Personen - auch im Zweifel - zu helfen.

Es gehört zur Aufgabe des Staates im Falle schutzsuchender Personen jene Gründe zu finden, die eine Einbürgerung und Integration rechtfertigen und nicht ein System zu schaffen, bei dem formale Antragsgründe und Antragsverfahren bestimmend sind und zu immer neuen Ablehnungs- und Ausweisungsgründen führen.

Die Möglichkeiten der Datenverarbeitung werden in diesem Entwurf offensichtlich missbraucht um den Fremden die "Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre" vorzuenthalten. Damit stellt sich der Entwurf offen gegen die Grundsätze der EMRK, die in Österreich immerhin Verfassungsrang genießt und gegen die eingangs zitierte Datenschutz-Richtlinie der EG.

Es wird angeregt den vorliegenden Entwurf zurückzuziehen und alle fremdenrechtlichen Fragen im Rahmen eines Migrationsgesamtkonzeptes neu zu ordnen.



mehr --> http://www.argedaten.at/recht/eu.htm
andere --> http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIV/ME/ME_00065/pmh.shtml

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