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2004/11/30 Das neue Gesundheitstelematikgesetz führt zur zentralen Gesundheitskontrolle
Neuer Anlauf zeigt gefährliche Entwicklung - Votum Separatum im Datenschutzrat - Gesetz wird zentrale Gesundheitskontrolle ermöglichen - mit verminderter Datensicherheit und Freibrief zum Rechtsbruch in den nächsten drei Jahren - mit unverhersehbaren Grundrechtseingriffen - Bildungsevidenz verblasst gegenüber den Eingriffen in Gesundheitsdaten - Vorbereitung einer österreichweiten Gesundheitsdaten-Evidenz

Neuer Anlauf 2004

Nach einem ersten Vorstoß im Sommer 2002 wurde es sehr still um ein Gesundheitstelematikgesetz. Die Knittelfelder Querelen beendeten den Vorstoß des Sozialministers. Die notwendige Regelung der sicheren Datenübertragung sensibler Gesundheitsdaten wurde als Vorwand genommen, gleich eine zentrale Melde- und Evidenzstelle für alle gesundheitsrelevanten Daten vorzusehen. Sogar Selbsthilfegruppen und Personen, die privat untereinander Gesundheitsinformationen austauschen wären unter diese Meldepflicht gefallen.

Im Ergebnis hätte das Ministerium die Möglichkeit gehabt, den gesamten Informationsaustausch zu Fragen der persönlichen Gesundheit zu überwachen. Im Ergebnis wäre es auf eine Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht hinausgelaufen, die ja nicht standesorientiert ist, sondern persönlich an den einzelnen Arzt gebunden ist.

Hans G. Zeger, Mitglied des Datenschutzrates: 'Die Vielzahl missglückter Reformvorhaben zum äußerst sensiblen Bereich Gesundheit drängen zentrale Tatsachen der Arzt-Patienten-Beziehung immer mehr in den Hintergrund. Eine Krankenbehandlung ist eine höchstpersönliche Vertrauensangelegenheit zwischen dem Patient und einem bestimmten Arzt seiner Wahl. Dieser Arzt ist persönlich für die Behandlung verantwortlich und unterliegt persönlich dem Ärztegeheimnis. Selbst die Datenweitergabe an 'Kollegen' oder andere Gesundheitseinrichtungen bedarf der Zustimmung des Patienten.'

Es ist eine Binsenweisheit, dass ein wesentlicher Teil der Behandlungserfolge auch vom Vertrauen des Patienten in bestimmte therapeutische Maßnahmen abhängt. Diese sind vom behandelnden Arzt abhängig.

Ein Gesundheitsdatenverbund würde diese persönliche Vertrauensbindung noch weiter aushöhlen. Fehlerhafte, unvollständige oder veraltete medizinische Informationen würden in einem derartigen Verbund noch rascher verbreitet werden als bisher.


Technokratischer Zugang

Die Diskussion ist, wie eine Tagung des BMGF zeigt, von technokratischen Aspekten beherrscht. Die Idee eines "lebensbegleitenden elektronischen Akts", der zentral verwaltet wird, wie ein Referent vorschlug, ist bestimmt vom technisch Machbaren, nicht vom gesundheitspolitisch Wünschbaren.

Die Angriffspotentiale auf einen derartigen Gesundheitsdatenverbund sind jedoch derartig hoch, dass die daraus resultierenden Sicherheitsmaßnahmen die Preisgabe vieler demokratscher Grundrechte bedeuten wird.


Widerspruch zur ärztlichen Praxis

Tatsächlich sind viele medizinische Informationen nur sehr kurzzeitig gültig und kontextbezogen. Höchstens für die Analyse von Zeitreihen bei einzelnen Krankheiten sind alte medizinische Rohdaten verwertbar. Das bisher angewandte System der Arztbriefe und kollegialen Konsultation erweist sich als höchst effizient, da damit der Befund ausstellende Arzt gezwungen wird, sich auf die wesentlichsten Merkmale und Aspekte zu konzentrieren. Bei komplexeren Fragestellungen würden jedoch durch die kollegiale Konsultation nicht bloß Daten von einer medizinischen Einrichtung zur anderen transportiert werden, wie es das Gesundheitstelematikgesetz vorsieht, sondern es würde in der Konsultation auch ein Informations- und Wissensaustausch stattfinden, der auch zu völlig neuen Aspekten in Therapie und Diagnose führen kann.

Hans G. Zeger: "Das Gesundheitstelematikgesetz folgt einem Mechanikerverständnis von Gesundheit, bei dem Menschen zu Patientengut und Krankheit zum Reparaturfall wird, der von allen Ärzten immer gleich behandelt werden müsse. Die Illusion, durch mehr Datenaustausch schneller und billiger reparieren zu können, ist offensichtlich von Technikern für Techniker entwickelt worden."


Verminderte Datensicherheit

Obwohl der Gesetzesentwurf geradezu gebetsmühlenartig die Sicherheit der Gesundheitsdaten beschwört, werden die verpflichtenden Sicherheitsmaßnahmen nicht dem Stand der Technik (etwa Signaturgesetz) angepasst, wie dies die EG-Richtlinie 2002/58/EG ("Datenschutz in der Telekommunikation") vorschreibt, sondern dem niederen technischen Niveau der bestehenden EDV-Installationen bei manchen Spitälern und Ärzten.

Hans G. Zeger: "Mit der Begründung, man müsse auf Gesundheitsapplikationen, die vor mehr als 15 Jahren entwickelt wurden Rücksicht nehmen, werden die Sicherheitsanforderungen bewusst vage formuliert und nach unten nivelliert."

Kontrollrechte der Patienten fehlen völlig, auch die verbindliche Festschreibung, wie die Prüfung der Zugriffsberechtigung auf die einzelnen Patientendaten tatsächlich technisch gesichert wird.

Hans G. Zeger: "Wird das Gesundheitstelematikgesetz in der vorliegenden Form beschlossen, werden es die ungenügenden Protokollierungsbestimmungen im Datenschutzgesetz dem Patienten völlig unmöglich machen herauszufinden, wer seine Gesundheitsdaten hat.

Verstösse gegen die im Gesetz vorgesehenen an sich lockeren Datensicherheitsbestimmungen sollen zusätzlich bis 31.12.2007, also drei Jahre lang, ungeahndet bleiben!


Votum Separatum im Datenschutzrat

Nur widerwillig beschäftigt sich mittlerweile der Datenschutzrat mit Grundsatzfragen zur Privatsphäre. Das Gesundheitstelematikgesetz wurde überhaupt nur auf Antrag einiger Oppositionspolitiker behandelt.

Nach längeren Diskussionen wurde eine Stellungnahme verabschiedet, die leider bloß nur neue Fragen aufwirft, statt klare Vorschläge zu machen.

Hans G. Zeger: "Um wenigstens einige simple Grundsatzstandpunkte offen zu legen, habe ich ein Votum Separatum abgegeben, dass besonders auf die völlig unzureichende Berücksichtigung und Sicherung der Patientenrechte eingeht."

Das komplette Votum Separatum findet sich unter http://ftp.freenet.at/ges/gesundheitstelematikgesetz2005-vs-d....

andere --> Beschlussfassung im Nationalrat
andere --> http://bmgf.cms.apa.at/cms/site/detail.htm?thema=CH0118&doc=CMS1080651204762

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