INNSBRUCK: Ihr Sozialhilfeantrag gefährdet Ihr Privatleben
Sozialhilfeantrag der Stadt Innsbruck verstößt gegen eine Reihe von Datenschutzbestimmungen - Auch sozial Schwache haben Recht auf Privatleben - Alternativen möglich
Dubioser Sozialhilfeantrag der Stadt Innsbruck
Antragsteller zur Sozialhilfe erhalten in Innsbruck ein vierseitiges Formular. Neben Fragen zu Familienstand und einer 'Begründung der Notlage' werden detaillierte Auskünfte zu Einkommen und Vermögenswerten gestellt.
So weit, so gut. Jeder wird nachvollziehen können, dass Sozialhilfe tatsächlich nur an Bedürftige ausbezahlt wird, die letzte Seite hat es jedoch in sich.
Neben der Erklärung, alle Angaben wahrheitsgemäß gemacht zu haben, werden umfangreiche Zustimmungserklärungen für Datenweitergaben und Datenanfragen verlangt.
Unzulässige Zustimmung zur Datenermittlung
Ganz pauschal muß der Antragsteller die Zustimmung geben, daß bei einer Fülle von Stellen und Personen Auskünfte eingeholt werden dürfen.
Diese Stellen werden jedoch nicht, wie es im Gesetz vorgesehen ist, abschließend aufgezählt, sondern bloß allgemein umschrieben: '[...] bei den jeweils zuständigen Stellen und Personen (Behörden, Ämtern, Banken und Kreditunternehmen, Organisationen, Instituten, karitativen Vereinen, Krankenanstalten, Ärzten, Dienstgebern und sonstigen Personen) eingeholt werden können.'
Hans G. Zeger, ARGE DATEN: 'Schon mehrfach hat der OGH festgestellt, dass freiwillige Zustimmungserklärungen nur dann gültig sind, wenn der Betroffene nachvollziehen kann, bei welchen konkreten Stellen tatsächlich persönliche Daten ermittelt werden bzw. dorthin übermittelt werden. Was für private Unternehmen gilt, gilt auch für Behörden. Die EG-Richtlinie Datenschutz macht dazu keine Unterscheidung.'
Was unter 'Organisationen' und 'Instituten' zu verstehen ist, dürfte vermutlich auch dem paranoiden Verfasser des Formulars schleierhaft sein, er hätte diese ja benennen können.
Unzulässige Aufhebung des Amtsgeheimnisses
Weiters wird eine pauschale Entbindung von Amts- und Bankgeheimnis verlangt: 'Ich entbinde vorstehende Stellen von der Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses bzw. Banken und Kreditunternehmen von der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses.'
Hans G. Zeger: 'Fast wäre man zynischerweise versucht zu fragen, warum das Ärztegeheimniss vergessen wurde, ebenso Beichtgeheimnis und Verscheigenheitspflichten von Anwälten? Auch auf die Inkassobüros wurde offenbar vergessen, diese haben oft einen wesentlich besseren Einblick in die finanzielle Situation einer Privatperson, als Banken.'
Tatsächlich enthält die Erklärung aber auch rechtlich unhaltbares. Das 'Amtsgeheimnis' ist nicht eine Privatvereinbarung zwischen Beamten und Bürgern, sondern eine Verpflichtung der Beamten gegenüber dem Staat, keine vertraulichen Amtstätigkeiten weiter zu erzählen.
Hans G. Zeger: 'Wir würden uns alle gern wünschen, daß wir in bestimmten Fällen die Beamten von der Wahrung des Amtsgeheimnisses entbinden könnten. Manche dubiose Behördenentscheidung käme dann ans Tageslicht. Das spielt's aber nicht. Der Verfasser des Formulars dürfte nicht nur paranoid, sondern auch reichlich unwissend sein.'
Unzulässige Eingriffe in die Privatsphäre Dritter
Im Formular werden nicht nur - an sich zulässige - Angaben zur eigenen Person verlangt, sondern auch weitreichende Angaben über Dritte, Verwandte, Lebensgefährten, sonstige Mitbewohner.
Hier fehlt der Hinweis, dass diese Angaben nur mit Zustimmung der Betroffenen getätigt werden können.
Eine Einverständisserklärung, dass auch Auskünfte über diese Personen ('Dritte#) eingeholt werden können, darf gar nicht gegeben werden.
Hans G. Zeger: 'Das Datenschutz-Instrument der freiwilligen Zustimmung ist ein Persönlichkeitsrecht, dass nur der Betroffene selbst oder ein ausgewiesener Vertreter ausüben kann. Von Sozialhilfeempfängern, die im Normalfall rechtlich nicht sehr bewandert sind, illegale Zustimmungserklärungen zu verlangen, ist obszön und schamlos.'
Verletzung der Informationspflicht
Fast schon ein Kavaliersdelikt ist die Tatsache, das auf dem Formular jeder Hinweis über den Herausgeber des Formulars und dem verantwortlichen Auftraggeber fehlt.
Hier werden die Informationsrechte der EG-Richtlinie Datenschutz und §24 des DSG 2000 massiv verletzt.
Stadtverwaltung will Lizenz zum Schnüffeln
Nicht nur das die Datenermittlung bei einer unbestimmten Zahl von Institutionen vorgesehen ist, werden auch die erhobenen Daten nicht gesetzeskonform eingegrenzt: '... sämtliche über meine Person verarbeiteten Daten ...'.
Hans G. Zeger: 'Das Formular widerspricht jedem rechtsstaatlichen Gedanken. Offenbar geht es der Innsbrucker Stadtverwaltung bloss darum eine Blankovollmacht zu beliebigen Datenzugriff zu erhalten.'
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Legale Alternativen möglich
In der gegenwärtigen Rezensionsphase kann es jedem passieren, auf das Netz der Sozialhilfe angewiesen zu sein. Schnell kann aus einem strahlenden NewEconomy-Geschäftsführer ein Sozialfall werden. Von den vielen Menschen mit geringer Schulbildung und Qualifikation, die ihren letzten MacJob verlieren, ganz zu schweigen.
Ein sinnvoller und effizienter Umgang mit Sozialleistungen ist daher eine Verpflichtung für uns alle. Statt unbeschränktem und letztlich auch ineffizenten Zugang zu allen möglichen Daten zu verlangen, können für die wichtigsten Angaben zum Sozialhilfeantrag Belege und Unterlagen verlangt werden.
Darüber hinaus bestehen für die Sozialbehörde eine Fülle gerichtlicher Möglichkeiten, bei falschen Angaben, die empfangenen Leistungen wieder zurückzufordern.
Wie können sich Betroffene wehren?
Betroffene, also Personen die Anspruch auf Sozialhilfe haben, aber nicht bereit sind derartige Zustimmungserklräungen zu unterschreiben, sollten alle Punkte zu ihrer finanziellen Situation wahrheitsgemäß ausfüllen, ebenso die Bestätigung, dass die Angaben vollständig und wahrheitsgemäß sind. Alle Erklärungen zur Datenweitergabe, Datenermittlung und Entbindung vom Amtsgeheimnis sollten durchgestrichen werden.
Weiters sollte eine Beschwerde bei der Datenschutzkommission wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte (Geheimhaltung) eingebracht werden.
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