2005/01/17 Mitarbeiterüberwachung schreitet voran
Mitarbeiterüberwachung massiv im Vormarsch - Subjektives Gefühl der Überwachung muss berücksichtigt werden - Telefondatenerfassungen sind immer zustimmungspflichtig - Österreich hätte zum Schutz der Angestellten ausreichende Regelungen - Neuartige Beschäftigungsverhältnisse jedoch besonders stark gefährdet - Ebenso Mitarbeiter der IT-Branche - Empfohlen wird die Verabschiedung einer Betriebsvereinbarung
Mitarbeiterüberwachung massiv im Vormarsch
Eine Hitachi-Studie vom Frühjahr 2004 ortete Mitarbeiterüberwachung bei 50% der österreichischen Großunternehmen. Tatsächlich dürfte das Überwachungspotential, zieht man den strengen Maßstab des OGH heran, wesentlich höher liegen. Wesentliches Problem ist dabei, dass die neue Überwachung unter neuen Bezeichnungen, wie "Betriebs-Audit", "Fernwartung", "Protokollierungspflicht", "Kostenstellenrechnung", ... auftritt. Wird von Betroffenen und Betriebsräten oft nicht mehr als Überwachung wahrgenommen.
SPYWARE in den Ministerien.
Während im Rahmen einer von der ARGE DATEN durchgeführten Umfrage alle Ministerien den Einsatz von SPYWARE-Programmen verneinen, ergibt sich eine unterschiedliche Kontrollintensität beim Einsatz von Filterprogrammen, Online-Protokollierung und applikationsspezifischer Mitarbeiterüberwachung. Auch anlassunabhängige Auswertung von Protokolldaten, nach herrschendem Arbeitsrecht durch die Personalvertretung zustimmungspflichtig, wird von einzelnen Ministerien betrieben (bzw. geplant).
Die Handhabung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen ist äußerst unterschiedlich und dürfte in einzelnen Ministerien - besonders in Hinblick auf die OGH-Entscheidung 8ObA288/01p nicht rechtskonform sein.
Die wichtigsten Punkte aus der OGH-Entscheidung
Wesentlich ist, dass sich der OGH in 8ObA288/01p - erstmalig - mit dem Problem der Kontrolldichte und der automatisierten Kontrolle im Gegensatz zur üblichen "manuellen" Kontrolle eines Vorgesetzten auseinandergesetzt hat. Dieser Punkt wäre für den Einsatz von Protokollierungen im Datenverkehr (e-mail, Internet, Computerverwendung, Datenbankzugriffe, ...) von Bedeutung.
Rufnummernunterdrückung bei Privatgesprächen nicht ausreichend
"Häufigkeit und Dauer privater Telefonate - insbesondere im längeren Vergleich - könnten Rückschlüsse oder nicht weniger problematische Spekulationen über persönliche oder familiäre Schwierigkeiten des Arbeitnehmers ermöglichen. Die alleinige Möglichkeit, die Registrierung angewählter Nummern zu unterbinden, bewahre den Arbeitnehmer nicht vor eventuellen Spekulationen. Die Missbrauchsgefahr bei diesem erhöhten Informations- und Kontrollpotential müsse bei der Beurteilung des Persönlichkeitsschutzes des Arbeitnehmers berücksichtigt werden."
Technische Dauerüberwachung nur bei Überwiegen von Arbeitgeberinteressen zulässig
"Technische Dauerüberwachung sei grundsätzlich unzulässig, solange der Arbeitgeber nicht ein stärkeres rechtlich geschütztes Interesse beweise. Technisch und organisatorisch seien aber durchaus andere Mittel möglich, die den Interessen des Arbeitgebers in einem rechtlich zulässigen Ausmaß Rechnung tragen, wie etwa über längere Zeiträume zusammengefasste Gebührenermittlung für Privatgespräche oder Teilnummernregistrierung bei Dienstgesprächen. Eine Beurteilung der Menschenwürde und ihrer Integrität könne begrifflicherweise an der Sicht des betroffenen Menschen nicht vorbeigehen. Der subjektive Eindruck der Betroffenen von einem Kontrollsystem sei daher sehr wohl eines der Kriterien zur Beurteilung der Zustimmungspflichtigkeit." (aus dem OGH-Urteil)
Telefondatenerfassung ist immer Zustimmungspflichtig
"Die Einrichtung einer automationsunterstützten Telefonregistrieranlage im Betrieb bedarf, soweit sie personenbezogene Daten erfasst, immer der Zustimmung des Betriebsrates; sie ist - je nach Intensität des Eingriffs - absolut oder ersetzbar zustimmungsabhängig. Die Einführung eines elektronischen Telefonkontrollsystems durch den Dienstgeber, das die Nummern der angerufenen Teilnehmer systematisch und vollständig, den jeweiligen Nebenstellen zugeordnet, erfasst, berührt selbst dann die Menschenwürde im Sinn des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG, wenn durch Betätigen einer Taste am Telefonapparat hinsichtlich der dann besonders gekennzeichneten Gespräche die Endziffern der Rufnummer im System unterdrückt werden. Bietet der Dienstgeber hinsichtlich eines derartigen Telefonkontrollsystems den Abschluss einer die Persönlichkeitsrechte der Dienstnehmer ausreichend wahrenden Betriebsvereinbarung an, kann er - verweigert der Betriebsrat die Zustimmung - mit dem Vorbringen, die Einführung der Kontrollmaßnahme berühre dann nicht mehr die Menschenwürde, gemäß § 96a Abs 2 ArbVG die Schlichtungsstelle anrufen." (OGH)
Auch am Arbeitsplatz besteht ein Recht auf Privatsphäre
"Der Konflikt zwischen widerstreitenden Persönlichkeitsrechten stellt sich aus der Warte der Grundrechte betrachtet regelmäßig auch als Grundrechtskonflikt mit Drittwirkungseffekten dar. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung von einer grundrechtlich verankerten Pflicht zur umfassenden Interessenabwägung aus. Steht das in Art5 StGG normierte Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums des Arbeitgebers den Persönlichkeitsrechten des Arbeitnehmers auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre gegenüber, so ist in die vorzunehmende Interessenabwägung der bestehende Arbeitsvertrag einzubeziehen, der einerseits Fürsorgepflichten des Arbeitgebers, andererseits aber auch Treuepflichten des Arbeitnehmers nach sich zieht. Kontrolle an sich verstößt gegen kein Persönlichkeitsgut des Arbeitnehmers. Es gehört vielmehr zum Wesen des Arbeitsverhältnisses, dass sich der Arbeitnehmer der Kontrolle durch den Arbeitgeber unterwirft. Während die Treuepflicht des Dienstnehmers diesen zum Einbekennen von Privatgesprächen verhält, verpflichtet die Grundrechtsbindung sowie die Fürsorgepflicht den Dienstgeber, Eingriffe in Persönlichkeitsrechte auf die schonendste noch zielführende Art vorzunehmen. Die Persönlichkeitsrechte wirken, wenngleich durch den Arbeitsvertrag abgeschwächt und modifiziert, auch im dienstlichen Bereich fort und schützen dort den Arbeitnehmer insbesondere vor Erniedrigung, Ungleichbehandlung und Willkür. Durch zu große, über das für die Erreichung des Kontrollzwecks erforderliche Ausmaß hinausgehende Kontrolldichte bei der Arbeit kann jedenfalls die Menschenwürde im Sinne des §96 Abs1 Z3 ArbVG berührt werden." (OGH)
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