2005/06/27 Müssen Fragebögen an Schulen ausgefüllt werden?
Weitläufige "Qualitätsoffensiven" an Schulen - Lehrerranking durch Schülerbewertung - Eltern und Schüler sollten sich Teilnahme gründlich überlegen
Immer öfter starten Schulen bei Schülern und deren Eltern sogenannte "Qualitätsoffensiven", in deren Rahmen sie Meinungsumfragen zum schulischen Alltag durchführen. Die Schüler werden dabei gebeten, Angaben über ihre Schulstufe, inhaltliche Schwerpunkte und die Zufriedenheit mit Lehrern und Mitschülern zu machen. Von den Eltern sollen vor allem der Ruf der Schule und die Entscheidungsgründe der Auswahl ermittelt werden.
Keine Pflicht zur Teilnahme
Zum Ausfüllen von Fragebögen besteht nur dann eine Verpflichtung, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Ist dies nicht der Fall, können weder die Schüler noch die Eltern gezwungen werden, an der Umfrageaktion teilzunehmen. Je weniger den Ausfüllenden erkennbar ist, ob eine solche gesetzliche Verpflichtung besteht, desto intensiver wird diesbezüglich die Informationspflicht des Auftraggebers. Insbesondere darf dem Betroffenen also nicht vorgetäuscht werden, dass er zur Teilnahme an der Datenerhebung verpflichtet sei, da ihn dies von der Inanspruchnahme seiner Betroffenenrechte abhalten könnte. Schüler und Eltern müssen daher im Zweifelsfall über die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme in Kenntnis gesetzt werden.
Wer erhebt die Daten?
Gemäß §24 DSG2000 hat der Auftraggeber bei einer Datenermittlung die Betroffenen genau über seinen Namen und seine Adresse sowie den Zweck der Datenanwendung zu informieren. Dies soll den Betroffenen insbesondere die Verfolgung ihrer Rechte sichern- wer gar nicht weiß, von wem seine Daten erhoben werden, der kann sich gegen eine widerrechtliche Erhebung auch nicht wehren. Geht aus einem Fragebogen oder einem Begleitschreiben nicht klar hervor, wer der Auftraggeber der schulischen "Qualitätsoffensive" ist und wozu die Daten benötigt werden, so empfiehlt es sich, vor dem Ausfüllen erst von der Schulleitung die entsprechenden Informationen anzufordern. Auskünfte wie "Die Fragebögen werden an das X-Institut zur Auswertung übermittelt" geben noch keinen Hinweis darauf, wer Auftraggeber ist. Kommt die Schule ihrer Informationspflicht nicht nach, so ist von einer Teilnahme an der Umfrage abzuraten.
Anonymität ist oberstes Gebot
Fragen über die psychische Verfassung der Schüler oder Aufforderungen zur Nennung ihrer Lieblingslehrer greifen direkt in den persönlichen Lebensbereich der Kinder oder Jugendlichen ein. Gerade dann muss gewährleistet sein, dass die Daten nicht auf einzelne Personen rückgeführt werden können. Keinesfalls sollten die Fragebögen Personen einsichtig sein, die durch die Angaben über Klasse, Alter oder Geschlecht und die Identifikation der Handschrift die Antworten einzelnen Schülern zuordnen können. Wer sich nicht sicher ist, ob seine Daten nur in gute Hände gelangen werden, sollte von einer Teilnahme an der Frageaktion absehen. Hat ein Schüler bereits den Fragebogen ausgefüllt, so empfiehlt sich allenfalls eine Rückfrage bei der Schulleitung, wer genau die Fragebögen sichtet und auswertet. Eine Rückforderung des Bogens ist dann jedoch nicht mehr möglich, da- zumindest im Idealfall- nicht ergründbar sein wird, welches Kind welchen Fragebogen ausgefüllt hat.
Lehrerranking an Schulcomputern?
Oftmals werden die Schüler durch den Fragebogen aufgefordert, ihren Lehrern und Lehrerinnen Schulnoten zu geben oder gar ihre LieblingslehrerInnen anzuführen. Datenschutzrechtlich ist dies zwar unproblematisch, da die Schüler über die Ausführung dieser Angaben frei entscheiden können. Geschieht dies allerdings im Rahmen einer schulinternen Umfrage, so ist vor allem darauf Bedacht zu nehmen, wie man mit den erhobenen Auswertungen verfährt. Die Veröffentlichung eines "Lehrerrankings" wäre vor allem dann ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, wenn sie "schlechte" Lehrer anprangern soll. Aber auch wenn die Lehrerdaten an allgemein zugänglichen Schulcomputern gespeichert werden kann eine Veröffentlichung vorliegen- etwa wenn die Daten ohne Passwortschutz für jedermann frei abrufbar sind. Nur wenn dabei das Allgemeininteresse an der Veröffentlichung gegenüber dem Einzelinteresse des Lehrers überwiegt ist eine solche auch zulässig, dies wird bei einer "Qualitätsoffensive" jedoch kaum der Fall sein. Wer nicht möchte, dass die über ihn erhobenen Daten veröffentlicht werden, sollte einer Verwendung jedenfalls widersprechen.
Kann man ein Ausfüllen rückgängig machen?
Da die Daten durch die Anonymisierung der Fragebögen nicht auf die Betroffenen rückgeführt werden können, scheidet die Geltendmachung der DSG-Betroffenenrechte (wie zum Beispiel das Recht auf Löschung) aus. Wurden Fragebögen ohne Wissen der Eltern an die Schüler verteilt und von letzteren ausgefüllt, so empfiehlt sich eine Beschwerde an die Schulleitung mit der Aufforderung, zukünftige Aktionen dieser Art ohne Information der Erziehungsberechtigten zu unterlassen. Auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Landesschulrat ist möglich. Schließlich können sich Betroffene an den Volksanwalt wenden, um Druck auf die Schulleitung zu machen.
Im Zweifel Ausfüllen verweigern
Eltern und Schüler sollten von einer Teilnahme immer dann absehen, wenn sie nicht sicher sind, wer die Daten zu welchem Zweck braucht und wer die Auswertung vornimmt. Marktforschungsähnliche Fragestellungen sollten Zweifel an dem wissenschaftlichen Hintergrund der Datenerhebungen aufkommen lassen. Dann ist es ratsam, auf seinem Verweigerungsrecht zu beharren und sich von eventuellen Druckmitteln der Schule nicht einschüchtern zu lassen. Die Zweckmäßigkeit der Datenermittlung ist vor dem Ausfüllen immer in Frage zu ziehen- denn letztendlich ist Schule ein Ort des Lernens, nicht des Ermittelns einzelner Weltanschauungen.
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